Podcast

Was müssen wir für stabile Energiepreise tun?

Wir sprechen mit unseren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Julia Verlinden und Lisa Paus über den notwendigen Turbo-Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn Wind und Sonne sind der Schlüssel für sichere, saubere und auch günstige Energieversorgung. Und wir reden darüber, welche Maßnahmen jetzt notwendig sind, um die Verbraucher*innen kurzfristig zu entlasten.
09.02.2022

Wir sprechen mit unseren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Julia Verlinden und Lisa Paus über den notwendigen Turbo-Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn Wind und Sonne sind der Schlüssel für sichere, saubere und auch günstige Energieversorgung. Und wir reden darüber, welche Maßnahmen jetzt notwendig sind, um die Verbraucher*innen kurzfristig zu entlasten.


Transkript des Podcasts

Julia Verlinden: Klar ist, je höher der Anteil der Erneuerbaren ist, desto stabiler und vorhersehbarer werden die Preise für Energie in der Zukunft auch sein.

Intro/Outro: Uns geht's ums Ganze. Der Podcast der grünen Bundestagsfraktion.

Julia Verlinden: Hallo, ich bin Julia Verlinden. Ich bin 43 Jahre alt und habe Umweltwissenschaften studiert, im Fach Politikwissenschaft promoviert und bin jetzt seit Dezember stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Themen Verkehr, Bauen, Umwelt, Landwirtschaft, Energie, Klima und Tourismus.

Lisa Paus: Ja, mein Name ist Lisa Paus und ich bin 53 Jahre alt. Ich bin von Haus aus Diplom-Volkswirtin und in der Fraktion bin ich jetzt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende für den Fachbereich eins. Das sind die Themen Haushalt, Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales.

Tim Meyer: Ein herzliches Willkommen an die Gästinnen und unsere Hörer:innen. Wir begrüßen euch zu einer neuen Folge "Uns geht's ums Ganze". Heute sprechen wir über die hohen Energie- und Heizkostenpreise. Was das für die Verbraucher:innen und für die Industrie bedeutet und wie wir als grüne Bundestagsfraktion da gegensteuern wollen. Mein Name ist Tim Meyer und ich bin Referent in der Öffentlichkeitsarbeit der grünen Bundestagsfraktion. Gas und andere fossile Brennstoffe, und dadurch auch der Strom, haben sich für die Haushalte im Laufe des Jahres um knapp 5 Prozent verteuert. An der Zapfsäule sind die Preise sogar um 23 Prozent gestiegen. All das hat mit dazu geführt, dass wir im letzten Jahr eine Inflationsrate von 3,1 Prozent hatten. Lisa, warum sind die Energie- und Heizkosten eigentlich so hoch?

Lisa Paus: Das hat schon auch was mit den Nachholeffekten von Corona zu tun. Wir hatten eben einen starken Lockdown und da sind die Energiepreise drastisch gefallen, auf nahe null. Inzwischen sind sie eben deutlich wieder gestiegen, weil die Wirtschaft weltweit wieder unterwegs ist und die Kapazitäten, als natürlich wenig verkauft wurde, auch runtergefahren worden sind. Jetzt es aber etwas braucht, um die Kapazitäten wieder hochzufahren. Deswegen haben wir Ölpreise, die statt bei 10, 15, 20 oder 30 Dollar pro Barrel, jetzt wieder bei 90 liegen. Es schwankt sehr stark. Das kennen wir eigentlich alles aus früheren Geschichten rund um das Öl. Das haben wir eben jetzt wieder und diesmal ist es sozusagen eine Folge von Corona. Wir haben aber auch insgesamt damit zu tun, dass die Lieferketten noch nicht richtig funktionieren. Jeder, der irgendwas bestellt, hat derzeit damit zu tun. Alle Handwerker, mit denen man spricht, sagen einem, dass entweder Holz oder dieses oder jenes knapp ist. Es knirscht eben an ganz vielen Stellen und das wirkt sich dann eben auch auf die Preise aus. Weil wir auf der anderen Seite ja viele Menschen haben, die haben in der Pandemie wenig ausgegeben und können jetzt eben ausgeben. Auf der anderen Seite haben wir noch deutliche Knappheiten und das beides zusammen macht diese Inflation aus.

Tim Meyer: Frage an Julia: Stimmt es denn auch, dass die Maßnahmen für die Energiewende, wie etwa der CO2 Preis, der jetzt gestartet ist oder letztes Jahr ja schon gestartet ist, von 25 Euro pro Tonne, die Energiepreise antreiben?

Julia Verlinden: Also dass die CO2 Bepreisung jetzt dafür verantwortlich ist, dass solche krassen Ausschläge auf den Energiemärkten entstehen, ist nicht so. Es ist im Gegenteil so, dass die größten Verteuerungen, die wir gerade wahrnehmen, eigentlich gar nicht mit dem CO2 Preis zu tun haben, den die Vorgänger-Bundesregierung noch eingeführt hatte. Inzwischen sind es, seit Januar, zwar schon 30 Euro pro Tonne CO2, allerdings macht das wirklich nur einen ganz, ganz kleinen Teil aus. Das, was wir merken, ist das, was Lisa eben beschrieben hat. Dass die Nachfrage nach fossilen Energieträgern massiv gestiegen ist, dass weniger gefördert wird, dass diejenigen, die auch fossile Energieträger auf den Weltmärkten verkaufen, sich natürlich auch freuen über hohe Preise, weil sie dann höhere Einnahmen haben. Und es ist so, dass natürlich das sehr viel auch mit Spekulation zu tun hat. Wir merken, dass die fossilen Energiepreise nicht vorhersehbar sind, dass sie stark schwanken und dass wir sie nicht gut einplanen können. Dass es deswegen umso besser ist, wenn wir uns unabhängig davon machen, weil die fossilen Energiepreise im Zweifel immer unvorhersehbar sind, immer schwankend sind und perspektivisch auch steigen werden. Weil natürlich auch die Nachfrage eine Auswirkung darauf hat, wie die Preise zustande kommen. Ich glaube, dass es wichtig ist zu sagen, dass die Klimaschutzmaßnahmen uns eigentlich dabei helfen, die Preise eher stabil zu halten. Denn es geht ja darum, dass wir, wenn wir auf die Erneuerbaren setzen, sehr verlässliche Preise haben. Wir wissen ganz genau heute, wenn ein neuer Windpark gebaut wird oder ein neuer Solarpark, für wie viel Cent pro Kilowattstunde hier der Strom produziert werden kann. Denn die Sonne schickt keine Rechnung. Es geht halt nur um die Investitionskosten am Anfang. Deswegen ist es klug, wenn wir viel, viel mehr in die Erneuerbaren investieren und damit auch weniger, mit diesen hohen fossilen Preisen konfrontiert sein werden.

Tim Meyer: Genau, du erklärst es gerade schon. Die Kosten für fossile Energieträger sind massiv gestiegen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die erneuerbaren Energien ausbauen, um für stabile Preise zu sorgen. Deshalb auch die Frage nach der EEG-Umlage, die zur Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren gedacht ist. Diese soll jetzt zum 1. Januar 2023 für die Verbraucher:innen abgeschafft werden. Lisa, wird das Auswirkungen auf die Energiepreise haben und für Entlastung sorgen?

Lisa Paus: Das ist jedenfalls der Plan, sonst wird es sicherlich nicht so viel Sinn machen. Zwar würde ich darauf hinweisen, auch in diesem Jahr profitieren wir schon davon. In diesem Jahr ist die EEG-Umlage schon halb so hoch, wie noch im vergangenen Jahr und deswegen haben wir auch diesmal schon geringere Preise. Bei dem ganzen Thema ist aber total wichtig, mit darauf hinzuweisen, dass es auch bei den Verbraucher:innen ankommt. Das ist im Moment nicht umfänglich der Fall, sondern ganz viel bleibt bei den Energiekonzernen noch hängen. Deswegen ist bei uns jetzt auch ganz zentral wichtig, bei der Abschaffung der EEG-Umlage, dass von diesen Senkungen dann tatsächlich auch die Verbraucher:innen profitieren. Davon profitiert übrigens auch die Wirtschaft. Die zahlt auch EEG-Umlage und profitiert eben auch von deren Abschaffung. Das ist also nicht nur etwas, was an die privaten Haushalte geht, sondern davon profitiert auch die Wirtschaft. Von daher ist es eine breite Entlastung. Es ist auch insgesamt richtig, weil wir wollen ja, dass nicht mehr unspezifisch Energie teuer ist, sondern dass die fossile Energie teurer wird. Das ist auch wichtig für die Wirtschaft und für die Gesellschaft, dass wir eine Planbarkeit haben, dass wir ernst machen mit der Klimaschutzstrategie. Dafür brauchen wir auch eine klare Perspektive, dass fossile Energieträger teurer werden, dass aber nicht Energie insgesamt teurer wird, sondern dass sie in Erneuerbaren eben entsprechend ihrem Preisvorteil günstiger werden. Das ist ja jetzt schon so. Wind und Sonne sind derzeit die günstigsten Energieformen. Das spiegelt sich aber noch nicht eins zu eins beim Verbraucher und bei den Verbraucherinnen wider. Da müssen wir eben immer stärker hinkommen, dass das dann auch tatsächlich so ist.

Tim Meyer: Genau. Wichtiges Stichwort "Was kommt bei den Verbraucher:innen an?" Für Geringverdiener und Bezieher:innen von Wohngeld wurde jetzt von der Regierung ein Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht, der im Juni ausgezahlt werden soll, wenn die Heizkostenabrechnung mit deutlich höheren Nachzahlungen als bisher ins Haus flattert. Das ist aber nur eine kurzfristige Lösung und als einmalige Unterstützung geplant. Welche Pläne gibt es denn, um langfristig bei steigenden Kosten zu unterstützen? Klar, ihr habt jetzt gerade erklärt, dass es darum geht, ja auch die Energiekosten zu senken, aber das wird ja wahrscheinlich nicht so schnell gehen. Vielleicht die Frage an Lisa. Wie können wir denn langfristig die Verbraucher:innen da unterstützen?

Lisa Paus: Langfristig hilft nur durch entsprechende Investitionen in den Umbau. Das war ja auch unser Kern, nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in der Verankerung des Koalitionsvertrages. Dass wir gesagt haben: "Die nächsten zehn Jahre, das muss das Jahrzehnt der Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung sein." Wir haben eben derzeit die klimaneutrale Infrastruktur noch nicht und die klimaneutrale Wirtschaft nicht. Nur dann, wenn wir das tatsächlich jetzt einleiten, mit großen Schritten, kommen wir dahin, unabhängig zu sein von diesen stark schwankenden und immer teurer werdenden fossilen Energiepreisen. Das ist das, was wir jetzt schaffen müssen. Deswegen planen wir ja umfangreiche Investitionen, sowohl in den Gebäudebestand, als auch was das Thema Mobilität angeht etc. Das sind alles Themenbereiche, für die Julia jetzt nun wiederum zuständig ist. Kurzfristig machen wir aber auch was, Heizkostenzuschuss hast du schon gesagt. Die EEG-Umlage würde ja vor allen Dingen dann auch wieder auf den Strom wirken. Der Strom ist auch etwas teurer geworden, aber ist momentan nicht das Hauptthema, sondern es ist eben eher tatsächlich das Thema Tanken und das ist das Thema Heizen. Deswegen ist der Heizkostenzuschuss da sehr zielgerichtet. Es ist so, dass eben Familien mit Kindern stärker davon betroffen sind, als beispielsweise Alleinstehende. Deswegen setzen wir uns auch dafür ein, dass ein Kinderzuschlag, eben auch kurzfristig kommt, um auch ganz konkret Familien mit Kindern zu entlasten. Ich persönlich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass wir beim Thema Regelsatz noch mal anpassen, weil beispielsweise Stromkosten eben nicht vom Regelsatz abgedeckt sind. Da ist es nun wiederum andersherum. Bei Hartz IV werden die Heizkosten übernommen, aber die Stromkosten eben nicht. Und je nachdem, welchen Vertrag man gerade hat oder in welcher Situation man ist, kann das wirklich richtig drastisch sein. Wir wollen nicht, dass eine nächste Abschaltwelle von Strom kommt und deswegen müssen wir dringend nachsteuern.

Tim Meyer: Willst du noch was hinzufügen, Julia?

Julia Verlinden: Ja, gerne. Ich wollte das noch mal unterstreichen, was Lisa gesagt hat. Wir wissen jetzt, die fossilen Preise sind sehr schwankend, sie sind tendenziell teuer und sie belasten die Menschen in ihren Wohnkosten. Deswegen ist das, was wir als Grüne auch wirklich schon seit vielen, vielen, vielen Jahren sagen, nämlich wie wichtig die Wärmewende ist. Wie wichtig das ist, dass wir die Potenziale heben, die es im Gebäudesektor gibt. Es gibt Studien, die gehen davon aus, man könnte ungefähr die Hälfte des Energieverbrauchs von allen Gebäuden in Deutschland mit technischen Maßnahmen reduzieren. Das heißt, wir könnten denselben Komfort, dieselbe Wärme in den Häusern haben, aber mit viel, viel weniger Energieeinsatz. Das ist also noch ein großes Projekt, was vor uns liegt, was extrem wichtig ist, auch für den Klimaschutz. Deswegen haben wir ja auch dazu im Koalitionsvertrag verschiedene Dinge festgehalten, nämlich beispielsweise, dass perspektivisch nur noch erneuerbare Heizungen eingebaut werden. Dass die Energieeffizienz-Standards von Gebäuden sehr viel ambitionierter werden müssen und all diese Dinge müssen wir jetzt beherzt angehen. Es ist richtig, es wird nicht von heut auf morgen jedes Gebäude gedämmt werden, nicht jede Heizung ausgetauscht. Aber je länger wir damit warten, umso schlimmer ist es ja für die Menschen. Deswegen ist es so wichtig, dass hier jetzt auch die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür gesetzt werden, damit diejenigen, die in Wohnungen leben, die noch nicht so einen hohen Energieeffizienz-Standard haben, sehr bald dann davon profitieren können, dass wir diese Projekte umgesetzt haben.

Tim Meyer: Dann sollten wir vielleicht auch kurz die KfW-Förderung ansprechen. Für den Bau von Energiesparhäusern beziehungsweise die energetische Sanierung. "In einer Regierung mit den Grünen werden jetzt plötzlich Energiesparhäuser nicht mehr gefördert" war so ein bisschen der Aufschrei. Warum ist denn die KfW-Förderung für den Bau von Energiesparhäusern jetzt so plötzlich ausgelaufen und wird es eine neue Förderung geben?

Julia Verlinden: Also das ist eigentlich eher das... Das war ein bisschen eine falsche Überschrift, muss ich sagen. Letztlich ist es so gewesen, dass ein bestimmtes Förderprogramm, was die Vorgängerregierung aufgesetzt hatte und für das sie schon das Ende für Ende Januar angekündigt hatte, heillos überzeichnet war. Das viele Tausende, Zigtausende von Anträgen mehr eingegangen sind, als eigentlich mit dem Haushalt gedeckt waren. Das heißt, eigentlich war das Geld gar nicht da. Die Anträge waren aber da. Es gab einen großen Run darauf und das waren keine Energiesparhäuser, sondern das sind Gebäude gewesen, die heutzutage den ganz normalen technischen Stand entsprechen. Aber all diejenigen, die ein Haus gebaut haben, haben gesagt "Na ja, wenn es Förderung gibt, dann beantrage ich die natürlich auch." Was wirklich klimafreundlich ist, ist eigentlich ein viel besserer Standard. Deswegen hat sich die Regierung darauf verständigt, dass in Zukunft nur noch echte Klimaschutzhäuser gefördert werden. Dafür wird das neue Programm sehr zeitnah auch aufgelegt und bekannt gemacht. Die andere Frage nämlich "Wie schaffen wir ausreichend bezahlbaren Wohnraum?" ist ja auch eine Frage, die baupolitisch entschieden werden muss. Die auch flankiert werden muss, auch aus anderen Haushalten. Dafür können wir jetzt nicht ausschließlich den Klimafonds nutzen. Hier ist jetzt die Bauministerin dran, ein entsprechendes Programm zur Unterstützung von sozialem Wohnungsbau aufzulegen und das wird dann ein zusätzliches Programm dafür sein. Aber das Wichtigste bleibt nach wie vor, ausreichend Geld zu haben für die Förderung von der Sanierung von bestehenden Gebäuden. Weil das ist besonders intensiv, was Planung, Personaleinsatz und auch Kosten betrifft. Bringt aber extrem viel, auch für den Klimaschutz, insbesondere den Menschen, die heute schon drin wohnen. Wir haben eben darüber gesprochen und damit die möglichst Warmmietenneutral in ihren Häusern leben bleiben können und da nicht zu hohe Belastungen erfahren. Deswegen ist es gerade dort so wichtig, finanzielle Förderung in die Bestandssanierung zu stecken.

Lisa Paus: Ja, wenn ich das noch mal kurz ergänzen darf. Die Wahrheit war ja, es hat ja schon ein Datum. Das einzige was jetzt passiert ist, es ist eine Woche vorgezogen worden und es ist eine Woche vorgezogen worden, weil es eben dramatisch überbucht war. Dieses Programm war eben keine Klimaschutzförderung und da bin ich dann auch mal ordnungspolitisch unterwegs. Wir haben das ja jetzt mit Härtefällen-Bestandsschutz noch mal angepasst. Aber die Wahrheit ist ja, es war eine Eigenheimzulage 2.0, es war eine völlige Überförderung. Alle, die das Programm genutzt haben, haben das bestätigt. Man hat nur gesagt, sie haben jetzt damit gerechnet und haben jetzt ein finanzielles Loch. Aber wenn wir etwas machen, wo Klimaschutzmaßnahme drüber steht, dann sollte bitte auch Klimaschutzmaßnahme drin sein. Das wird jetzt mit der neuen Regierung zügig umgesetzt werden.

Tim Meyer: Ich möchte noch mal einen Schritt zurück machen. Wir haben es vorhin schon angesprochen. Es geht ja auch um die energieintensive Industrie. Also es ist ja nicht nur problematisch, die Energiepreise für Menschen mit geringem Einkommen oder letztendlich ja auch für alle, sondern eben auch für die Industrie. Lisa, welche Pläne hat denn die grüne Bundestagsfraktion hier zu unterstützen?

Lisa Paus: Robert Habeck hat ja eine Klimabilanz vorgelegt und hat deutlich gemacht, wie groß die Herausforderungen eigentlich sind. Auch ich, die mich ja schon länger damit beschäftigt - ich bin ja Grüne und kenne auch unser Programm -, war doch auch noch mal zusätzlich geflasht, was für ein Tempo wir da jetzt vorlegen müssen. Ausbau der Erneuerbaren verdreifachen, mit all den Fragen, die da dranhängen, planungsrechtlich und so weiter, aber natürlich auch finanziell. Beispielsweise werden wir diese sogenannten "Contracts for Difference" einrichten, für die besonders energieintensive Industrie, wie Stahl und so. Die eben dann die Differenz zwischen ihren derzeitigen Energiekosten und denen, die sie zahlen müssten, wenn sie jetzt voll umsteigen auf grünen Wasserstoff beispielsweise, übernehmen. Dass diese Differenz eben tatsächlich für einen Übergangszeitraum übernommen wird und dann später zurückgezahlt wird, so dass wir gemeinsam diese Transformation schaffen können. Ähnliche Instrumente haben wir eben auch für die anderen Sektoren, damit wir es gemeinsam schaffen. Wir werden das Ordnungsrecht ändern, aber wir werden natürlich auch finanzielle Unterstützung da leisten, wo es notwendig ist. Wenn wir schnell sind, dann haben wir zum einen die Unabhängigkeit von den fossilen Energieträgern, zum zweiten sind wir vorne dran, was das Thema Klimaschutz angeht. Und wenn wir es gut machen, dann stärkt das sogar auch noch unsere Exportwirtschaft, weil wir dann auch zeigen, dass wir es können und das dann auch exportieren können.

Tim Meyer: Stichwort "Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern". Da müssen wir ein Thema auch ansprechen, das ist Russland. Erdgas nimmt im deutschen Energiemix einen Anteil von über 25 Prozent ein. Also im Energiemix, nicht im Strommix. Gleichzeitig gibt es bei Gas eben diese Abhängigkeit von Russland. Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma?

Julia Verlinden: Klar, die Unabhängigkeit von fossilen Importen, die erreichen wir durch die Energiewende und durch ein beherztes Voranschreiten. Wir nutzen sehr viel von dem Erdgas, was wir im Augenblick importieren, für die Beheizung von Gebäuden. Es sind natürlich nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Schulen, Turnhallen, Bürogebäude usw. Aber all diese Heizungen, die dort in den Kellern stehen, die haben ein Update verdient. Deswegen ist es so wichtig, dass wir jetzt bei der Wärmewende vorankommen, um hier eben auch unabhängiger zu werden von dem, was die Preise eigentlich auf dem Weltmarkt kosten und von wo wir sie möglicherweise einkaufen oder einkaufen müssen, weil wir vielleicht jetzt auch nicht so viele Alternativen haben. Wir sind ja auch so aufgestellt, dass wir beispielsweise auch Erdgas aus Norwegen beziehen in Europa. Die Niederländer fördern auch noch Erdgas. Die haben allerdings auch das Ende der Erdgasförderung schon eingeläutet. Vollkommen zu Recht, weil Erdgas ja ein fossiler Brennstoff ist und wir aus Klima-Gesichtspunkten natürlich auch da den Ausstieg vorbereiten müssen. Zum anderen, weil es auch bei der Förderung von Erdgas auch immer wieder ökologische Schäden gab, wie Erdbeben, Schäden an Gebäuden und all diese Dinge. Das erlebe ich in Niedersachsen ja auch, wo ich seit vielen Jahren lebe, dass die Debatte um das Erdgas da auch sehr intensiv geführt wird. Ich glaube, es ist total wichtig, dass wir hier auch unsere Unabhängigkeit dadurch natürlich beweisen, indem wir noch mal auch öffentlich deutlich machen, wie schnell wir jetzt beim Thema Energieeffizienz und Ausbau der Erneuerbaren vorangehen. Denn selbstverständlich gibt es auch noch Energieeffizienz und Ressourcen-Einsparpotenziale in der Industrie. Dazu gibt es auch verschiedene Förderprogramme auf der einen Seite, aber auch Möglichkeiten, dass über Beratungsleistungen für die eigenen Unternehmen, auch diese Potenziale zu identifizieren. Ein ganz klassisches Beispiel ist, dass viele Kommunen, die ein Wärmenetz betreiben, oft gar nicht wissen, welche Abwärmepotenziale ein Gewerbebetrieb oder Industriebetrieb nebenan hat. Diese Abwärme könnte man ganz wunderbar in dieses Wärmenetz einspeisen und dadurch quasi die Energie recyceln oder zweitverwerten, die in dem Unternehmen sowieso entstanden ist und damit dann noch mal zusätzlich auch Gebäude wärmen. Also insofern ist es gut, wenn wir sehr übergreifend diese Transformationsthemen auch betrachten und nicht immer so sektoral, hier ist die Industrie und da ist die Wärme und so weiter. Das sind ganz wichtige Dinge. Ich glaube, dass es auch klug ist, selbstverständlich auch hier europäisch zu denken und auch natürlich strategisch zu überlegen, wie kriegen wir das hin, dass auch die vorhandenen Gasspeicher im Sommer gefüllt werden, damit wir sie im Winter dann auch zur Verfügung haben und uns da dann auch ein bisschen Puffer zur Verfügung steht. Natürlich dann auch gucken, wie wir europäisch auf diese Herausforderung, dieser großen Abhängigkeit - nach wie vor - von den fossilen Brennstoffen, reagieren wollen und wie wir da gut zusammenarbeiten. Ein Stichwort noch. Das Gas der Zukunft ist eine deutlich niedrigere Menge, die wir für die Versorgung in Deutschland brauchen und vor allen Dingen ist sie grün. Das heißt, wir werden auch in Zukunft vor allen Dingen auf Wasserstoff setzen, aber auch auf andere grüne Gase. Beispielsweise ist das Bio-Methan oder Bio-Gas ja auch heute schon Teil unseres Energiemix.

Lisa Paus: Genau. Aber die Wahrheit ist, momentan sind wir eben abhängig und das macht noch mal deutlich, welchen Weg wir da eigentlich zu gehen haben. Insgesamt ist seit Corona das Thema kritische Infrastruktur doch stärker in den öffentlichen Fokus geraten. Da ging es jetzt eher allgemein darum, inwieweit hat man dann eigene Ressourcen? Stichwort Masken, Impfstoffe etc. Leider haben wir jetzt eben eine neue, erweiterte Dimension, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten. Wir hatten ja seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dann eben auch des Kalten Krieges eine andere Situation. Wir haben das Thema kritische Infrastruktur tatsächlich jetzt noch mal neu zu denken, auch im Sinne von geopolitisch. Deswegen finde ich es gut, dass wir auch, vor allen Dingen, jetzt im Rahmen der Europäischen Union in diesem Zusammenhang denken und das Thema kritische Infrastruktur auch einen hohen Stellenwert innerhalb der Europäischen Union hat. Es ist ja im Zuge der Corona Krise geschaffen worden, der Next Generation Fund. Mit diesem Next Generation Fund sind auch eine Reihe von europäischen Infrastrukturprojekten bereits angestoßen worden und ich denke, es wäre sehr wichtig, wenn wir genau diesen Weg weitergehen und nicht nur gemeinsame europäische Projekte vereinbaren, sondern sie auch über gemeinsame europäische Finanzierung dann auch möglich machen.

Tim Meyer: Ihr sprecht jetzt schon Europa an, dann muss ich jetzt einmal die Taxonomie ansprechen, die auch in den letzten Wochen ein großes Thema war. Denn die EU-Kommission bleibt dabei, sie will Investitionen in Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Auflagen als nachhaltig einstufen. Könnt ihr einmal ganz kurz noch mal erklären, was das eigentlich genau bedeutet, diese Taxonomie?

Lisa Paus: Ja, also erstmal ist die Taxonomie eine reine Kapitalmarkt Angelegenheit gewesen. Deswegen ist auch der Finanzausschuss im Deutschen Bundestag und das Finanzministerium dafür federführend. Weil es ging darum, dass es eben bisher im Kapitalmarkt keinerlei gesetzliche Regelungen dafür gibt, was ein nachhaltiges Anlageprodukt ist. Wir erinnern uns alle noch miteinander, wie Renate Künast seinerzeit das Bio-Siegel auf europäischer Ebene eingeführt hat. Vorher gab es auch schon natürlich ökologische Nahrungsmittel. Da haben eben verschiedene Anbieter, wie Demeter oder andere eben gesagt, wie sie das produzieren. Aber es war eben in die Selbstverpflichtung der Produzenten gelegt, was sie da machen, ob sie das einhalten und inwieweit das jetzt wirklich ökologisch oder auch Greenwashing ist. Seinerzeit hat eben Renate Künast als Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin dann durchgesetzt, dass es ein europäisches Siegel gibt, eben das Bio-Siegel, das eben zumindest bestimmte gesetzliche Standards festlegt, die auf jeden Fall erfüllt werden müssen, damit ein Bioprodukt, Bioprodukt genannt werden darf. Deswegen haben wir jetzt entsprechende gute Kennzeichnungen. Das heißt nicht, dass wir in den Supermärkten und so weiter nur Bioprodukte haben, wie wir alle miteinander wissen. Da gibt es noch haufenweise konventionell produzierte Nahrungsmittel. Aber der Verbraucher und die Verbraucherinnen können sich darauf verlassen, dass eben da, wo Bio-Siegel draufsteht, auch Bio-Siegel drin ist. Das Gleiche wird jetzt eben für den Kapitalmarkt eingeführt. Dass sich eben auch Anleger darauf verlassen können, dass gewisse Standards eingehalten werden bei einem Anlageprodukt. Wenn das im Prospekt drinsteht, dann wird das auch eingehalten. Das muss man natürlich auch festlegen. Was ist ein nachhaltiges Produkt? Das hat die Taxonomie gemacht. Die Experten haben sich viel Mühe gegeben und haben ein wirklich gut wissenschaftlich basiertes Konzept auf die Beine gestellt für die Taxonomie und dann ist es leider in die politischen Mühlen geraten. Dann hat Frankreich festgestellt, dass Atom ja gar nicht drinsteht und dass das nicht gut ist für Frankreich. Dann haben andere festgestellt, dass da Gas ja gar nicht drin ist und dass sie das vielleicht schlecht aussehen lässt. Dann gab es natürlich auch noch Lobbyisten, die festgestellt haben, wenn das jetzt alles durchleuchtet wird bei ihnen, dass das dann auch nicht so gut aussieht, dass sie dann gar nicht so grün sind, wie sie ursprünglich mal vorhatten zu tun. Aus all diesem ist dann eben das entstanden, was uns den Neujahrsmorgen versaut hat - um es mal klar zu sagen -, nämlich dass die EU-Kommission gesagt hat "Hey, übrigens, wir haben nach dem ersten Delegierten Rechtsakt einen zweiten gemacht und indem haben wir festgelegt, dass Atom und Gas nach gewissen Kriterien dann doch auch als nachhaltig einzustufen sind." Wir lehnen das ab.

Tim Meyer: Und ist das denn noch zu verhindern?

Lisa Paus: Es gibt eine theoretische Möglichkeit. Erstmal ist es so, es ist keine Richtlinie, die in Deutschland auch angepasst umgesetzt werden müsste. Es ist eben ein Delegierter Rechtsakt und da ist es so, dass die EU-Kommission direkte Kompetenz hat, das zu machen. Es ist sozusagen direkt wirksam. Es gibt ein Konsultationsverfahren. Im Europäischen Rat sieht es leider momentan nicht gut aus. Im Europäischen Parlament sieht das etwas besser aus, aber jetzt auch noch nicht so, dass man sagen könnte "Das klappt auf jeden Fall", sondern eher im Gegenteil. Es gibt auch die Überlegungen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, dagegen zu klagen, weil das Thema Atom in der Europäischen Union auch eine besondere Verankerung und Bedeutung hat. Auch das prüfen wir derzeit intensiv. Auch Österreich prüft das, so dass man zumindest vielleicht beim Atom noch etwas machen kann. Es ist jedenfalls sehr schwer. Es kann sein, dass das nicht geändert werden kann.

Julia Verlinden: Ich glaube auch, dass es schwierig ist, wenn jetzt Gelder in Technologien fließen, die das Gegenteil von nachhaltig sind. Gerade bei der Atomkraft ist es ja so, dass die Risiken nicht vor Landesgrenzen Halt machen. Deswegen ist diese Debatte, die wir europäisch gerade führen oder beziehungsweise, wo ich manchmal höre, dass Menschen sagen "Na ja, letztlich ist es ja egal. Jedes EU-Land entscheidet für sich, welche Energiepolitik sie machen." Nein. Zum einen ist es so, dass Klimaschutz natürlich international vorangebracht werden muss und dafür braucht es massive Investitionen in die Erneuerbaren und in Energieeffizienz. Zum anderen ist es auch so, dass auch atomare Risiken uns in ganz Europa betreffen würden. Deswegen glaube ich, dass es sinnvoll ist, dass wir Grüne auch weiter uns dafür einsetzen, einen europäischen Atomausstieg als Ziel zu verfolgen. Die Atommüll-Problematik ist die eine, wofür wir in den allermeisten Ländern noch keine befriedigende Antwort darauf haben, wo der eigentlich eine Million Jahre lang gelagert werden soll. Die andere Frage ist nämlich, dass Atomkraftwerke aufgrund ihres hohen Risikos nicht versicherbar sind und wer dann eigentlich die Kosten trägt im Fall eines nuklearen Unfalls. Das ist die nächste Herausforderung. All das spricht dafür, auf saubere Technologien wie Sonne und Wind zu setzen und eben nicht weiter die Verlängerung von Reaktoren, die schon sehr, sehr alt sind und deren Laufzeit sozusagen. Die direkt an unseren Grenzen stehen, auf der anderen Seite des Rheins beispielsweise. Da sich auch beherzt zu engagieren, dass diese Technologie auch in ganz Europa zeitnah ein Ende findet, weil das nicht verantwortbar ist.

Tim Meyer: Kommen wir noch mal zu den Bürgerinnen und Bürgern, zu den Menschen. Was die eigentlich auch tun können, um sich an der Energiewende zu beteiligen oder wie auch Gebäude genutzt werden sollten. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass alle geeigneten Dachflächen zukünftig für Solarenergie genutzt werden sollen. Bei gewerblichen Neubauten soll es verpflichtend sein, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden. Wie schätzt ihr das Potenzial denn ein, das umzusetzen?

Julia Verlinden: Also das ist extrem wichtig, dass wir jedes Dach, was uns in Deutschland zur Verfügung steht, für die Gewinnung von sauberem Strom nutzen. Selbst das wird auch am Ende nicht reichen, um die komplette Energieversorgung ökologisch zu machen. Wir brauchen natürlich auch die Windenergie. Aber der Vorteil von der Solarenergie ist ja tatsächlich, dass es relativ einfach umzusetzen ist und wenn sich Menschen zusammentun, auch ein wunderbares Bürgerenergie-Projekt ist. Ich kenne sehr viele Energiegenossenschaften, wo Menschen zwei oder drei tolle Sachen miteinander verbinden. Das eine ist gemeinsam wirtschaften, das zweite ist die Energiewende voranbringen und das dritte ist, dass sie dezentral wirtschaften und die Potenziale nutzen, dass eben der Strom dort erzeugt wird, wo er auch verbraucht wird. Ich bin so ein großer Fan von der Bürgerenergie, weil sie halt so dicht an dem Alltag der Menschen ist und die Möglichkeiten, entweder auf dem eigenen Dach oder gemeinsam auf einem Schuldach als Genossenschaft, oder gemeinsam mit den Stadtwerken auf einer größeren Gewerbehalle oder so, sauberen Strom zu erzeugen, ist einfach eine Möglichkeit, die noch sehr, sehr viele Potenziale hat in Deutschland. Also wir könnten und müssen, wir sollten die aktuelle Menge der Solarenergie mindestens verdreifachen, besser vervierfachen innerhalb der nächsten zehn Jahre. Dazu gibt es auch sehr ambitionierte Erwartungen, die wir im Koalitionsvertrag auch festgelegt haben. Dafür braucht es aber jetzt auch noch mal bessere Rahmenbedingungen. Auf der einen Seite muss es noch unbürokratischer werden, die eigene Anlage aufs Dach zu setzen. Auch für diejenigen, die beispielsweise ein Mehrfamilienhaus haben, was sie vermieten, das dort den Menschen der saubere Strom vom Dach noch viel einfacher angeboten werden kann, ohne dass man ganz komplizierte steuerrechtliche Herausforderungen hat, weil man plötzlich zum Energieversorger wird. Das hat viele bisher davon abgehalten, dieses Projekt umzusetzen und so könnten wir nämlich noch viel mehr der Energiewende auch in die Städte holen. Wenn nämlich der Mieterstrom noch viel mehr Aufmerksamkeit und Umsetzung vor allen Dingen erfährt. Außerdem ist es auch so, dass die sogenannte gemeinschaftliche Eigenversorgung ein großes Potential hat. Das Menschen sich zusammenschließen und sagen "Hier, ich habe ein besonders großes Dach. Es ist nicht verschattet, aber ich habe selbst gar kein Elektroauto und vielleicht brauche ich diese Mengen gar nicht alle selbst. Aber ich könnte meinem Nachbarn, der gegenüber wohnt, vielleicht etwas von dem Strom abgeben". Das wird im Augenblick noch sehr, sehr kompliziert gemacht. Da sind andere Länder deutlich weiter. Vor allen Dingen hat uns die EU da auch eine klare Hausaufgabe aufgegeben, nämlich in der entsprechenden Richtlinie, hätte Deutschland solche Rahmenbedingungen eigentlich schon bis letzten Sommer umsetzen müssen. Also hier ist noch einiges zu tun, aber vor allen Dingen auch viele wunderbare Chancen, die Energiewende voranzubringen.

Tim Meyer: Aber können denn auch Mieter:innen zu dem Wandel beitragen oder können die einfach nur sparsam sein?

Julia Verlinden: Also ich selbst bin in Berlin ja beispielsweise auch Mieterin und habe mir da eine Balkon Solaranlage besorgt. Wann habe ich das gemacht? Vor 5 Jahren oder so galt das noch als revolutionär, weil es nicht so ganz klar war, wie das eigentlich von den Standards eingeordnet wird. Das tolle ist, diese Anlage hat den Wechselrichter und alles schon mit drin. Das ist quasi Plug and Play. Man steckt den Stecker in eine Steckdose, die draußen am Balkon ist und speist sozusagen den Strom in sein eigenes Hausnetz ein. Das ist eine wunderbare Sache, um quasi für sich, vor Ort direkt ein Teil des eigenen Stromverbrauchs Solar zu erzeugen. Dafür braucht es auch keine aufwändigen Genehmigungsprozesse oder ähnliches. Das ist eine Möglichkeit, was viele Leute inzwischen machen, um da sozusagen ihren kleinen Beitrag zu leisten. Wichtig ist natürlich, dass wir insbesondere auch die Dächer voll machen, insbesondere da, wo die Dächer auch geeignet sind und davon gibt es noch sehr, sehr, sehr, sehr viele, die noch keine Anlage haben.

Lisa Paus: Ich glaube, am Thema Vermieter/Mieter ist vor allen Dingen wichtig, dass die energetische Sanierung ihren negativen Ruf, den sie in den letzten 15 Jahren doch ein bisschen erworben hat, zumindest in Ballungsräumen wie Berlin, dass das allein gemacht wird, um noch zusätzliche Miete aus dem Mieter rauszuschneiden und der Vermieter da gar nichts davon hat, das müssen wir tatsächlich drehen. Weil, da war ja auch was dran. Es war tatsächlich so, dass es eben - wegen der bisherigen gesetzlichen Regelungen - ein gutes Instrument war, um Mieten zu erhöhen, ohne einen tatsächlich relevanten Mietsenkungseffekt, was jetzt das Thema Heizkosten angeht. Da müssen wir dahin kommen, dass auch da wieder das, was draufsteht, auch drin ist. Dass eine energetische Sanierung nicht nur die Wohnung zusätzliche verschattet, weil eben die Dämmung erhöht wird und ansonsten ändert sich nix, die Heizungspreise ändern sich auch nicht, sondern dass es eben ein Gesamtkonzept gibt. Wir haben eine Förderung dafür auch schon angeregt, dass man eben diese Sanierungs-Fahrpläne macht und sich nicht nur auf Einzelmaßnahmen bezieht, sondern dass man Einzelmaßnahmen machen kann, aber das dann über die Jahre zu einem Gesamtfahrplan wird und dann auch tatsächlich substanzielle Einsparungen passieren. Das ist, glaube ich, der richtige Dreh beim Thema Mieter und Vermieter. Außerdem ist uns da ja auch noch mal wichtig, dass der CO2-Preis eben nicht wie derzeit gesetzlich geregelt, vollständig vom Mieter zu tragen ist, sondern dass es eben hälftig ist, auch mit dem Vermieter, weil am Ende eine neue Heizung, insgesamt Sanierungsmaßnahmen, dafür muss sich der Vermieter entscheiden und wenn er gar keinen Anreiz dafür hat, weil eben die Kosten vom Mieter übernommen werden und ansonsten ja für die Mieter vor allen Dingen Lage, Lage, Lage entscheidend ist, sind das eben Fehlanreize. Von daher setzen wir die Anreize dann neu und richtig und das ist auch ganz wichtig. Ansonsten finde ich aus diesem ganzen Bereich, das hat Julia alles schon aus der Praxis super erzählt, da möchte ich auch noch mal darauf hinweisen, dass dieses ganze Thema ein unheimliches Potential hat für Community Building, wie es auf Neudeutsch so schön heißt. Ich hatte auch etliche Anfragen von Bürgern aus dem ländlichen Raum, die gesagt haben "Was sollen wir denn machen? Wir haben ja eine Ölheizung und wir stehen da irgendwo rum. Ich kann mir das einzeln nicht leisten. Was kann ich denn hier machen?" Aber gerade, wenn es eben eher Einfamilienhäuser sind und eine überschaubare Gruppe von Häusern, dann ist es eben sehr wohl möglich, mit Erneuerbaren das dann dezentral zu machen im Sinne einer Bürgerenergie-Genossenschaft etc. Dass dann eben Leute zusammenkommen und erstens was zusammen machen, zweitens davon profitieren, dass sie unabhängig werden von dem entsprechenden Versorger und dass sie im Zweifel eben auch Geld sparen. Dieses unterstützen, dass Leute zusammenkommen für ihre eigene Energieproduktion und was man da machen kann, das ist urgrünes Programm, das unterstützen wir und das hat aber auch ein super soziales Potenzial für die entsprechenden Gemeinden. Alle, die das jetzt schon mal gemacht haben, sind jedenfalls begeistert und tragen das weiter. Die Restriktionen, die Julia schon angesprochen hat, zum Beispiel eben, dass beim Vermieten etwa keine Gewerbesteuer anfällt, aber wenn man dann eine Solaranlage drauf macht, dass das dann plötzlich wieder gewerbesteuerpflichtig ist. All diese Fragen haben wir auch im Koalitionsvertrag diskutiert und werden sie auch beiseite räumen, damit solche Hindernisse das nicht mehr konterkarieren.

Julia Verlinden: Darf ich noch ein Beispiel nennen, weil Lisa jetzt genau so gut darauf hingewiesen hat, wie wichtig das für so Communities sein kann und ich mir das vor ein paar Jahren mal in Baden-Württemberg angeschaut habe. Da gab es einen Stadtteil am Bodensee. Die haben tatsächlich Solarthermiefelder auf eine Wiese gestellt, drumrum rannten die Schafe und die konnten mit dieser solaren Wärme ein kleines Wärmenetz in ihrem Stadtteil, in ihrem Ort betreiben. Das waren alles Häuser, die waren Jahrzehnte alt und waren jetzt auch nicht super top gedämmt. Ich sag mal so der Durchschnitt. Für die paar wenigen Wochen im Jahr, wo sie dann doch noch ein bisschen mehr Wärme brauchten, weil es besonders knackig kalt ist, hatten sie dann noch zusätzlich so einen Holzhackschnitzel-Ofen dabei, der dann auch in das Wärmenetz eingespeist hat. Das war das ganze Straßenbegleitgrün, was die sowieso übers Jahr hinweg abgemäht haben oder die Bäume gepflegt haben. Das heißt also quasi ein System, was in sich funktionierte und sie brauchten keine externen Rohstoffe einkaufen. Das ist, glaube ich, so ein ganz ganz tolles Beispiel, was gerade im ländlichen Raum super funktionieren kann. Wenn wir mal angucken, dass wir jedes Jahr zig Milliarden Euro allein für fossile Rohstoffe ausgegeben haben, die wir so wunderbar hätten hier vor Ort investieren können, in Wertschöpfung in der Region, in der Energiewende, die hier vor Ort funktioniert, dann sieht man einfach, wie die Prioritäten einfach in den letzten 16 Jahren falsch gesetzt worden sind. Aber das ändern wir ja jetzt.

Lisa Paus: Genau, das muss mit dem Umdenken in den Köpfen erst mal losgehen. Weil bisher ist es so, jeder ist das so gewohnt. Ja, ich sitze in meinem Haus, individuell, und habe da mein Problem und will das individuell lösen. Ansonsten ist für die Infrastruktur der Staat zuständig und wenn der eben nicht in die Pötte kommt, dann kann ich doch nichts machen. Richtig, der Staat hat seine Aufgabe, aber jetzt beim Thema Energie, kann man eben sehr viel auch selbst machen. Aber eben nicht allein, sondern mit seinen Nachbarn zusammen und dann geht da einfach sehr, sehr viel. Davon möchten wir mehr erblühen sehen und möchten das auch unterstützen.

Tim Meyer: Zum Ende hin würde ich gerne noch mal aus euren unterschiedlichen inhaltlichen Perspektiven ein Fazit ziehen bzw. euch bitten, ein Fazit zu ziehen. Vielleicht zuerst Julia, in deinem Fachbereich sind die Themen Klima, Energie und auch Wohnen zusammengefasst. Was ist aus deiner Sicht beim Thema Energiepreise in Zukunft wichtig? Wir haben vieles schon gesagt, aber vielleicht kannst du es einfach ganz kurz noch mal aus seiner Perspektive zusammenfassen.

Julia Verlinden: Klar ist, je höher der Anteil der Erneuerbaren ist, desto stabiler und vorhersehbarer werden die Preise für Energie in der Zukunft auch sein. Deswegen ist das eigentlich das, wenn es ganz konkret darum geht, abzusichern, mit welchen Energiekosten wir in Zukunft zu rechnen haben. Den Ausbau der Erneuerbaren massiv voranzutreiben. Das ist das, worum Robert Habeck sich ja jetzt auch gerade in Zusammenarbeit mit den Ländern auch kümmert. Wichtig ist, dass wir uns nicht der Illusion hingeben, dass die fossilen Preise in Zukunft auf Dauer günstig sein werden. Das wird nicht der Fall sein. Wir müssen damit umgehen, dass wir uns auf die Alternativen fokussieren und dazu haben wir jetzt verschiedene Projekte im Koalitionsvertrag stehen, die jetzt auch auf dem Weg gebracht werden. Als kurzfristige Unterstützung haben wir verschiedene Dinge, mit denen wir die Menschen unterstützen, die jetzt besonders von diesen steigenden Energiekosten betroffen sind. Es wird rechtzeitig der Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher:innen, Studierende und Azubis zur Verfügung stehen, damit diejenigen im Sommer ihre höheren Rechnungen bezahlen können. Wir werden uns natürlich auch insgesamt dafür einsetzen, dass Menschen mehr Geld im Portemonnaie haben. Dazu gehört beispielsweise auch ein steigender Mindestlohn, der sehr, sehr vielen Menschen auch dabei helfen wird, besser finanziell klarzukommen. Dazu gehört eben auch der Kinder-Sofortzuschlag für die Kinder, die bisher mit besonders wenig Geld klarkommen mussten. Das sind so die Bereiche, an denen gerade intensiv gearbeitet wird und die echt einen Unterschied machen.

Tim Meyer: Lisa, ich würde dich bitten, noch mal zu ergänzen. Julia hat jetzt gerade schon den Mindestlohn angesprochen. Deine Themen sind ja unter anderem Wirtschaft und Soziales. Wie können wir aus deiner Sicht in Zukunft stabile Energiepreise sichern?

Lisa Paus: Dass Julia bereits die ganzen sozialen Fragen mit aufgegriffen hat, das zeigt ja noch mal deutlich, dass bei Grünen zwischen Ökologie und Soziales kein Blatt passt, sondern dass wir das immer zusammendenken. Weil völlig klar ist, diese Riesenherausforderung, die schaffen wir nur gemeinsam. Deswegen stimmt es, wir werden den Mindestlohn anheben auf 12 Euro ab Oktober. Es wird relevant, gerade eben die unteren Einkommensbezieher entlasten. Sie hat bereits darauf hingewiesen, wir brauchen diesen Heizkostenzuschuss. Wir werden sicherlich auch mal schauen, ob das dann auch ausreichend ist. Ich kann mir schon vorstellen, dass es da die eine oder andere Gruppe gibt, die vielleicht noch zusätzliche Unterstützung braucht. Wir wollen auf jeden Fall den Sofortzuschlag für Familien mit Kindern, weil die besonders betroffen sind von diesen drastischen Anhebungen. Das kann man auch statistisch noch mal genau anschauen. Aber in der Summe brauchen wir eben eine Politik, die verlässlich die neuen Rahmenbedingungen für die nächsten zehn Jahre schafft und dazu gehört eben, dass wir deutlich mehr Geld mobilisieren für Investitionen. Da gibt es ja Schätzungen, dass mindestens 300 Milliarden, einige sprechen auch von 500 Milliarden Euro, notwendig sind, um eben auf den richtigen Pfad, 1,5 Grad, zu kommen. Wir jedenfalls sind gewillt, genau das zu mobilisieren, um die Unabhängigkeit von den Fossilen zu stärken, um die Preisanstiege nicht mitmachen zu müssen und um tatsächlich für bezahlbare Energie, die dann auch erneuerbar ist und klimaneutral zu sorgen.

Tim Meyer: Liebe Lisa, liebe Julia, ich bedanke mich bei euch für das Gespräch.

Julia Verlinden: Sehr gern.

Lisa Paus: Wir danken dir.

Tim Meyer: Den heutigen Podcast zeichnen wir am 7. Februar auf. Ausgestrahlt wird er am 9. Februar. Wir senden nicht aus unserem Studio im Bundestag, sondern haben uns von verschiedenen Orten zusammengeschaltet. Daher kann es sein, dass die Tonqualität nicht ganz perfekt ist. Wenn ihr Lob, Kritik oder Fragen loswerden wollt, schreibt uns gerne an podcast@gruene-bundestag.de. Wenn ihr informiert bleiben wollt, was die grüne Bundestagsfraktion noch alles so macht, schaut auf unsere Webseite gruene-bundestag.de oder folgt uns in den sozialen Netzwerken auf Instagram, Twitter und Facebook. Vielen Dank fürs Zuhören. Macht es gut und bleibt gesund. Tschüss.

Lisa Paus: Ciao.

Julia Verlinden: Tschüss.

Intro/Outro: Uns geht's ums Ganze. Der Podcast der grünen Bundestagsfraktion.


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