Energiepreise, Entlastungsmaßnahmen & Energiesicherheit

In dieser Folge sprechen wir mit Lisa Paus und Julia Verlinden über die geplanten Entlastungsmaßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise, Energieeffizienzmaßnahmen und Energiesicherheit. Die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden machen klar, es geht jetzt kurzfrstig darum, die Bürger*innen zu unterstützen und langfristig mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz unabhängig von Fossilen zu werden.
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Transkript des Podcasts
Julia Verlinden: Es geht auf der einen Seite natürlich ganz kurzfristig darum, den Menschen dabei zu helfen, dass die Preise steigen und sie damit in finanzielle Schwierigkeiten kommen könnten. Das wollen wir damit verhindern, indem der Staat jetzt hier entlastet und unterstützt. Aber dass wir natürlich mittel- und langfristig alles dafür tun müssen, dass wir diese fossilen Rohstoffe gar nicht mehr in der Menge überhaupt benötigen.
Lisa Paus: Mit diesem Entlastungspaket ist tatsächlich in das Thema Energieeffizienz noch mal richtig Dynamik gekommen. Das wird natürlich jetzt auch breit in der Bevölkerung noch mal zu Diskussionen führen. Ich zum Beispiel wohne ja in einer Wohnung mit Gasetagenheizung in Berlin. Natürlich haben jetzt auch meine Nachbarn wahrgenommen, dass beschlossen wurde, dass künftig für alle Heizungen, wenn sie ausgetauscht werden, ab 2024 gilt: Die müssen mindestens 65 Prozent erneuerbar sein. Dann ist klar, wir können nicht einfach die Heizung austauschen, sondern wir brauchen insgesamt ein neues Heizkonzept. Ich bin Lisa Paus, ich bin die stellvertretende Fraktionsvorsitzende für den Bereich Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Haushalt und Finanzen.
Julia Verlinden: Ich bin Julia Verlinden. Ich bin die stellvertretende Fraktionsvorsitzende für alle Ökothemen. Dazu gehören Bauen und Verkehr, Umwelt, Naturschutz, Klima, Energie und natürlich Landwirtschaft.
Intro/Outro: Uns geht's ums Ganze. Der Podcast der grünen Bundestagsfraktion.
Tim Meyer: Ein herzliches Willkommen zu unserem Podcast. Uns geht's ums Ganze. Hallo Lisa.
Lisa Paus: Hallo Tim.
Tim Meyer: Hallo Julia.
Julia Verlinden: Hallo Tim.
Tim Meyer: Mein Name ist Tim Meyer. Ich bin Referent in der Öffentlichkeitsarbeit der grünen Bundestagsfraktion. Am 9. Februar 2022, also noch vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine, habe ich mit euch beiden in diesem Podcast über die steigenden Energiepreise und geplante Entlastungen gesprochen. Der Heizkostenzuschuss und die Abschaffung der EEG Umlage zum 1. Juli 2022 sind seitdem beschlossen bzw. auf den Weg gebracht. In der letzten Woche hat der Koalitionsausschuss der Ampelregierung nun weitere Maßnahmen zur Entlastung der Bürger*innen beschlossen, die kurzfristig und befristet die hohen Energiekosten abfedern sollen. Kurz zum Ablauf des Podcasts: Ich möchte am Anfang gerne über die neu beschlossenen Maßnahmen sprechen, und mit was wir darüber hinaus zu rechnen haben bzw. was von der Ampelregierung und innerhalb der grünen Bundestagsfraktion noch diskutiert wird. Anschließend möchte ich mit euch sprechen über Energiesicherheit, wie die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu beenden ist, und welche langfristigen Maßnahmen für sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energieversorgung die grüne Bundestagsfraktion in Angriff nimmt. Meine erste Frage geht an Lisa Paus. Lisa, durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich die Lage deutlich verschärft. Es ist noch klarer geworden, dass wir unsere Abhängigkeit von Fossilen beenden müssen. Kannst du kurz beschreiben, was in dem letzten Monat passiert ist, warum die Preise immer weiter steigen und was wohl noch in den nächsten Monaten zu erwarten ist?
Lisa Paus: Ja, der brutale Angriffskrieg hat einfach unfassbar viel verändert. Nicht umsonst redet der Bundeskanzler von der Zeitenwende. Angesichts der drastischen Abhängigkeit auch Deutschlands von russischem Öl, Gas und Kohle war klar, dass es hohe Unsicherheit gibt in den Märkten. Entsprechend hatten wir es mit drastischen Preisaufschlägen zu tun. Die große Unsicherheit ist erstmal normal, das ist ja einfach so. Beim Öl hat es zum Beispiel dann auch Hamsterkäufe von Heizöl gegeben. Das hat wiederum dann die Dieselölpreise zusätzlich negativ beeinflusst, also dass er nach oben gegangen ist. Und beim Gas war es ähnlich. Allerdings sind inzwischen die Ölpreise bei den Spotmärkten wieder runtergegangen. An der Zapfsäule ist das aber so nicht angekommen. Und beim Gas ist es sogar so, dass Russland zwischendurch mehr Gas geliefert hat. Und trotzdem sind die Gaspreise oben geblieben. Und deswegen ist es gut und richtig, dass Wirtschaftsminister Habeck jetzt auch mit dem Kartellamt zusammen schaut, inwieweit diese Preise noch marktgerecht sind. Oder inwieweit es da nicht auch einfach um Mitnahmegewinne für die entsprechenden Konzerne geht.
Tim Meyer: Hast du da was hinzuzufügen, Julia?
Julia Verlinden: Ich finde es wichtig, dass Lisa das betont hat, dass nicht automatisch die Weltmarktpreise für fossile Rohstoffe diejenigen sind, die dann auch für die Kundinnen und Kunden hier in Deutschland gelten. Sondern dass da noch sehr viel an Gewinnspanne dazwischen liegt. Und dass wir hier sehr genau hinschauen müssen, dass nicht am Ende diejenigen Kriegsgewinnler sind sozusagen, die jetzt an diesen fossilen Rohstoffen ganz besonders viel verdienen wollen.
Tim Meyer: Schauen wir uns jetzt mal kurz die beschlossenen Maßnahmen an und klären, ob und wann sie noch im Bundestag beraten werden und wie denn der weitere Zeitplan aussieht. Ich liste mal kurz die wichtigsten Punkte auf. Alle steuerpflichtigen Erwerbstätigen bekommen eine Energiepreispauschale von 300 Euro. Es soll einen Familienzuschuss von 100 Euro pro Kind geben. Wer Transferleistungen bezieht, erhält zu der bereits beschlossenen Einmalzahlung von 100 Euro weitere 100 Euro. Wir haben gerade über die Kraftstoffpreise gesprochen. Es soll eine Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate geben. Und das Ticket neun für 90 Tage, also 9 Euro pro Monat ÖPNV fahren für 90 Tage lang. Das zeigt ja, wir haben hier befristete Maßnahmen. Erklärt doch mal bitte, welche Ideen hinter den einzelnen Maßnahmen stehen und wie der weitere Zeitplan aussieht.
Lisa Paus: Zwei Dinge sind wichtig. Wir müssen jetzt entlasten in dieser Krise, wo diese Preise so drastisch angestiegen sind. Und wir müssen das sozial gerecht tun. Das macht das gesamte Entlastungpaket. Und zweitens ist wichtig, dass in diesem Paket auch Energieeffizienzmaßnahmen enthalten sind. Das ist ganz, ganz wichtig, um die Unabhängigkeit von Russland jetzt deutlich zu beschleunigen, neben dem Ausbau der Erneuerbaren und der Diversifizierung der Stellen, wo wir es kaufen. Das sind die beiden wichtigen Maßnahmen. Und beim sozial gerecht muss man noch mal sagen: Die Energiepreispauschale, das geht jetzt kurzfristig. Die 300 Euro werden über die Lohnsteuer vom Arbeitgeber gezahlt. Für alle anderen kommt es dann später über die Einkommenssteuer. Und das ist für uns eben auch der Einstieg ins Klimageld. Das in der Tat braucht etwas Vorlauf. Dazu muss auch erstmal ein Register aufgebaut werden mit der Steuer-ID. Aber auch das ist mit diesem Paket auf den Weg gebracht, so dass wir endlich für das Thema Energiepreise ein adäquates Instrumentarium haben. Das war zwar bereits lose in der Koalitionsvereinbarung vereinbart. Aber nicht alle haben das gleich interpretiert. Deswegen ist das ein Riesenschritt, dass wir das jetzt geschafft haben.
Tim Meyer: Zum Klimageld habe ich gleich noch eine Frage. Aber kurz zu dem Zeitplan. Wie sieht das denn aus? Müssen die Maßnahmen jetzt alle noch mal im Bundestag debattiert bzw. gelesen werden und in ein Gesetz geschrieben werden? Oder wie geht das jetzt weiter?
Lisa Paus: Ja natürlich. Übrigens nicht nur im Bundestag. Gerade zum Beispiel die Energiepreispauschale braucht auch den Bundesrat. Das ganze Thema 9-Euro- Ticket braucht auch den Bundesrat. Deswegen wird es jetzt Verhandlungen geben zwischen der Bundesebene und den Ländern. Und das Ganze muss dann noch gesetzlich verarbeitet werden. Trotzdem arbeiten wir mit Hochdruck daran und wollen eben den Sommer erreichen, so dass es im Sommer dann auch tatsächlich wirksam wird.
Tim Meyer: Julia, dann erkläre doch du bitte noch mal, was das Klimageld ist und was da jetzt gerade vorbereitet wird. Das ist ja eine langfristige Maßnahme.
Julia Verlinden: Richtig. Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf ein Klimageld verständigt, das wir perspektivisch im Laufe dieser Legislaturperiode einführen möchten. Weil uns wichtig war, dass hier nochmal deutlich gemacht wird, dass Teile der Einnahmen, die wir durch CO2-Preisabgaben in dem Haushalt haben, schon zum Teil über die Senkung der EEG-Umlage zurückgezahlt werden an die Menschen. Aber dass das, was darüber hinausgeht, über eine Pro-Kopf-Pauschale zurückerstattet wird. Das ist das sogenannte Klimageld. Das heißt, jeder Mensch in Deutschland kriegt dann dieselbe Summe jedes Jahr. Und das wird jetzt vorbereitet dahingehend, dass man sich letzte Woche darauf verständigt hat, dass der Auszahlungsweg über die sogenannte Steuer-ID geht. Jeder Mensch bekommt ja eine Steuer-ID-Nummer in Deutschland, egal ob er oder sie arbeiten geht oder nicht. Auf jeden Fall hat jeder Mensch so eine.
Lisa Paus: Mit der Geburt kommt das.
Julia Verlinden: Ja genau.
Lisa Paus: Das ist quasi der erste Brief, den man bekommt, wenn man ein Kind bekommen hat.
Julia Verlinden: Und deswegen ist das ein geeignetes Instrument, wie wir finden. Oder eine geeignete Maßnahme, hier darüber dann das Klimageld perspektivisch auszuzahlen. Und das muss jetzt entsprechend vorbereitet werden, damit die Maßnahme dann irgendwann auch zum Tragen kommen kann.
Tim Meyer: Seid ihr denn unterm Strich mit den Ergebnissen des Koalitionsausschusses zufrieden? Julia, wie siehst du das?
Julia Verlinden: Ich finde es super wichtig, dass es gelungen ist, diesen Dreiklang auch in das Papier festzuschreiben. Es geht auf der einen Seite natürlich ganz kurzfristig darum, den Menschen zu helfen dabei, dass die Preise steigen und sie damit in finanzielle Schwierigkeiten kommen könnten. Das wollen wir damit verhindern, dass der Staat jetzt hier entlastet und unterstützt. Aber dass wir natürlich mittel-und langfristig alles dafür tun müssen, dass wir diese fossilen Rohstoffe gar nicht mehr in der Menge überhaupt benötigen. Das heißt, dass wir Wohlstand bei uns im Land haben mit erneuerbaren Energien und energieeffizienter Technologie. Dass wir möglichst wenig Energie verbrauchen und die dann möglichst perspektivisch zu 100 Prozent erneuerbar ist. Dass wir dahin kommen, uns unabhängig zu machen von diesen hohen oder auch schwankenden fossilen Rohstoffen. Und vor allen Dingen, um uns unabhängig zu machen auch von russischen fossilen Importen. Dafür haben wir jetzt festgelegt, dass wir auch verschiedene Maßnahmen noch ergänzen. Zusätzlich zu denen, die sowieso in der Pipeline sind. Mit dem sogenannten Osterpaket, das noch aus dem Energie-und Klimaministerium kommt. Aber auch zusätzlich zu all den Dingen, die schon im Koalitionsvertrag letzten Herbst verabredet worden sind. Und das ist ganz wichtig, dass wir hier also auch Geld in die Hand nehmen und politische Rahmenbedingungen schaffen, damit wir möglichst viel Energie sparen können. Denn wenn ich jetzt jemand bin, der weiß, dass wir nur einen begrenzten Bundeshaushalt haben und wir natürlich auch jeden Euro nur einmal ausgeben können, dann ist es natürlich gut, wenn wir möglichst viel Geld investieren dahingehend, dass wir perspektivisch weniger Geld ausgeben müssen. Das heißt also, jeder Euro, der in eine effizientere Heizung, in ein klimaschonendes, also energiesparendes Gebäude investiert wird beispielsweise, oder in eine neue Technologie in einem Unternehmen, das am Ende mit nur noch halb so viel Energieverbrauch auskommt, ist ein sehr, sehr gut investierter Euro. Deswegen haben wir dieses Thema Energieeffizienz hier auch noch mal ganz, ganz stark gemacht.
Tim Meyer: Ich möchte jetzt noch einmal zu den Maßnahmen, die wir jetzt gerade besprochen haben, zurückkommen. Von den Sozialverbänden wurde kritisiert, dass nicht genug Unterstützung bei denen ankommt, die es am nötigsten haben bzw. dass auch die etwas bekommen, die es aufgrund ihres Einkommens eigentlich nicht brauchen. Lisa, was würdest du auf diesen Vorwurf entgegnen?
Lisa Paus: Ich finde, der trifft wirklich nicht zu. Wir haben uns bei diesem Paket noch stärker als beim ersten Paket wirklich darauf konzentriert, dass es ein sozial gerechtes Paket ist. Die Energiepreispauschale, die jetzt kommt, das sind diese 300 Euro. Da ist es ja so, dass gerade die unteren Einkommen am meisten davon profitieren, weil es eben angerechnet wird auf die Einkommenssteuer. Also die mit den hohen Einkommen bekommen eben am meisten abgezogen. Wir haben zusätzliche Beiträge für die Grundsicherungsempfänger. Das ist noch mal aufgestockt worden von 100 auf 200 Euro. Die Heizkostenpauschale bekommt ja auch nicht jeder. Das bekommen Wohngeldempfänger, das bekommen BAföG-Studierende und Azubis. Das ÖPNV Ticket für 9 Euro - okay, das bekommen tatsächlich auch alle. Aber da ist es ja auch einfach wichtig, das niederschwellig möglich zu machen. Aber dieses Paket ist wirklich ganz klar sozial gestaffelt. Und die, die es am meisten brauchen, bekommen am meisten. Klar, es gibt einen kleinen Wermutstropfen, die Absenkung der Energiesteuer. Das sind halt Preise, die man in einer Koalition zahlen muss. Aber das Gesamtpaket entlastet eindeutig die, die es am meisten brauchen, auch am meisten.
Tim Meyer: Du meinst jetzt die Energiesteuer auf Kraftstoffe?
Lisa Paus: Genau.
Tim Meyer: Wir haben schon über das Klimageld gesprochen, das ja langfristig diejenigen belohnen soll, die Energie einsparen. Und was steht darüber hinaus auf der To-Do-Liste?
Julia Verlinden: Genau. Was außerdem noch auf der To-Do-Liste steht, ist, dass wir uns schon im Koalitionsvertrag verabredet haben, dass der CO2-Preis, der ja von der letzten Bundesregierung eingeführt worden ist auf Wärme und Treibstoffe, im Gebäudesektor gerechter verteilt wird. Es ist ja bisher so gewesen, dass seit der letzten Bundesregierung die Mieterinnen und Mieter diesen CO2-Preis alleine zahlen. Obwohl sie ja wenig Möglichkeiten haben, Investitionen zu tätigen, die dazu führen, dass der Energieverbrauch gesenkt wird in dem Gebäude, in dem sie leben. Und da sitzt das Ministerium, beziehungsweise beide Ministerien - das Bau- und das Klimaministerium - gerade zusammen dran, um diesen CO2-Preis gerechter zwischen Mietern und Vermietern zu verteilen. Und das wird auch noch mal ein wichtiger Bestandteil der sozial gerechten Klimapolitik sein. Weil diese Änderung auch in diesem Jahr noch in Kraft treten soll.
Tim Meyer: Hast du noch eine Maßnahme auf deiner To-Do-Liste, Lisa, die du gerne erwähnen möchtest hier?
Lisa Paus: Nein. Ich wollte einfach nur noch mal sagen, dass das Riesenschritte sind, die wir jetzt machen im Bereich der Energieeffizienz. In dem Osterpaket ist ja vor allen Dingen das Thema Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren. Da ist ein ganz großer Schwerpunkt drauf. Aber mit diesem Entlastungspaket ist eben tatsächlich in das Thema Energieeffizienz noch mal richtig Dynamik gekommen. Und das wird natürlich jetzt breit auch in der Bevölkerung noch mal zu Diskussionen führen. Also ich zum Beispiel wohne auch in einer Wohnung mit einer Gasetagenheizung in Berlin. So, und natürlich haben jetzt auch meine Nachbarn wahrgenommen, dass beschlossen wurde, dass künftig für alle Heizungen, wenn sie ausgetauscht werden, ab 2024 gilt: Die müssen mindestens 65 Prozent erneuerbar sein. Dann ist klar, wir können nicht einfach die Heizung austauschen, sondern wir brauchen insgesamt ein neues Heizkonzept. Von daher ist das ein Riesenschritt. Das wird auch fürs Handwerk durchaus eine positive Geschichte sein. Da ist sozusagen einiges zu stemmen. Und deswegen ist auch ganz wichtig, dass vereinbart ist, dass es an den Fördertöpfen nicht scheitern darf. Das steht auch noch mal ganz klar drin verankert, dass es keine Förderstopps geben soll. Und jetzt ist es schon so, dass bei dem lange nicht geliebten KfW 55 Programm für den Altbau, also für den Bestand, die Nachfrage jetzt deutlich angestiegen ist. Und das ist erst mal eine gute Nachricht, dass da jetzt tatsächlich etwas passiert. Weil wir tatsächlich jede Kilowattstunde, die wir jetzt einsparen, nicht von Russland kaufen müssen.
Tim Meyer: Da haben wir auch beim letzten Mal noch drüber gesprochen, weil die KfW Förderung ja gerade ausgelaufen war, und die Leute dann sitzen geblieben sind oder keine Förderung mehr in Anspruch nehmen konnten. Und daran wird auch wieder gearbeitet an einem neuen Förderprogramm.
Lisa Paus: Genau. Es gibt jetzt schon welche und sie werden besser ausgestattet. Und wir ziehen eben auch mit Gesetzesänderungen nach, damit eine klare Erwartungssicherheit da ist. Zukünftig Gasheizungen - das macht keinen Sinn. Das macht klimapolitisch keinen Sinn. Jetzt macht es noch zusätzlich auch geostrategisch überhaupt keinen Sinn. Und deswegen müssen wir die Unabhängigkeit jetzt mit Turbo beschleunigen. Leider war es ja so, dass 16 Jahre lang nicht nur die Abhängigkeit nicht gesenkt wurde, sondern ja verschärft worden ist gegenüber Russland. Und deswegen versuchen wir mit allen Maßnahmen, das zu ändern. Wir haben es geschafft, auch durch eine gute, vorausschauende Verhandlungsstrategie, dass womöglich bis zum Ende des Jahres auch möglich ist, sowohl bei Kohle und Öl praktisch ganz auszusteigen. Und auch beim Gas ist es absehbar, dass es möglich ist, unabhängig von Russland zu werden.
Tim Meyer: Da komme ich auch gleich noch mal zu. Aber kurz zu dem Osterpaket, was wir jetzt schon ein paar Mal erwähnt haben. Das ist ja eine von Klima-und Wirtschaftsminister Robert Habeck geplante umfassende EEG Novelle.
Julia Verlinden: Genau.
Tim Meyer: Und da geht es vor allem auch um den Ausbau der erneuerbaren Energien. EEG Novelle, das Erneuerbare Energien Gesetz. Ist da noch etwas drin über die Sachen hinaus, die ihr jetzt gerade schon beschrieben habt? Was könnt ihr da noch erzählen und wie da der Zeitplan ist? Also Osterpaket klingt ja so, als ob das in den nächsten Wochen dann richtig öffentlich wird.
Julia Verlinden: Genau. Also der Plan ist, dass kurz vor Ostern, so ist zumindest mein Stand, die Kabinettsbeschlüsse zu diesen Gesetzesänderungen beschlossen werden sollen. Im Laufe der darauffolgenden Wochen - das wird dann wahrscheinlich der Mai - werden wir im Parlament diese ganzen Gesetzentwürfe bekommen und dazu dann das ganz geordnete parlamentarische Verfahren machen. Sprich, wir werden dann diese vielen Hunderte von Seiten Gesetzesänderungen sowohl in den Ausschüssen beraten als auch in Anhörungen mit Experten. Und wir werden dann vielleicht das eine oder andere noch ändern, wo wir merken, das könnte man vielleicht noch besser machen. Und dann werden wir das wahrscheinlich im Juni alles beschließen im Parlament. Und dann muss der Bundesrat noch mal - ich weiß nicht, ob er zustimmungspflichtig ist bei allen Sachen, aber bei einigen vielleicht. Und dann wird das im Sommer in Kraft treten können. Wo wir noch ein bisschen mitdenken müssen ist, dass sich die EU-Kommission viele von diesen Gesetzen anschauen möchte und genehmigen möchte, weil es immer um diese Frage Beihilfe geht. Die EU prüft, wenn zum Beispiel wie in diesem Fall beim Erneuerbare Energien Gesetz Gelder fließen, die zwar nicht vom Staat bezahlt werden, aber die der Staat verteilt. Die Stromkunden zahlen ja mit der bisherigen EEG Umlage einen Teil des Ausbaus der erneuerbaren Energien und bekommen dafür den Strom. Diese EEG Umlage schaffen wir ja zum Sommer für die Kundinnen und Kunden ab. Dafür zahlt der Staat dann dieses Geld. Und das muss natürlich alles durch die EU Kommission geprüft werden, ob das im Rahmen der Beihilfeleitlinien alles so in Ordnung ist. Und ob das nicht unerlaubte Subventionen sind, die im Rahmen von dem europäischen Binnenmarkt nicht in Ordnung wären. Deswegen hoffen wir, dass wir das alles ganz schnell mit Brüssel geklärt kriegen, damit diese Dinge auch alle ganz schnell in Kraft treten können. Und alle auch wissen, wie die neuen Gesetze dann aussehen. Aber wichtig sind vor allem beim Erneuerbaren Energien Gesetz die Ausbauziele, also wieviel erneuerbare Energien wollen wir zum Beispiel im Jahr 2030 haben, nämlich 85 Prozent Erneuerbare im Stromsektor. Das ist richtig viel, weil wir auch mit einem höheren Stromverbrauch bis dahin rechnen.
Tim Meyer: Wieviel haben wir jetzt gerade?
Julia Verlinden: Wir haben jetzt ungefähr 600 Terawattstunden Strom, die wir in Deutschland verbrauchen. Wir rechnen damit, dass das eher steigt, wenn mehr Menschen mit Autos fahren.
Tim Meyer: Ich meinte, wie viel Prozent wir jetzt haben?
Julia Verlinden: Ja, ungefähr 45 Prozent. Wir haben dann mehr Elektromobilität, mehr Wärmepumpen. Und so weiter. Und deswegen ist es wichtig, in dem Kontext natürlich auch damit zu planen, dass mehr Menschen Stromanwendungen nutzen und wir sehr, sehr viel mehr Windräder und Solaranlagen bauen werden. Und das wird dann im Rahmen des Erneuerbaren Energien Gesetzes auch entsprechend mit einem Pfad hinterlegt, sodass diese Ziele abgesichert sind. Aber auch dafür die Rahmenbedingungen natürlich geschaffen werden müssen. Zum Beispiel haben wir uns vorgenommen, 200 Gigawatt Photovoltaik bis zum Jahr 2030 zu bauen. Da müssen wir noch richtig was zulegen im Vergleich zu den letzten Jahren.
Lisa Paus: Aber erst mal ist der 8. April sozusagen das Zieldatum, dass das alles im Kabinett liegt. Ich bin doch zuversichtlich, dass das mit der EU Kommission gut geht. Anders als in früheren Jahren. Weil inzwischen ist die EU auf das Fit for 55 verpflichtet. Das heißt, insgesamt geht es darum, dass wir die Klimaneutralität erreichen. Von daher bin ich zuversichtlich.
Tim Meyer: Lisa, du hast es gerade schon erwähnt, dass es ja darum geht, die Abhängigkeit von russischem Öl und Kohle und Gas zu beenden. Es wurde jetzt gerade ein Bericht von Robert Habeck vorgelegt. Und du hast es gerade schon gesagt, Öl und Kohle kann möglicherweise in diesem Jahr schon klappen oder klappt in diesem Jahr. Gas wahrscheinlich bis Mitte 2024. Wie bewertest du diese ersten, aber doch sehr schnellen Schritte?
Lisa Paus: Ja, Robert Habeck hat gezeigt: Es ist möglich. Natürlich muss man sagen, das ist nicht für null zu haben. Das werden dann auch nicht exakt die gleichen Einkaufspreise sein, wie wir sie derzeit haben. Und man muss auch sagen müssen bei dem Ganzen, mit ein Auge darauf zu haben, dass auch andere sich umorientieren. Und dass tendenziell damit auch negative Preiseffekte zum Beispiel auf die Länder des Südens damit verbunden sind. Trotzdem ist es wichtig, Putin hier ein klares Stoppschild zu zeigen und unsere Unabhängigkeit so schnell wie möglich herzustellen. Wir sind da klar auf Kurs. Das, was geht, das machen wir. Und wir machen deutlich mehr möglich, als viele andere vielleicht vorher gedacht haben. Ich finde, das ist wirklich ein Thema, wo man sieht, dass eine neue Bundesregierung wirklich einen Unterschied macht. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie die Lage in dem Bereich jetzt wäre, wenn wir noch die alte Bundesregierung hätten.
Julia Verlinden: Oh ja.
Tim Meyer: Es war ja auch immer mal wieder davon die Rede, dass wir jetzt die Heizung runterdrehen, einen Pullover mehr anziehen. Weil wir natürlich Energie nicht einkaufen müssen, wenn wir sie erst gar nicht verbrauchen. Bringt das etwas oder sind andere Wege sinnvoller, wie die Bürger*innen in der akuten Situation mit unterstützen und langfristig die Energiewende mit anschieben können?
Lisa Paus: Pullover und Decken helfen natürlich immer. Ich bin sowieso gerne unter einer Decke. Aber es gibt auch noch andere Maßnahmen. Also zum Beispiel der automatische hydraulische Abgleich von alten Heizungen und alles weitere. Das kann Julia viel besser erklären als ich. Aber es geht jetzt nicht nur darum, einen genauen Verhaltensplan vorzulegen, sondern es ist auch technisch einiges mehr möglich, als derzeit Standard ist.
Tim Meyer: Aber es ist ja, um das noch einzuwerfen, vielleicht auch für manche ein emotionaler Beitrag, den sie gerne leisten wollen.
Lisa Paus: Genau.
Julia Verlinden: Stimmt.
Lisa Paus: Ich kenne mehrere in meinem Umfeld, die das jetzt auch machen. Und das ist wichtig. Auch jeder individuelle Beitrag ist wichtig. Aber in der Breite brauchen wir natürlich eine politische Unterstützung. Das können jetzt die Leute nicht alle einzeln bewerkstelligen. Sondern da braucht es die Nutzung der technischen Möglichkeiten, die einfach da sind, aber die zurzeit eben vielfältig ungenutzt bleiben. Ich glaube, allein durch einen hydraulischen Abgleich kann man wieviel einsparen, Julia? Sag mal was.
Julia Verlinden: 10 bis 20 Prozent je nach Heizung und wie viel Stockwerke da sind.
Lisa Paus: Das ist richtig viel.
Tim Meyer: Hydraulischer Abgleich - kannst du das vielleicht noch mal ganz kurz erklären?
Julia Verlinden: Wenn zum Beispiel eine zentrale Heizung im Keller steht, in einem Mehrfamilienhaus, und da sind dann beispielsweise fünf oder acht Stockwerke. Dann hängt es von der Steuerung dieser Anlagentechnik im Keller ab, wie viel Energie eigentlich verbraucht wird, um es in allen Wohnungen schön warm zu haben. Wenn die Heizung nicht gut eingestellt ist, kann es sein, dass entweder die Wohnung ganz oben nicht genug Wärme bekommt, weil sie einfach von der Entfernung zum Heizkessel weit weg ist und vorher schon ganz viele andere sich ihre Wärme holen. Oder vielleicht auch der Druck nicht gut genug ist, um die Wärme bis ganz nach oben zu transportieren. Das muss man einstellen. Es kann aber auch genau andersherum sein. Dass die Heizung total übertrieben eingestellt ist, weil der Vermieter oder der, der die Heizung damals eingebaut hat, auf jeden Fall vermeiden möchte, dass die ganz oben nicht genug Wärme bekommen. Also dass viel mehr Energie verballert wird, als eigentlich notwendig ist. Wenn man sich quasi die Leitungsstränge zu den verschiedenen Heizkörpern in den verschiedenen Räumen in den verschiedenen Stockwerken anguckt, das genau in einen Computerprogramm eingibt und berechnen lässt. Und dann entsprechend die Durchflussventile, aber auch unten die Steuerung im Keller programmiert und einrichtet. Dann kann man allein durch diese technische Maßnahme relativ viel Energie sparen. Und das spart dann natürlich auch Geld bei denjenigen, die für die Heizkosten ihre Rechnung bekommen. Insofern ist eine sehr gute Sache. Es ist etwas, was bisher auch nicht alle Handwerker*innen können, sondern wozu man eine bestimmte Fortbildung machen kann. Und das wird auch gefördert. Also derjenige, der so einen hydraulischen Abgleich machen möchte, der kann dafür Förderprogramme in Anspruch nehmen. Und das ist eine gute Sache.
Tim Meyer: Sehr gut. Dann habt ihr da draußen hoffentlich jetzt auch mal verstanden, was ein hydraulischer Abgleich ist. Ich möchte einmal noch kurz auf die Kohle zu sprechen kommen. Die wird auch erwähnt in dem Papier des Koalitionsausschusses. Um die Energieversorgung sicherzustellen, ist in den Vereinbarungen die Rede davon, dass eine Stilllegung von Kohlekraftwerken bis auf Weiteres ausgesetzt werden kann, wenn es notwendig wird. Gleichzeitig soll aber am Ziel Kohleausstieg bis 2030 festgehalten werden. Wie schätzt ihr das ein? Schaffen wir das?
Julia Verlinden: Ich glaube, es bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als dass wir uns unabhängig machen von den fossilen Brennstoffen. Es ist ja im Augenblick so, dass wir ausschließlich Braunkohle in Deutschland selber abbauen. Also diese riesigen Kohlebagger, die entweder in der Lausitz oder im rheinischen Revier noch tiefe Löcher bohren. Und deren Kohle dann auch in den Kraftwerken direkt um die Ecke verbrannt werden. Die sind ja das eine. Aber die Steinkohlekraftwerke, die in Deutschland noch laufen, werden mit Kohle unter anderem aus Russland oder auch aus anderen Ländern dieser Welt beheizt. Und bei diesen Steinkohlekraftwerke steht gar nicht zur Debatte, dass man die jetzt viel länger oder viel intensiver laufen lässt. Sondern dass man sie in die Sicherheitsreserve packt. Das heißt, sie sind noch am Netz, sie könnten noch laufen. Aber dadurch, dass wir natürlich mit steigenden Kohlepreisen auf dem Weltmarkt rechnen und das auch schon sehen, und weil wir weniger russische Steinkohle einkaufen wollen, werden diese Kraftwerke möglicherweise dann unterm Strich doch ein bisschen weniger laufen, als das vielleicht eigentlich geplant war. Aber insbesondere werden sie dann zum Einsatz kommen, wenn sie als Backup benötigt werden. Deswegen werden sie jetzt auch nicht endgültig abgeschaltet, sondern sind noch sozusagen als Sicherheitsreserve dabei. Das kann dann dazu führen, dass ein einzelnes Kraftwerk, wo wir möglicherweise gedacht haben: „Das ist jetzt abgeschaltet und vorbei", dass das noch ein paar Jahre länger in der Reserve ist. Und möglicherweise auch mal ein paar Tage, oder vielleicht auch wenige Wochen im Jahr, läuft. Womit wir bisher nicht geplant haben. Aber wirklich nur als Sicherheitsreserve. Und der endgültige Kohleausstieg, wo dann wirklich alle Kraftwerke vom Netz gehen sollen, den sollten wir auf jeden Fall versuchen, bis 2030 zu vollenden.
Tim Meyer: Und dafür werden ja jetzt, wie wir gerade besprochen haben, auch die Grundsteine gelegt. Eben mit der EEG Novelle und allen anderen Dingen, die ihr gerade gesagt hat.
Julia Verlinden: Ganz genau. Und da ist vielleicht auch noch mal wichtig zu sehen, dass alle dazu natürlich auch ihren Beitrag leisten können. Also wir versuchen natürlich im Erneuerbaren Energien Gesetz jetzt viele Rahmenbedingungen zu verbessern. Aber es ist auch heute schon attraktiv für jemanden, der beispielsweise ein Elektroauto fährt oder eine Wärmepumpe betreibt, eine eigene Photovoltaikanlage aufs Dach zu setzen. Und da würde ich empfehlen, nicht bis zum Sommer zu warten, sondern jetzt sofort seinen Handwerker anzurufen und zu sagen: „Ich hätte gerne eine eigene Solaranlage. Ich möchte mitmachen bei der Unabhängigkeit, die wir von russischen Energieimporten anstreben." Weil ich nämlich auch gehört habe, es kommen gerade viele Leute auf die Idee. Deswegen ist es gut, wenn man nicht zu lange wartet, den Handwerker anzurufen, sondern sich schnell schon mal meldet und sagt: „Ich bin dabei."
Lisa Paus: Julia, hast du eigentlich noch einen Tipp zum Thema Energieberater? Da hat sich insgesamt ja doch auch ein Engpass ergeben. Wie sollte man das am besten machen? Gelbe Seiten oder KfW-Liste?
Julia Verlinden: Genau. Bei der Deutschen Energieagentur gibt es eine Liste, bei der „dena". Das sind die Effizienzberater, die eine besondere Fortbildung oder Qualifikation gemacht haben und sich regelmäßig weiterbilden. Das sind diejenigen, die am besten im Thema sind und die ganzen Förderprogramme kennen. Mit Sicherheit klagen die gerade nicht über Langeweile. Das kann ich mir vorstellen. Aber vielleicht motiviert es ja auch noch mehr Menschen, die einen ähnlichen Beruf haben oder einen Beruf haben, wo man gut drauf aufsatteln kann, diese Fortbildungen zu machen. Und dann entsprechend auch in diese Liste der dena aufgenommen zu werden. Damit diese Energieeffizienzberater noch mehr werden. Und noch mehr Verbraucherinnen und Verbraucher sich von denen beraten lassen können. Im übrigen sind es nicht nur die Gebäude. Im Durchschnitt, sage ich jetzt mal, könnte über ganz Deutschland verteilt 50 Prozent der Wärme in den Wohngebäuden eingespart werden. Und die wollen wir natürlich peu a peu auch heben, diese Potenziale. Aber wir können auch noch ganz viel in der Industrie tun. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die in den letzten Jahren sogenannte Energy Audits oder Energy Management Systeme durchgeführt haben. Die haben auch Potenziale erkannt, wo sie Energie sparen können. Sie haben sich aber nicht immer automatisch dafür entschieden, diese Maßnahme auch umzusetzen. Weil das ja erstmal auch eine Investition bedeutet, Geld in die zu Hand nehmen und eine neue Technik einzubauen oder bestimmte Dinge in ihren Verfahrensabläufen zu ändern. Und die erinnern sich jetzt vielleicht an diesen Bericht, der noch in der Schublade liegt und sagen: „Hach, jetzt wäre vielleicht doch mal ein guter Zeitpunkt, diese Dinge noch umzusetzen." Wir tun auf jeden Fall von Seiten der Politik alles, um sie zu motivieren, das zu tun. Weil ich glaube, es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt.
Lisa Paus: Ja, da rächt sich auch wieder die alte Bundesregierung. Wenn ich das richtig erinnere, dann war die Einführung von Energie Management Systemen eine Auflage von der Europäischen Kommission, damit man profitieren kann von den Ausnahmen bei der Energie- und Ökosteuer. Wir wollten damals, dass die nicht nur diese Berichte machen, sondern dass sie dann auch verbindlich umgesetzt werden müssen. Die alte Bundesregierung hat das verhindert. Deswegen gibt es eben diese Vorlage. Aber sie musste bisher nicht umgesetzt werden, weil die alte Regierung das den Unternehmen nicht zumuten wollte. Wenn die das gemacht hätten, dann hätten wir das jetzt schon. Aber trotzdem kann man es immer noch machen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.
Tim Meyer: Wir sprechen schon gerade darüber, was man mal in die Hand nehmen kann. Wo man sich vielleicht auch dran aufrichten kann. Das ist meine letzte Frage an euch, weil es einfach gerade sehr viel gibt, was uns große Sorgen bereitet. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine mit den vielen Menschen, die ihr Leben verlieren oder aus ihrer Heimat fliehen müssen. Ihr beide seid Teil einer Regierungsfraktion, die unterm Strich aber einen kühlen Kopf bewahren und auf den verschiedensten Themenfeldern nach Lösungen für große Probleme suchen muss. Gab es denn für euch in den letzten Wochen etwas, was ihr unseren Hörer*innen erzählen könnt, an dem ihr euch aufrichten oder aus dem ihr Hoffnung schöpfen konntet? Lisa vielleicht mal zuerst.
Lisa Paus: Ja. Das eine ist, dass ich das auch in meiner Umgebung erlebe, was Leute alles möglich machen. Eine gute Bekannte von mir zum Beispiel hat auf eigene Faust sechs Busse organisiert und damit 270 Menschen aus Kiew gerettet. Eine andere hat sich darum gekümmert, weil sie im Bereich Gebärdendolmetschen arbeitet, dass Menschen, die gehörlos sind, nicht einfach wild verteilt werden auf verschiedenste Unterkünfte. Sondern dass man sich in dem Chaos trotzdem darum kümmert, dass solche Dinge geordnet passieren und dass die Gehörlosen zusammen bleiben. Damit sie auch die entsprechende Betreuung bekommen. Das einfach wieder mitzubekommen, wie viel Hilfe Menschen jetzt mobilisieren, das ist großartig. Und ich hatte es eben schon erwähnt. Ich bin ja zum Glück Mitglied in meiner Partei. Ich bin aber trotzdem wirklich auch noch mal Fan insbesondere von Annalena und Robert aktuell. Und das ist auch einfach toll. Ich habe noch niemanden gehört, der die beiden kritisiert hat. Im Gegenteil, gefragt oder ungefragt bekomme ich permanent nur gute Rückmeldungen. Dass die Grünen da klar stehen bei dem Thema Ukraine. Und dass wir auch daran arbeiten, dass dieser Angriffskrieg so schnell wie möglich beendet wird. Dass wir da klar sind. Dass wir alles mobilisieren. Und das ist natürlich jeden Tag wieder Motivation, hier weiter unseren Job zu machen.
Tim Meyer: Wie ist es bei dir, Julia?
Julia Verlinden: Meine Antwort ist vielleicht gar nicht unbedingt eine politische Antwort. Ich habe vor einigen Wochen tatsächlich einen Podcast gehört. Das war eine Sendung im Deutschlandfunk. Da haben Wissenschaftler noch mal drauf hingewiesen, dass Menschen in Krisensituationen viel sozialer und solidarischer sind, als das oft angenommen wird. Also diejenigen, die das nicht empirisch untersuchen, gehen immer davon aus, dass der Mensch dann egoistisch ist und nur auf sich selbst achtet. Dass er sich quasi in einer Krisensituation durchsetzt oder seinen eigenen Vorteil sucht und dass aber genau das Gegenteil der Fall ist. Ich finde, das sehen wir ja immer wieder dann auch an solchen Beispielen, wie Lisa sie genannt hat. Dass Menschen sich ehrenamtlich massiv einsetzen. Das ist das eine. Und das andere aber auch, dass in solchen Situationen sich gegenseitig geholfen wird. Also gerade da, wo die Not auch am größten ist. Und das hat mir sehr viel Mut gemacht, weil das auch noch mal zeigt, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und dafür sorgen möchte, dass es allen gut geht. Und ich glaube, diese Solidarität, aber auch diese Bereitschaft, jetzt im eigenen Leben möglicherweise Veränderungen mit zu unterstützen, macht mir sehr viel Mut. Auch dahingehend, dass wir jetzt wahrscheinlich auch für viele politische Maßnahmen die Unterstützung in der Gesellschaft haben. Weil alle auch erkennen, das es jetzt ganz besonders Sinn macht. Weil es unerträglich ist zu sehen, wie Kriege auch aufgrund von solchen Situationen wie Abhängigkeiten von fossilen Rohstoffen und so weiter geführt werden. Und ich glaube, das ist etwas, wo unsere Gesellschaft auf jeden Fall einen ganz wichtigen Beitrag leisten kann in Europa. Auf der einen Seite tatsächlich dafür zu sorgen, dass der Krieg in der Ukraine möglichst schnell beendet wird. Und auf der anderen Seite natürlich, dass den Menschen, die hier herkommen, möglichst gut geholfen wird und solche ähnlichen Situationen nie wieder passieren.
Tim Meyer: Liebe Julia, liebe Lisa, ich bedanke mich für das Gespräch.
Julia Verlinden: Sehr gerne.
Lisa Paus: Wir bedanken uns.
Tim Meyer: Den heutigen Podcast zeichnen wir am 28. März auf. Wenn ihr Lob, Kritik oder Fragen loswerden wollt, schreibt uns gerne an podcast@gruene-bundestag.de. Wenn ihr informiert bleiben wollt, was wir im Bundestag noch alles so machen, schaut auf unsere Webseite www.gruene-bundestag.de oder folgt uns in den sozialen Netzwerken auf Instagram, Twitter und Facebook. Vielen Dank fürs Zuhören. Macht es gut und bleibt gesund. Tschüss.
Lisa Paus: Ciao.
Julia Verlinden: Tschüss.
Intro/Outro: Uns geht's ums Ganze. Der Podcast der grünen Bundestagsfraktion.
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