Der Markenwert der Grünen Tulpe

01.06.2013

Ein Essay des ehemaligen Tulpe-Teamchefs Sebastian Wienges über die Bedeutung des Tulpe-Stramplers im 21. Jahrhundert.

In Politik wie Fußball geht es heute mehr denn je um den nachhaltigen Markenwert. Die „Marke“ einer Partei bzw. eines Vereins entscheidet über und beziffert die Stärke der Bindung der Wähler bzw. Anhänger an ihre Partei bzw. ihren Verein. Das erzielte Absatzvolumen von Fanartikeln nach einer Meisterschaft und der Teilnahme an der Champions League sind ein kurzfristiger Segen – aber auch ein Fluch, wenn es gilt, diese Geschäftsgrundlage über die Saison hinaus zu sichern und auch langfristig für Spieler und Anhänger attraktive Vereinsstrukturen und eine auf höchster Ebene konkurrenzfähige Mannschaft aufzubauen. Ausbleibende Erfolge in den Folgespielzeiten haben schon so manchen Club in eine Schuldenspirale gerissen, die im wirtschaftlichen wie sportlichen Abstieg endete.

Ebenso verhält es sich in der Politik, wo der kurzfristige Wahlerfolg und gar eine Regierungsbeteiligung Erwartungen nach sich zieht, die aber eine längerfristige politische Mandatierung verlangen, die die überraschend erfolgreichen Wahlkämpfer dazu verdammt, auch in den folgenden Wahlen trotz kaum in nur vier Jahren zu erfüllenden Erwartungen die Wähler an sich zu binden. So schwemmte ein vollmundig geführter Spaß-/Protest-/Ein-Themen-Wahlkampf schon so manche Partei auf einer Welle der Begeisterung in ein Parlament und gar die Regierung und schon bei der nächsten Wahl wieder hinaus.

Vereine wie Parteien tun daher gut daran, ihre Entwicklung und die ihrer Ziele langfristig, unbeirrt und selbstkritisch zu verfolgen und weniger an der nächsten Wahl und Regierungsbeteiligung auszurichten, sondern ihre Wähler, Mitglieder und ihr ganzes Umfeld in eine Quasi-Bewegung einzubinden und an die eigene „Marke“ anzubinden. Das gelingt aber nicht nur im unmittelbaren Wett- und Wahlkampf mit Konkurrenten, sondern vor allem durch die Beackerung des gesamten Umfeldes, in dem sie sich bewegen. Fußballvereine müssen soziales Engagement jenseits der Quartalszahlen der (längst abgekoppelten) Profi-Abteilung zeigen, Parteien und Fraktionen sich in der Lebenswelt ihrer handelnden Akteure und der realen Umsetzung ihrer Programme engagieren.

Eben dafür spielt und steht auf und neben dem Platz die Grüne Tulpe. Die Spielerfrauen – in diesem Fall sind mit diesem Begriff nicht die längst fest etablierten Spielerinnen der Tulpe gemeint, sondern im althergebrachten Sinne des Männer-dominierten Fußballsports die (in der aktuellen Grünen-Generation häufig geehelichten) Frauen der männlichen Tulpen – tummeln sich eher selten um das Feld – was angesichts des sportlichen Unterhaltungswertes der Tulpen-Spiele zugegebenermaßen nicht weiter verwunderlich ist. Sie kennen sich eher selten und wenn dann in vom Fußball meist gänzlich unabhängigen Zusammenhängen. So kommt es durchaus vor, dass sich Tulpen-Frauen begegnen, ohne von der gemeinsamen Leidenschaft ihrer Männer zu ahnen. Doch der Markenwert der Tulpe, die sichtbare Bindung an die Grüne Tulpe ist inzwischen stark genug, dennoch Bindungskraft zu entfalten.

Der (leider längerfristige) Bauchumfang einer wachsenden Zahl von Tulpen korreliert schon seit einigen Jahren signifikant mit dem (vorübergehenden) Bauchumfang der schwangeren Spielerfrauen. Am zunehmenden Grad der spannenden und keineswegs zu heiß gewaschenen Tulpen-Trikots über den diversen Bäuchen von altgedienten Tulpen-Spielern lässt sich also die zunehmende Zahl der Kinderschar der Tulpenväter ablesen.

Um dem freudigen Anlass der Geburt neuer Tulpen-Abkömmlinge gerecht zu werden, etablierte der langjährige Mannschaftskapitän und inzwischen Trainer der Tulpe Kristoffer Toffi Born den schönen Brauch, den Neugeborenen Strampler und T-Shirts mit Sonnenblume und Rückennummer zu überreichen. Diese Statussymbole werden mit Stolz dem Nachwuchs angezogen und auch unter keinen Umständen an die nachfolgenden Säuglinge der näheren Verwandtschaft oder im Freundeskreis weitervererbt, sondern ähnlich der legendären Trikot-Sammlung eines Mario Kempes für alle Zeiten aufbewahrt.

So lange sie aber aktiv getragen werden, können sie ähnliche Erkennungseffekte haben wie etwa das ungemein schmucke Auswärtstrikot der Saison 96/97 des heiß geliebten Heimatvereins, dem man plötzlich in der Ferne im Urlaub an Wildfremden wiederbegegnet, die sofort als Anhänger des eigenen Vereins und somit als quasi engste Ingroup identifiziert werden. Parteien haben, seit Parteiabzeichen am Revers aus der Mode gekommen sind, kaum solche Erkennungszeichen.

Umso größer war die Überraschung als die Spielerfrauen des altgedienten Tulpen-Mittelfeld-Schlachtross Daniel Holstein und des langjährigen Spielertrainers Sebastian Wienges sich als solche nach Wochen des gemeinsamen Rückbildungsyoga erkannten, weil da plötzlich zwei Babies nebeneinanderlagen, die beide Sonnenblume und Rückennummer auf ihren grünen Einteilern trugen. Die Klärung der jeweiligen Vaterschaft sowie der emotionalen Zugehörigkeit war daraufhin fast selbsterklärend.

Tulpenstrampler sind Ausdruck eines unschätzbaren Grünen Markenwertes.