Was macht die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin?

In dieser Folge blicken wir gemeinsam mit Irene Mihalic hinter die dicken Mauern des Bundestags bzw. des parlamentarischen Betriebs. Denn Irene Mihalic ist als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin für die Organisation der parlamentarischen Abläufe innerhalb der grünen Bundestagsfraktion zuständig, koordiniert aber auch den Austausch mit den anderen Bundestagsfraktionen, Ministerien und Bundesländern.
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Transkript des Podcasts
Irene Mihalic: Mir erschließt sich gerade eine neue Welt. Also man ahnt ja nicht, wie viel so auch noch im Hintergrund passiert, wie dieser ganze Betrieb hier organisiert wird, wie eine Fraktion auch, sozusagen, als Maschinenraum - um mal dieses Bild zu beschreiben - wirklich funktioniert und was da alles so passiert im Hintergrund.
Intro/Outro: Uns geht`s ums Ganze. Der Podcast der grünen Bundestagsfraktion.
Tim Meyer: Ein herzliches Willkommen an Irene Mihalic und an unsere Hörer:innen! Wir begrüßen euch zu einer neuen Folge „Uns geht es ums Ganze". Heute blicken wir gemeinsam mit unserer Gästin hinter die dicken Mauern des Bundestags beziehungsweise des parlamentarischen Betriebs, denn Irene Mihalic ist als erste parlamentarische Geschäftsführerin für die Organisation der parlamentarischen Abläufe innerhalb der grünen Bundestagsfraktion zuständig, koordiniert aber auch den Austausch mit den anderen Bundestagsfraktionen, Ministerien und Bundesländern. Mein Name ist Tim Meyer. Ich bin Referent in der Öffentlichkeitsarbeit der grünen Bundestagsfraktion. Liebe Irene, schön, dass du da bist und dir in dieser Sitzungswoche die Zeit nimmst, mit uns über deine Arbeit zu sprechen. Heute ist Donnerstag, 17. März, gegen 16 Uhr. Gerade läuft noch das Plenum. Was hast du bis kurz vor diesem Gespräch in deiner Aufgabe als erste parlamentarische Geschäftsführerin gemacht? Und kurze Anmerkung: Ich werde jetzt auch mal PGF sagen, sonst klingt das immer alles förmlich.
Irene Mihalic: Ja genau, PGF sagt man auch immer hier, sozusagen als Abkürzung in diesem Betrieb. Ich habe heute Morgen um neun begonnen mit dem Plenumsdienst. Gehört jetzt zu meinen Aufgaben, dass ich als PGF im Plenum sitze und so ein bisschen eben über die Abläufe schaue, mich der Geschäftsordnung vergewissere, sozusagen, dass praktisch alles korrekt läuft und halt eben auch dafür sorge, dass die Abgeordneten auch anwesend sind im Plenum, die sich für die Debatte angemeldet haben. Das habe ich heute Morgen gemacht.
Tim Meyer: Passiert das auch schon im Austausch mit der Bundestagspräsidentin beziehungsweise heute mit der Vizepräsidentin?
Irene Mihalic: Ja, genau, zu meinen Aufgaben gehört es dann, wenn ich diesen Plenumsdienst mache. Das machen aber auch die anderen parlamentarischen Geschäftsführer:innen, die wir ja auch noch in der Fraktion haben. Dann gehört auch zu unseren Aufgaben, zum Beispiel die Rednerinnen und Redner für die Debatte anzumelden, oder wenn zum Beispiel Fragen zur Geschäftsordnung zu klären sind, das kurz bilateral zu besprechen, oder wenn kurzfristig Anträge aufgesetzt werden und dergleichen, das dann eben einzuordnen in den laufenden Betrieb und das gehört dann zu meinen Aufgaben, wenn ich dann im Plenarsaal sitze.
Tim Meyer: Hast du da einen besonderen Platz oder sitzt du einfach in den Reihen der Fraktion?
Irene Mihalic: Es gibt einen Platz der PGF, der ist in der zweiten Reihe. Also vorne sitzen ja immer unsere Fraktionsvorsitzenden. Katharina und Britta sitzen ja vorne in der ersten Reihe und ich sitze praktisch direkt dahinter in der zweiten Reihe auf einem Platz, weil von dort aus hat man erstens kurze Wege vorne zum Präsidium beziehungsweise auch zu den anderen Fraktionen, hat aber auch natürlich einen ganz guten Überblick. Man muss sich ja nur umdrehen und dann sieht man schon, ob die Fraktion gut präsent ist oder nicht, oder ob sich jemand meldet oder was los ist. Deswegen ist vorne der Platz eigentlich ganz gut.
Tim Meyer: Du hast es eben gerade schon angesprochen, die Fraktionsvorsitzenden. Du hältst mit den beiden, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, unseren eigenen Laden hier zusammen. Welche Eigenschaft beziehungsweise welcher Stil ist dir denn dabei besonders wichtig in Zusammenarbeit mit den grünen Abgeordneten?
Irene Mihalic: Also mir ist besonders wichtig, dass alle sozusagen Politik machen können im Deutschen Bundestag, also für die grüne Bundestagsfraktion und da wirklich für gute Abläufe zu sorgen, also dass wirklich alle Abgeordneten eben auch ihre Themen setzen können, dass also die Abläufe sowohl mit den Ausschüssen als auch im Plenum wirklich reibungslos funktionieren, dass wir uns auch untereinander verständigen, wer, wie, wo, was macht. Das gehört ja teilweise - nicht zu 100 Prozent - eben mit zu meinen Aufgaben und das ist mir wichtig, dass auch die Wünsche der Abgeordneten dabei auch irgendwie berücksichtigt werden, gerade bei einer so stark angewachsenen Fraktion, wie wir sie ja jetzt sind. Also wir sind ja deutlich mehr als in der letzten Wahlperiode und wir haben auch viele junge Kolleginnen und Kollegen, die ja auch erst mal hereinkommen müssen in diesen ganzen parlamentarischen Betrieb. Da sehe ich es auch als meine Aufgabe an, für die Abgeordneten immer ein offenes Ohr zu haben, also für Fragen zur Verfügung zu stehen, auch mal was zu organisieren, mal auch kurzfristig ansprechbar zu sein. Das ist mir bei meiner Aufgabenwahrnehmung besonders wichtig.
Tim Meyer: Du hast, das finde ich, auch sehr schön in der kommenden Ausgabe unseres Fraktionsmagazins „profil:Grün" beschrieben: „In meiner Funktion und Rolle möchte ich daran mitwirken, dass alle Abgeordneten unserer Fraktion ihr Licht zum Leuchten bringen können, im Dienst der gemeinsamen grünen Sache." Das ist ja das, was du gerade beschrieben hast.
Irene Mihalic: Genau, vor allen Dingen gerade auch bei den neuen Abgeordneten, die das jetzt hier noch nicht so kennen und sich vielleicht auch nicht noch nicht so ganz sicher sind, wie sie was vorbringen können oder wie sie sich vielleicht auch vorbereiten können auf das, was hier so passiert. Also da auch ein bisschen Unterstützung zu leisten, da wo es mir möglich ist, da, wo das auch vielleicht mal gefordert ist, also da bemühe ich mich wirklich, immer ansprechbar zu sein und vielleicht auch den einen oder anderen Hinweis zu geben.
Tim Meyer: Du bist als ehemalige Polizistin eine leidenschaftliche Innenpolitikerin. Wir hatten dich auch hier schon mal im Podcast. Was macht für dich den Reiz aus, jetzt nicht mehr in erster Linie über Themen und politische Maßnahmen zu diskutieren - natürlich machst du das in Vorbereitung von Sitzungswochen sicherlich auch - aber sondern in erster Linie deinen Kolleginnen das Politikmachen zu organisieren?
Irene Mihalic: Ich war jetzt acht Jahre lang Vollmitglied im Innenausschuss, wie du gerade sagtest. Ich bin immer noch eine leidenschaftliche Innenpolitikerin. Ich habe das auf meinem Social-Media-Account mit dem Hashtag „Innenpolitik for Life" auch dokumentiert. Das wird man, glaube ich, nie los, will ich aber auch gar nicht. Und ich mache ja auch immer noch innenpolitische Themen für die Fraktion, als stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss. Es ist mir auch wichtig, da auch noch weiter inhaltlich zu arbeiten, aber der Reiz an der neuen Funktion als erste PGF macht für mich einfach aus, dass sich mir jetzt - und das sage ich wirklich so, wie es ist: mir erschließt sich gerade eine neue Welt. Also, als ich die ersten Wochen in diese neue Funktion hineingekommen bin, da ahnt man ja nicht, wie viel so auch noch im Hintergrund passiert, wie dieser ganze Betrieb hier organisiert wird, wie eine Fraktion auch, sozusagen, als Maschinenraum, um mal dieses Bild zu beschreiben, wirklich funktioniert und was da alles so passiert im Hintergrund.
Tim Meyer: Also für eine erfahrene Abgeordnete wie dich ist da noch ganz viel im Unbekannten, ja?
Irene Mihalic: Absolut. Britta hat ja vor mir diese Funktion als erste PGF ausgefüllt, bevor sie dann Fraktionsvorsitzende wurde und ich ihr dann nachgefolgt bin in ihrer früheren Funktion. Ich muss sagen, also es hat ja irgendwie niemand mitbekommen, was sie alles so macht und welche Fäden sie zieht und so weiter und das ist jetzt meine Aufgabe.
Tim Meyer: Kannst du vielleicht mal ein konkretes Beispiel sagen, was so ein Aha-Moment war. "Ach, das gibt es hier." Oder so?
Irene Mihalic: Ja, das ist einfach so diese Fülle von Aufgaben, die auf einen zukommt, also diese ganzen Kommissionen, zum Beispiel, die es im Bundestag noch gibt. Es gibt ja den Ältestenrat. Da hatte ich übrigens heute eine Sitzung. Der Ältestenrat, der sozusagen gemeinsam auch mit dem Präsidium hier die Abläufe organisiert und das auch diskutiert, was hier im Bundestag organisatorisch vor allen Dingen passiert, hat auch noch mehrere Kommissionen, die sich dann mit verschiedenen Bereichen noch mal eng beschäftigen: mit der Rechtsstellung von Abgeordneten, zum Beispiel, oder auch mit den inneren Abläufen, auch mit der Organisation, wie das hier auch ist, mit dem Besucherdienst, zum Beispiel. Also es sind wirklich ganz, ganz vielfältige Aufgaben und Bereiche, in die man sonst wirklich so keinen Einblick bekommt. Das ist wirklich interessant, einfach um wirklich hier zu sehen, wie das alles im Hintergrund arbeitet, wie das organisiert wird, um dann am Ende das, was alle im Fernsehen sehen können - den Bundestag, den Plenarsaal, die Debatten, die da geführt werden - zu ermöglichen, also diesen Unterbau einfach mal ganz lebenspraktisch zu erfahren. Das ist so diese neue Welt, die sich mir gerade erschließt, und ich bin immer noch dabei, sie mir zu erschließen, obwohl ich jetzt schon ein paar Wochen im Amt bin.
Tim Meyer: Wie lange machst du es jetzt?
Irene Mihalic: Drei Monate etwa, aber ich lerne jeden Tag etwas Neues dazu. Also ich würde noch nicht behaupten, dass ich schon alles gesehen habe. Also es kommt immer noch mal wieder was Neues dazu und es ist wirklich sehr interessant. Auch der Austausch mit den anderen Fraktionen, das ist das, was für mich jetzt auch so ein bisschen den Reiz ausmacht: Jetzt nicht nur meine Fachpolitik zu machen, so, wie ich das bisher gemacht habe, sondern auch tatsächlich ein bisschen generalistischer mich auch in andere Themen noch mal ein bisschen hereinzudenken, um zu gucken: Was ist da jetzt gerade nötig? Mit wem muss man mal sprechen, um zum Beispiel A, B, C oder D durchzukriegen und so? Das ist einfach interessant und es ist eine neue Herausforderung für mich.
Tim Meyer: Gehen wir da jetzt mal ein bisschen ins Detail. Ein Schwerpunkt deiner Arbeit ist es ja, den Ablauf von Sitzungswochen mit den anderen Fraktionen und der Bundestagspräsidentin zu planen, welche Themen wann diskutiert werden in der Woche und wie lange die Debatten dauern sollen. Was ist denn die Herausforderung bei dieser Aufgabe, wenn ihr da alle zusammensitzt? Oder vielleicht kannst du es mal ganz kurz beschreiben, uns da hereinholen: Wie sieht das denn aus? Wie sitzt ihr da zusammen?
Irene Mihalic: Also da muss ich erst einmal sagen, dass auch viel von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dieser Frage geleistet wird. Also unsere Fraktion hat ja auch eine PGF-Abteilung, wo viele kluge Leute arbeiten, die wirklich dann auch noch mal ganz detailliert sich mit diesen Dingen befassen. Das heißt, es wird auch erst mal viel auf der Ebene der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen den Fraktionen schon mal grob besprochen. Wie könnte die nächste Tagesordnung aussehen? Welche Anträge liegen vor? Wie wird was aufgesetzt? Gibt es aktuelle Stunden, zum Beispiel zu diesem oder jenem Thema? Also das heißt, da wird schon viel vorbesprochen und die politische Abnahme, die erfolgt dann durch die ersten parlamentarischen Geschäftsführer der jeweiligen Fraktion. Das heißt, wir treffen uns immer dienstags vor den Fraktionssitzungen und besprechen die Tagesordnungen, gehen die kommende Sitzungswoche miteinander durch, also das, was auf Mitarbeiterebene schon mal vorbesprochen wurde, klären strittige Punkte. Also, wenn man zum Beispiel mit bestimmten Abläufen nicht einverstanden ist, verständigt man sich dann eben hier und da, und im besten Fall erreicht man dann ein Einvernehmen über die Tagesordnung, dann kann man die auch so vereinbaren. Wenn es kein Einvernehmen gibt, dann wird halt eben zu Beginn des Plenums über die Tagesordnung abgestimmt und dann wird das eben mit Mehrheit beschlossen, was in der kommenden Woche passiert. Das ist so im Wesentlichen der Ablauf.
Tim Meyer: Aber da ihr dann als erste parlamentarische Geschäftsführer:innen zusammenkommt, passiert es sicherlich da und nicht auf der Mitarbeiterebene, wenn es inhaltlich Streit gibt.
Irene Mihalic: Ja, nur der inhaltliche Streit, der findet ja dann auch meistens eher in der Sache statt, also dann wirklich in der Sachauseinandersetzung, wenn es um bestimmte Themen geht. Also jede Fraktion hat ja das Recht, ihre eigenen Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Es gibt so einen Verteilschlüssel, welchen Debattenplatz welche Fraktion bekommt.
Tim Meyer: Wir können das ja ganz konkret machen: Diese Woche sind zum Beispiel Impfpflicht, Heizkostenzuschuss und inklusive Arbeitswelt auf der Tagesordnung. Wie sind die denn jetzt zum Beispiel da mal darauf gekommen?
Irene Mihalic: Ja, also bei der Impfpflicht haben wir eine Besonderheit: Das ist ein Tagesordnungspunkt, der praktisch nicht von den Fraktionen aufgesetzt wurde, sondern da haben wir Gruppenanträge. Also da haben sich dann fraktionsübergreifend Abgeordnete zusammengetan, um bestimmte Initiativen zum Thema Impfpflicht aufzusetzen. Wir haben uns dann aber trotzdem als Fraktionen verständigt, dass wir die Debatte zum Thema Impfpflicht eben jetzt am Donnerstagmorgen machen wollen und dafür diesen Tagesordnungsplatz vorgesehen haben. Die anderen Tagesordnungspunkte, da hängt es immer ganz davon ab, wer die aufsetzt. Also, wenn die Opposition zum Beispiel einen Antrag aufsetzen möchte, dann hat sie dafür auf der Tagesordnung bestimmte Debattenplätze, die sie da in Anspruch nehmen kann, und da kann sie auch aufsetzen, was sie will.
Tim Meyer: Die sind schon vorab festgelegt, generell?
Irene Mihalic: Ja, die sind vorab festgelegt. Es wird immer versucht, da ein ausgewogenes Verhältnis hinzubekommen, dass alle auch mal eine gute Zeit erwischen. Also ich meine, das Plenum, das geht, glaube ich, heute bis nachts um halb eins. Da würde es zum Beispiel nicht funktionieren, dass die Regierungskoalition, ich sage mal, morgens um neun bis elf in der Kernzeit ihre Debatten macht und die Opposition muss dann irgendwann in den Abendstunden drankommen oder so. Das wäre natürlich total ungerecht, deswegen versucht man da so ein ausgewogenes Verhältnis hinzubekommen, dass jede Fraktion auch mal eine Kernzeit bekommt, zum Beispiel, und auch alle Fraktionen sich dann praktisch gleichmäßig auf diesen Tag verteilen. Die Tagesordnungspunkte oder die Tagesordnungsplätze, die man hat, die kann man im Prinzip befüllen, wie man das möchte.
Tim Meyer: Das heißt, da wird auf Mitarbeiterebene oder dann da, wenn ihr zusammenkommt, gesagt, wir wollen dann das machen, das ist unser Debattenplatz und das melden wir an?
Irene Mihalic: Genau. Zum Beispiel jetzt für den morgigen Freitag, da hatte die Fraktion Die Linke zum Beispiel für ihren Debattenplatz ursprünglich vorgesehen, über Parteispenden sprechen zu wollen. Jetzt möchte sie nicht mehr über Parteispenden sprechen, sondern über das Rentensystem. Das heißt, das haben die dann eigenständig getauscht. Das können die so machen, weil es ihr Debattenplatz ist. So haben wir dann die Tagesordnung miteinander vereinbart und das passiert dann auch so.
Tim Meyer: Das geht noch kurzfristig oder nur an diesem Dienstag, wenn ihr euch trefft?
Irene Mihalic: So ganz kurzfristig geht es nicht. Also es wird ja zu Beginn des Plenums, also am Mittwoch, über die Tagesordnung abgestimmt. Man kann dann natürlich noch im laufenden Betrieb einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen, um die Tagesordnung noch einmal zu ändern oder eine Erweiterung zu wünschen oder Punkte abzusetzen. Dann braucht man allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Plenum, um das nachträglich noch tun zu können.
Tim Meyer: Du hast jetzt gerade schon angesprochen, wie die Debattenplätze verteilt sind, dass es natürlich ungerecht ist, wenn man die Opposition irgendwie in die Abendstunden verschiebt. Du bist jetzt noch nicht so lange PGF und hast eigentlich Opposition als PGF nicht erlebt aktiv, aber wo ist denn da vielleicht der Unterschied zwischen Regierungsfraktion und Opposition in der Arbeit als PGF?
Irene Mihalic: Also der wesentliche Unterschied, so wie ich ihn jetzt auch feststelle, ist, dass man als Regierungs-PGF jede Runde dreimal macht, um es mal so auszudrücken. Ich meine, in der Opposition muss man mit sich und mit der Fraktion und mit den Wünschen der eigenen Fraktion im Reinen sein und sozusagen die Interessen der eigenen Fraktion gegenüber den anderen vertreten. Das ist die vordringliche Aufgabe. In der Regierung, wenn man Regierungsfraktion ist, muss man nicht nur die Interessen der eigenen Fraktion vertreten. Ich vertrete jetzt nicht nur die Interessen der Grünen, sondern auch die Interessen der Ampel. Um das tun zu können, muss ich mich natürlich mit meinen Ampel-Pendants - also von der FDP und von der SPD - verständigen, wie das geschehen kann und mich sozusagen erst einmal innerhalb der Ampel durchsetzen und dann natürlich dann die Ampel-Interessen gegebenenfalls gegenüber der Opposition vertreten. Das erfordert natürlich einen sehr, sehr hohen Abstimmungsbedarf. Also das kann ich dann nicht mehr mit mir selbst ausmachen, sondern dann muss ich mich halt erst mal auf Ampel-Ebene mit den anderen PGFs verständigen und dann gehen wir als Ampel sozusagen in die große Runde und klären das da noch mit der Opposition. Man spricht wahrscheinlich mehr und hat mehr Sitzungen und mehr Gremienarbeit damit.
Tim Meyer: Das heißt, zwangsläufig musste sich die Zusammenarbeit mit SPD und FDP auch ändern, weil man jetzt vor kurzem noch politische Konkurrenten war. Da habt ihr gut zueinander gefunden? Brauchte es da auch persönliche Gespräche? Oder wie hat man das so eingenordet?
Irene Mihalic: Das hängt natürlich immer viel von den handelnden Personen ab. Ich muss sagen, dass ich persönlich ein gutes Verhältnis zu der ersten PGF der SPD und zum ersten PGF der FDP habe. Also wir verstehen uns menschlich, auf so einer menschlichen Ebene, einfach sehr, sehr gut. Das erleichtert vieles, weil man dann auch wirklich mal schnell eine SMS schicken kann oder mal kurz anrufen kann: Du, hör mal, wir haben hier das Problem. Wie siehst du das? Können wir das irgendwie miteinander lösen? Das geht natürlich auf so einer Ebene viel besser, als wenn wir uns jetzt irgendwie, ich sage mal, komisch angucken würden oder so oder irgendwie uns nicht riechen könnten. Also das wäre, glaube ich, keine gute Ausgangsbasis für eine gemeinsame Zusammenarbeit. Von daher bin ich ganz froh, dass ich es gut getroffen habe mit meinen Kolleginnen und Kollegen und wir da eine gute Gesprächsbasis haben.
Tim Meyer: Wenn du aus dieser Runde am Dienstag herausgehst, wann kannst du sagen, dass das eine erfolgreiche Sitzung war? Wann hast du das gut gemacht? Was muss da passiert sein? Wann hast du erfolgreich gearbeitet da?
Irene Mihalic: Also in der Runde habe ich erfolgreich gearbeitet, wenn ich sozusagen die Wünsche meiner Fraktion erfüllen konnte. Also das ist nun mal der erste Punkt, aber die eigentliche Arbeit ... Man ist ja praktisch im laufenden Betrieb in der ganzen Sitzungswoche eigentlich immer so ein bisschen, ich will jetzt nicht sagen, in Alarmstimmung, aber man ist immer so ein bisschen aufmerksam, nur weil man eine Tagesordnung miteinander vereinbart hat, heißt es ja nicht, dass alles genau so läuft, wie man das plant oder wie man sich das wünscht. Ich habe immer so eine erhöhte Aufmerksamkeit und erst wenn ich, ich sage mal, Freitagabend im Zug sitze nach Hause ...
Tim Meyer: Aber das musst du noch mal konkret sagen: Was macht dir Sorgen? Oder wo geht diese erhöhte Aufmerksamkeit hin?
Irene Mihalic: Das mit dem Plenum ist natürlich immer alles sehr, sehr dynamisch. Ich meine, das ist ja auch der Sinn dessen. Wenn wir Parlamentarismus leben und das Prinzip von von Debatte, von Rede, von Gegenrede und wenn wir das wirklich ernst nehmen, dann lässt sich natürlich auch so ein Plenarablauf nicht bis in die letzte Falte planen. Es kann immer mal irgendetwas Unvorhergesehenes passieren, wenn es zum Beispiel mal ein unvorhergesehene Debattenablauf ist oder irgendwie sowas ist oder eine Abstimmung oder so, also zum Beispiel auch die Frage von namentlichen Abstimmungen, wo dann ja auch wirklich alle Abgeordneten da sein müssen oder auch bestimmte inhaltliche Fragen. Wenn wir jetzt als Koalition einen Gesetzentwurf aufgesetzt haben oder so, dann brauchen wir dafür ja eine Mehrheit. Deswegen ist man immer so ein bisschen alarmiert und hofft, dass alles gut geht und kann eigentlich erst am Ende der Woche sagen, ja, ich habe jetzt erfolgreich gearbeitet, wenn da nichts schiefgegangen ist.
Tim Meyer: Und dass die Fraktion wahrscheinlich auch diszipliniert ist und bei den Abstimmungen eben da ist.
Irene Mihalic: Genau, ja, richtig.
Tim Meyer: Ich würde jetzt gerne einmal ganz konkret an einem aktuellen Beispiel durchgehen, wie denn eigentlich der Weg von einem Problem zu Ideen für eine Lösung ist und dann schließlich am Ende ein Gesetz dasteht. Das würde ich gerne am Heizkostenzuschuss machen, der jetzt in zweiter und dritter Beratung im Parlament ist. Geringverdiener und Bezieher:innen von Wohngeld sollen diesen Zuschuss im Juni bekommen. Der wurde jetzt ja gerade noch mal verdoppelt. Also von vorne: Die Energiepreise steigen. Jemand hat die Idee, wir müssen jetzt die Menschen entlasten. In diesem Fall war das Robert Habeck im Klimaschutz- und Wirtschaftsministerium. Dann kommt der Gesetzesvorschlag also aus den Reihen der Regierung zur ersten Lesung ins Plenum. Richtig?
Irene Mihalic: Genau, richtig.
Tim Meyer: Was passiert dann als nächstes?
Irene Mihalic: Als nächstes wird dann dieser Gesetzentwurf in den zuständigen Fachausschuss überwiesen zur weiteren Beratung.
Tim Meyer: Zur weiteren Beratung, das heißt, da tauscht man dann Meinungen aus. Da will ich gleich noch mal was anmerken beziehungsweise wir machen das ruhig jetzt. Das wollte ich eigentlich später fragen, aber in einem Podcast, den ich kürzlich mit Anna Christmann und anderen gemacht habe, der heißt - „Brauchen wir mehr evidenzbasierte Politik?" - hat sie über die Arbeit in den Ausschüssen gesagt, dass sie die als wenig offen erlebt, sondern dass da jeder so sein Statement vorträgt, wie es auch ähnlich im Plenum ist. Empfindest du das auch so?
Irene Mihalic: Das hängt wahrscheinlich ganz vom Ausschuss ab. Also ich kenne ja jetzt aus eigener Anschauung vor allen Dingen den Innenausschuss und da erlebe ich das ehrlich gesagt nicht so. Also da wird schon ordentlich gestritten.
Tim Meyer: Gestritten und dann auch so ...
Irene Mihalic: Gepflegt gestritten, möchte ich sagen, genau.
Tim Meyer: Aber insofern auch konstruktiv, dass das dann auch Eingang findet in Gesetzesvorschläge, also dass man wirklich daran arbeitet zusammen? Oder ist das gar nicht das Ziel des Ausschusses?
Irene Mihalic: Ja, das hängt immer so ein bisschen davon ab. Also die eigentliche Ausschussbefassung, da ist es in der Tat natürlich so, dass alle Fraktionen ihre jeweilige Position vertreten, aber da wird natürlich auch schon mal um das eine oder andere Detail gerungen. Das ist gar nicht die Frage, weil es kommt immer so ein bisschen auf das Thema an, ob jetzt etwas stark polarisierend ist, oder ob zum Beispiel alle Fraktionen - also auch Regierung und Opposition - vielleicht sogar ein ähnlich gelagertes Interesse haben und man da irgendwie die Möglichkeit sieht, sich einander anzunähern, dann verlaufen die Debatten natürlich auch anders. Aber zu einer Ausschussberatung gehört ja zum Beispiel auch dazu, dass man öffentliche Anhörungen macht. Eine öffentliche Anhörung verläuft so, dass sich der Ausschuss Expertinnen und Experten einlädt, also externe Leute, Wissenschaftler*innen häufig oder andere Sachverständige, die halt eben zum Gegenstand des Antrags noch mal eine Stellungnahme abgeben und wirklich noch mal sagen, wie sie das bewerten, was zum Beispiel an diesem Gesetzentwurf gut oder schlecht ist, was man vielleicht noch verbessern müsste. Im Idealfall - es läuft nicht immer so - läuft es dann so, dass sich die Fraktionen aus dieser Expertenanhörung zum Beispiel etwas mitnehmen und sagen: Das waren für uns noch mal gute Hinweise, wir verändern das Gesetz noch mal, bevor wir es final abstimmen. In dem Fall, muss ich sagen, hat dann Gesetzgebung auch gut funktioniert, wenn man sich zum Beispiel dann auch so ein Rat mal annimmt und dann überlegt: Wo kann man da noch etwas verbessern? Das gehört zur Ausschussarbeit eben auch dazu.
Tim Meyer: Du hast gerade schon gesagt, dann wird er im Ausschuss abgestimmt und kommt dann wieder ins Plenum.
Irene Mihalic: Genau, wenn die Ausschussberatungen abgeschlossen ist, also wenn die Anhörung stattgefunden haben, wenn der Ausschuss selbst auch noch mal über das Ergebnis der Anhörung beraten hat, dann kann man zum Beispiel im Ausschuss noch mal einen Änderungsantrag stellen, zum Beispiel zu dem Gesetz.
Tim Meyer: Ist das da dann jetzt auch mit der Verdoppelung des Heizkostenzuschusses passiert?
Irene Mihalic: Ja richtig, genau. Also der Heizkostenzuschuss ist ja mit einer bestimmten Summe - mit 135 Euro - in die erste Lesung gegangen, ist dann in den Ausschuss überwiesen worden und dann gab es ja dann die politische Diskussion darüber, ob man die Bürgerinnen und Bürger nicht noch weiter entlasten muss. Dann sind halt eben Änderungsanträge gestellt worden. Wir haben uns ja dann überlegt: Wäre es nicht gut, den Heizkostenzuschuss zu verdoppeln, also auf 270 Euro anzuheben? Diese Verdoppelung kam dann, ich sage mal, gesetzestechnisch dadurch zustande, dass in den zuständigen Ausschüssen eben Änderungsanträge zum Gesetzentwurf gestellt wurden, die dann die Erhöhung um das Doppelte vorgesehen haben.
Tim Meyer: Das heißt, er kommt jetzt auch schon mit diesen 270 Euro zur zweiten und dritten Lesung ins Parlament?
Irene Mihalic: Ganz genau, mit der Änderung im Ausschuss - das heißt dann immer technisch, dem Gesetz wird dann in der Ausschussfassung zugestimmt, also nicht in der ursprünglichen Fassung, sondern in der Ausschussfassung - kommt dann eben dieses Gesetz oder dieser Gesetzentwurf in die zweite und dritte Beratung ins Plenum und da wird er dann final abgestimmt.
Tim Meyer: Warum gibt es eigentlich diese zweite und dritte, also du sagst jetzt, Beratung? Man kann auch, glaube ich, Lesung sagen.
Irene Mihalic: Ja, das ist das Gleiche.
Tim Meyer: Warum gibt es das eigentlich, wenn die oft parallel oder gleichzeitig stattfinden?
Irene Mihalic: Ja, das versteht man immer nicht. Also ein Gesetzentwurf wird zur zweiten Beratung aufgerufen, dann reden noch mal alle und dann wird abgestimmt und dann wird gesagt, jetzt dritte Beratung und dann wird aber gar nicht mehr debattiert oder nicht mehr gelesen, sondern dann stehen alle auf und stimmen das final ab. Genau, aber das hat deswegen seinen Sinn, weil rein theoretisch können zur zweiten Beratung auch noch Änderungsanträge eingebracht werden. Also, wenn ein Änderungsantrag nicht im Ausschuss, zum Beispiel, abgestimmt werden konnte oder man sich auch vielleicht nach der Ausschussberatung überlegt, irgendwie müsste man da doch noch was ändern, dann könnte man eben theoretisch zur zweiten Lesung im Plenum noch einen Änderungsantrag stellen und der müsste dann eben abgestimmt werden, bevor dann die Schlussabstimmung in der dritten Lesung erfolgt.
Tim Meyer: Das passiert auch?
Irene Mihalic: Ja, ich kann mich jetzt persönlich nicht erinnern, das schon mal so miterlebt zu haben, aber klar, das passiert natürlich. Jetzt beim Heizkostenzuschuss nicht, hoffe ich nicht, weiß ich nicht. Können wir ja noch nicht wissen. Aber klar, das kommt hier und da auf jeden Fall mal vor.
Tim Meyer: Ist er dann beschlossen, der Gesetzesvorschlag, geht es bei den meisten Gesetzen ja in den Bundesrat.
Irene Mihalic: Ja, genau.
Tim Meyer: Der guckt sich das dann auch noch mal an und stimmt ab?
Irene Mihalic: Es hängt immer davon ab, ob ein Gesetz zustimmungspflichtig ist oder nicht. Also nicht alle Gesetze, die im Deutschen Bundestag verabschiedet werden, sind auch zustimmungspflichtig. Wenn sie es sind, dann muss auch der Bundesrat darüber abstimmen und erst dann kommt das Gesetz praktisch zustande. Bei nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen kann der Bundesrat aber noch einen Widerspruch einlegen, aber wenn er das nicht tut, dann läuft das Gesetz halt durch und ist es auch so beschlossen. Dann wird es ja unterschrieben vom Bundespräsidenten. Dann kommt es ins Bundesgesetzblatt. Wenn das Gesetz dann im Bundesgesetzblatt abgedruckt ist, wenn es da steht, dann kann es auch in Kraft treten.
Tim Meyer: Genau, das muss jetzt ja relativ zügig bei dem Heizkostenzuschuss passieren, damit er im Juni ausgezahlt werden kann.
Irene Mihalic: Genau, richtig.
Tim Meyer: Geht das? Das fühlt sich jetzt relativ ... Was heißt, fühlt sich so an? Hört sich relativ schnell an. Ist das jetzt was Besonderes, weil wir eben gerade besondere Zeiten haben? Oder kann eigentlich Gesetzgebung so schnell gehen?
Irene Mihalic: Gesetzgebung kann sogar noch schneller gehen. Das sehen wir zum Beispiel auch an einem Beispiel, was wir diese Woche im Parlament haben, nämlich auch beim Infektionsschutzgesetz. Also da ist Gesetzgebung richtig schnell gegangen. Da haben wir in dieser Woche die erste Lesung gehabt zum Infektionsschutzgesetz. Haben dann mit Sondersitzungen gearbeitet in der Ausschussberatung und bringen das Gesetz noch in dieser Woche in die zweite und dritte Lesung. Dann gibt es eine Sondersitzung des Bundesrates, um darüber zu befinden. Also es ist nicht zustimmungspflichtig, aber dem Bundesrat muss ja die Gelegenheit gegeben werden, gegebenenfalls noch einen Widerspruch einzulegen. Dann wird das Gesetz noch am gleichen Tag unterzeichnet und landet im Bundesgesetzblatt. Das heißt, da geht es wirklich richtig schnell, damit das Gesetz eben auch rechtzeitig am 19. März in Kraft treten kann.
Tim Meyer: Weil das Alte da ausläuft.
Irene Mihalic: Weil das Alte da ausläuft, genau.
Tim Meyer: Ich möchte jetzt einmal noch zu einem parlamentarischen Austausch kommen. Wir haben das ja gerade schon am Beispiel von den Ausschüssen gesagt. Wir als grüne Bundestagsfraktion sind damit angetreten, dass wir den Parlamentarismus neu beleben wollen, das haben wir jetzt immer wieder kommuniziert, und auch konstruktiv mit der demokratischen Opposition zusammenarbeiten wollen. Am Beispiel Ausschuss haben wir das jetzt gerade mal ein bisschen besprochen. Aber heißt das, CDU, CSU und Linksfraktion werden sich jetzt häufiger mit guten Ideen bei uns durchsetzen können? Oder wie stellst du dir das vor?
Irene Mihalic: Also meine Vorstellung ist, dass wir Vorschläge der Opposition konstruktiv aufnehmen. Wenn die auch mal einen guten Vorschlag machen - und das unterstelle ich denen, dass die das können, dass die auch mal eine gute Idee haben - dass wir das dann nicht einfach so abbügeln, sondern dass wir uns wirklich dann auch konkret damit auseinandersetzen. Das kann natürlich dadurch geschehen, dass man sagt, die haben einen vernünftigen Antrag gestellt, jetzt stimmen wir mal zu, aber das muss natürlich dann auch mit der Ampel insgesamt geschehen. Also was ich mir nicht vorstellen kann ist, dass die Grünen jetzt alleine sagen, wir stimmen jetzt einem Oppositionsantrag zu, weil das macht man in einer Koalition nicht. In einer Koalition gilt immer, dass man gemeinsam abstimmt. Das heißt, entweder stimmen wir gemeinsam zu oder wir lehnen es gemeinsam ab. Aber was realistischer wäre, nach meiner Auffassung, ist, dass, wenn aus der Opposition ein kluger Vorschlag kommt, dass man sich den zu eigen macht. Also dass man überlegt, das ist eine gute Idee, sollen wir nicht selbst auch eine Initiative auf den Weg bringen, die vielleicht das Gleiche vorsieht oder was Ähnliches vorsieht. Dann kann man ja auch auf die Opposition zugehen und fragen, ob man da nicht eine gemeinsame Initiative daraus macht. Also wir sind ja nicht daran gehindert, auch als Ampel, zum Beispiel mal einen Antrag gemeinsam mit der CDU/CSU zu machen oder auch mit der Linksfraktion. Also wo das nicht vorstellbar ist, ist sicherlich mit der AfD. Also da wird es keine Zusammenarbeit geben, in keiner Weise, aber mit den anderen beiden demokratischen Fraktionen kann ich mir das durchaus vorstellen.
Tim Meyer: Was glaubst du, was könnte das für ein Signal sein, wenn man einfach noch konstruktiver auch mit der Opposition zusammenarbeitet?
Irene Mihalic: Ja, es könnte dem Parlamentarismus auf jeden Fall noch mal eine neue Stärke verleihen, finde ich, weil dann ist es eben nicht mehr so ritualisiert. In der Vergangenheit als die Große Koalition noch regiert hat und wir in der Opposition waren, haben wir uns jetzt nicht im Wesentlichen beklagt, dass wir uns da mit unseren grünen Ideen nicht durchsetzen konnten. Ich meine, das konnte man auch nicht erwarten. Wir sind in der Opposition und wenn man Dinge voranbringen will, dann muss man regieren. So einfach ist das. Aber was man erwarten konnte, und das ist das, was wir uns zumindest jetzt auch vorgenommen haben, ist, dass man unsere Initiativen ernst nimmt und dass man in einen ernsthaften Austausch darüber tritt, was eigentlich die beste Lösung in einer Sache ist und was die beste Idee für unser Land ist. Ich finde, das kann man auch als Oppositionsfraktion zurecht erwarten, dass die Koalition einen da ernst nimmt. Das verleiht natürlich dann auch dem Parlament eine ganz eigene Stärke, weil wir dann eben nicht, in Anführungszeichen, nur dafür da sind, die Vorschläge aus der Regierung abzunicken oder dafür eine Mehrheit zu beschaffen, sondern wir können dann auch als Parlament aus uns selbst heraus Dinge voranbringen und also auch Dinge verbessern zum Wohle unseres Landes. Das sollte ja auch der Anspruch sein.
Tim Meyer: Du hast es gerade schon gesagt, mit der demokratischen Opposition Zusammenarbeit auf jeden Fall, aber nicht mit der AfD. Aber trotzdem möchte ich über die AfD mal sprechen. Wie nimmst du die denn in den Runden mit den anderen PGFs wahr? Wie treten die da auf?
Irene Mihalic: Das ist ganz interessant. Ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt hier so offen erzählen soll. Wir erleben die AfD ja im Parlament als sehr, sehr scharf, um nicht zu sagen unterirdisch in der Arbeit oder in der Art und Weise, wie sie debattiert. Also das ist oft sehr, sehr schlimm, was da auch an Hass und Hetze geäußert wird. Das ist alles ganz furchtbar und auch zum Teil wirklich sehr, sehr schwer auszuhalten. Ich sage mal, wenn die Kamera aus ist, dann erlebt man sie leider häufig auch in einer ähnlichen Art und Weise, aber sie sind dann häufig wirklich ganz klein - so muss man es einfach sagen - und fügen sich dann häufig auch sozusagen den Dingen, die hier so passieren. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass sie einfach gemerkt haben, dass sie nicht immer querbürsten können, dass sie sich selbst damit auch keinen Gefallen tun, weiß ich nicht. Aber so nehme ich sie eben häufig wahr, also als ziemlich lautlos und so. Irgendwie sind sie manchmal auch relativ gelangweilt. Aber es gibt immer so Punkte, wenn es dann doch irgendwie einen Anlass gibt oder eine Situation, wo sie dann doch wieder irgendwie das Gefühl haben, dass sie diese Situation für ihre Hetze missbrauchen können, dann tun sie das auch in internen Runden und das macht die Zusammenarbeit halt eben sehr, sehr unangenehm.
Tim Meyer: Hast du denn das Gefühl, dass die AfD in diesen vier Jahren im Parlament das Parlament auch verändert hat? Also du hast jetzt gesagt, was wir jetzt verändern wollen, dass wir einfach besser miteinander, auch mit den Oppositionsfraktionen reden. Aber hat die AfD es mit ihrer lauten Art irgendwie geschafft, das Parlament zu verändern oder sind die demokratischen Fraktionen stark genug dagegen gewesen?
Irene Mihalic: Also ich würde sagen, dass wir als demokratische Fraktionen wirklich stark genug sind, um dagegenzuhalten, um das nicht mit uns machen zu lassen, aber jetzt gar nicht so sehr mit uns, sondern das, worum es der AfD ja geht, ist ja, das Parlament lächerlich zu machen, ist ja sozusagen alles, was irgendwie parlamentarisch ist, demokratisch ist, diesen Gepflogenheiten entspricht, abzulehnen und wirklich auch ins Lächerliche zu ziehen und irgendwie auch auf die Art und Weise zu delegitimieren. Wir haben als Demokratinnen und Demokraten im Parlament immer dagegen gehalten und ich würde sagen, bisher auch immer erfolgreich dagegen gehalten.
Tim Meyer: Sie haben das sehr häufig bei Abstimmungen gemacht, dass sie den Bundestag gezeigt haben und gesagt haben, es ist niemand da.
Irene Mihalic: Ja, zum Beispiel, das haben die am Anfang versucht, indem sie sozusagen immer komplett geschlossen als Gesamtfraktion, egal zu welchem Tagesordnungspunkt dagewesen sind, bis sie gemerkt haben, dass das in einem Arbeitsparlament, was der Deutsche Bundestag ja ist - die Arbeit findet überwiegend in den Ausschüssen statt - einfach gar nicht so funktioniert. Als sie dann nach einiger Zeit hier wirklich im parlamentarischen Alltag angekommen sind, da hat man das schon sehr deutlich gemerkt, dass das ein untauglicher Versuch war und dass sie das dann am Ende doch wahrscheinlich eher so gemacht haben, wie wir das alle gemacht haben. Aber der Punkt ist einfach der, dass man die AfD nicht als eine ganz normale Fraktion hier im Deutschen Bundestag betrachten kann, weil das ist sie nicht. Sondern das ist eine rechtsextremistische Fraktion, die die Demokratie ablehnt, die den Parlamentarismus ablehnt und der alles zuwider ist, was mit Rechtsstaatlichkeit und mit parlamentarischen Gepflogenheiten irgendwie zu tun hat. Das strahlen die natürlich auch aus und das ist auch die Art und Weise, wie sie hier versuchen, eben auch das Parlament wirklich verächtlich zu machen. Da ist es eben unsere Aufgabe, da auch wirklich immer dagegenzuhalten, die Demokratie, also die demokratischen Prinzipien wirklich hochzuhalten und das eben nicht mit uns machen zu lassen. Ich würde sagen, dass uns das, seitdem die AfD im Deutschen Bundestag ist, als demokratischen Fraktionen insgesamt auch gut gelungen ist.
Tim Meyer: Ist es denn von Vorteil, dass es jetzt mit der CDU-CSU-Fraktion einfach eine größere Oppositionsfraktion gibt als in der letzten Legislatur, und dass die AfD vielleicht nicht mehr die längsten Oppositionsdebattenplätze bekommt?
Irene Mihalic: Ja, das hat auch noch mal etwas verändert, muss man sagen. Also mit der CDU/CSU, die ja jetzt Oppositionsfraktion ist, gibt es natürlich eine große Fraktion in der Opposition, eine, die aber auch weiß, wie das ist, wenn man regiert. Also ich habe eher den Eindruck, dass das die Union gerade noch so ein bisschen das Problem hat, ihre Oppositionsrolle so richtig zu finden. Das müssen die halt auch noch lernen. Die haben jetzt 16 Jahre regiert, jetzt müssen die mal lernen, wie Opposition geht, aber da bin ich ganz zuversichtlich, dass sie das irgendwann auch mal richtig hinkriegen. Nein, aber Scherz beiseite, das, was ich eigentlich damit sagen wollte, war, dass es natürlich in der Auseinandersetzung Koalition-Opposition ja doch für uns natürlich angenehmer ist, mit der Union zu streiten und da die Kontroverse zu suchen als das mit der AfD tun zu müssen, denen es ja gar nicht ja wirklich darum geht, um die beste Position für unser Land zu ringen, sondern die einfach nur das Ganze hier degradieren wollen.
Tim Meyer: Ich meinte aber auch, dass die AfD jetzt einfach weniger Raum bekommt. Ist das merklich?
Irene Mihalic: Ja, das merkt man natürlich schon. Die haben sich ja auch verkleinert. Also sie haben ja bei der letzten Bundestagswahl nicht mehr so gut abgeschnitten wie bei der Wahl davor. Das heißt, es sind jetzt weniger Abgeordnete. Dadurch haben sie auch weniger Redezeit im Parlament. Also die Redezeitverteilung bemisst sich ja auch nach dem Stärkeverhältnis der jeweiligen Fraktion. Das merkt man natürlich schon, dass die jetzt einfach weniger Minuten in den Debatten haben und deswegen weniger Hass und Hetze loswerden können.
Tim Meyer: Kommen wir zum Abschluss noch mal zu etwas Schönem: Die grüne Bundestagsfraktion ist ja jetzt auch Regierungsfraktion, haben wir schon mehrfach darüber gesprochen, und das heißt jetzt, dass endlich ganz viele Ideen aus der Mitte unserer Bundestagsfraktion als Gesetze das Leben der Menschen beeinflussen werden. Aber du bist sicherlich mit noch mehr Abstimmung beschäftigt mit den grünen Ministerien. Was steht denn für dich unter dem Strich dieser neuen Verantwortung, Regierungsfraktion sein?
Irene Mihalic: Regierungsfraktion sein, das bedeutet natürlich das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, also wirklich auch jetzt hier Realität werden zu lassen. Also das ist im Prinzip die Aufgabe, vor der wir stehen. Das ist natürlich auch, wenn es einfach klingt, weil man hat ja alles schon in einem Vertrag festgehalten, nicht einfach, weil das Leben einfach sich nicht in eine Vertragsform gießen lässt. Also wir erleben es jetzt, die Pandemie geht weiter. Also das ist auch nicht die einzige Herausforderung. Wir haben jetzt den Krieg in der Ukraine, etwas was wir noch nicht wissen konnten, als wir den Koalitionsvertrag unterzeichnet haben. Wer weiß, welche Herausforderungen das demnächst noch auf uns warten. Es lässt sich einfach nicht vorhersehen, was unsere Arbeit hier noch alles beeinflussen wird. Unter diesen Bedingungen dann trotzdem das politisch umzusetzen, was man sich vorgenommen hat, das ist im Prinzip die Herausforderung, vor der wir stehen.
Tim Meyer: Für dich persönlich, was heißt das für dich in den nächsten Monaten?
Irene Mihalic: Für mich persönlich heißt das in den nächsten Monaten sicherlich eine ganze Menge Arbeit, aber das gilt ja nicht nur für mich, das gilt ja für die gesamte Fraktion, und dass es nicht langweilig wird.
Tim Meyer: Liebe Irene, vielen Dank für das Gespräch.
Irene Mihalic: Sehr gern!
Tim Meyer: Wie bereits erwähnt, zeichnen wir den heutigen Podcast am 17.3. auf. Wenn Ihr Lob, Kritik oder Fragen loswerden wollt, schreibt uns gerne an „podcast@gruene-bundestag.de". Wenn ihr informiert bleiben wollt, was wir im Bundestag noch alles so machen, schaut auf unsere Webseite „www.gruene-bundestag.de" oder folgt uns in den sozialen Netzwerken auf Instagram, Twitter und Facebook. Vielen Dank für das Zuhören, macht es gut und bleibt gesund. Tschüss.
Irene Mihalic: Tschüss.
Intro/Outro: Uns geht's ums Ganze. Der Podcast der grünen Bundestagsfraktion.
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