Rede von Omid Nouripour Einsatz zur Bekämpfung des IS-Terrors und Stabilisierung des Iraks

15.03.2018

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ISIS ist auf dem Rückzug; und das ist gut. Es gibt viele, denen man danken muss: der Bundeswehr und vielen anderen, die sich den Barbaren in den Weg gestellt haben, nicht nur mit der Waffe in der Hand.

Ich möchte an dieser Stelle eine Gruppe erwähnen, bei der mir schlicht die Dankesworte fehlen, weil das, was sie geleistet hat, so unglaublich ist. Das ist „Raqqa Is Being Slaughtered Silently“. Das ist eine Gruppe von jungen Menschen, die nicht nur ihr Leben riskiert haben, sondern vielfach ihr Leben geopfert haben, um Informationen aus Rakka herauszuschmuggeln. Das ist eine unglaubliche Arbeit, die diese Menschen geleistet haben. Dafür kann man nicht ausreichend Danke sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

ISIS ist auf dem Rückzug, aber noch lange nicht am Ende. Er muss weiter mit militärischen Mitteln bekämpft werden, auch wenn wir wissen, dass die Hauptarbeit im politischen Bereich liegt. Dabei ist es völlig richtig, dass man die Bemühungen von Haider al-Abadi, Irak zusammenzuhalten, unterstützt. Irak ist ein Frontstaat im Kampf gegen ISIS.

Als wir im November letzten Jahres miteinander gesprochen und über eine Regierungsbildung beraten haben, haben wir uns auf einen Mandatstext geeinigt, dem wir auch hätten zustimmen können. Das können wir beim vorliegenden Mandat nicht. Ich will dafür einige Gründe nennen.

Der erste Grund ist das Völkerrecht. Es ist gerade über den Irak gesprochen worden. Die Kollegin Dağdelen hat beschrieben, warum der Einsatz im Irak völkerrechtsgemäß ist. In Syrien ist das anders. Auch die Situation in Syrien findet ja in diesem Mandatstext Erwähnung. Die Bundesregierung sagt ausschließlich: Die Vereinten Nationen haben uns aufgefordert, ISIS zu bekämpfen. – Das ist für eine Souveränitätsverletzung nicht ausreichend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Zweite ist: Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man Auslandseinsätze grundsätzlich nur in Systemen kollektiver Sicherheit leisten darf. Das, womit wir es hier zu tun haben, ist eine Koalition der Willigen. Das ist aus unserer Sicht nicht nur grundgesetzwidrig, sondern es ist auch eindeutig eine politische Aushöhlung der Regularien und vor allem der Gremien der Vereinten Nationen. Das ist für uns ein weiterer Grund, diesem Mandat nicht zuzustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Dritte ist: Transparenz fehlt. Ich habe eine Antwort der Bundesregierung zu diesem Thema bekommen und möchte daraus zitieren.

Zusätzlich existieren Verhaltensregeln für alle an IRKS beteiligten Nationen. ... Sie gelten für das deutsche Einsatzkontingent Counter DAESH nur innerhalb des durch das Mandat des Deutschen Bundestages festgelegten Rahmens.

Eine andere Frage war: Können wir die Einsatzregeln der Bundeswehr einsehen, wie wir das auch bei anderen Mandaten machen durften? Weiter im Zitat:

Die ... erwähnten zusätzlichen Verhaltensregeln ... sind Teil eines durch die USA verfassten und „SECRET-RELEASABLE TO USA ...“ ... eingestuften Dokuments.

Deshalb werden wir sie nicht herausgeben. – Das sind aber Einsatzregeln für unsere Soldatinnen und Soldaten, die wir als Parlament kontrollieren. Diese Kontrolle können wir aber nicht leisten, wenn Sie diese Transparenz verweigern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Vierte ist die Frage, ob die Bilder, die bei diesem Einsatz gemacht werden, an die Türkei gehen. Wir haben diese Frage immer wieder gestellt. Es gab immer viele Antworten zu Red Card Holdern. Aber die Frage, ob es nicht einen Pool der NATO gibt, aus dem Bilder und Daten entnommen werden können, und wie man verhindern will, dass die Türkei, die ihre Militäraktion zurzeit nicht nur im Norden Syriens betreibt, sondern auch angekündigt hat, im Norden Iraks tätig zu werden, diese Bilder bekommt, ist nie beantwortet worden.

Der letzte Grund: Mir fehlt es, ehrlich gesagt – das geht mir persönlich so –, schlicht an Vertrauen. Die Bundesregierung hat vor vier Jahren – das waren dieselben Parteien, die seit gestern wieder in der Regierung sind – ganz laut und heftig gesagt: Wir werden die Rüstungsexporte restriktiver handhaben. –

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tja!)

Dass die Fakten der letzten vier Jahre eindeutig eine andere Sprache sprechen, wissen wir. Aber die Tatsache, dass die Bundesregierung in den letzten fünfeinhalb Wochen, seit die Türkei in Syrien einmarschiert ist, 20 Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern in die Türkei erteilt hat, ist schlicht ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ihre Behauptung ist eine Lüge, die in die Öffentlichkeit gegeben wurde. Das höhlt unser Vertrauen aus.

Es ist im Übrigen hervorragend, Herr Außenminister – dafür danke ich Ihnen –, dass Sie Ost-Ghuta genannt und erwähnt haben, was dort gerade durch Assad, den Freund der AfD, passiert. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten auch noch Afrin genannt. Das ist nicht gleichzusetzen. Aber das ist genauso Teil des Problems in Syrien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Die Bundesregierung trägt zu diesem Problem bei, weil sie diese Rüstungsexporte genehmigt. Wir werden diesem Mandat nicht zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)