Bundestagsrede 03.12.2009
Atomwaffenabzug aus Deutschland
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Agnes Malczak das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nukleare Abrüstung scheint ein nettes Thema für Sonntagsreden und Lippenbekenntnisse zu sein. Man muss sich die Augen reiben, wenn man sieht, wer heutzutage alles für Abrüstung ist. Abrüstung ist aber ein hartes Thema. Es geht um die Beseitigung und Vernichtung von Waffen, nicht darum, sie wegzureden. Deshalb müssen den Worten Taten folgen, hier in Deutschland und auf der ganzen Welt.
Endlich besteht die Chance für einen internationalen Abrüstungsprozess. Spätestens mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den US-Präsidenten Obama und mit seiner historischen Rede in Prag sind einmalige Rahmenbedingungen für eine atomwaffenfreie Welt geschaffen. Die größte Atommacht unterstützt diese Vision und ist bereit, konkrete Schritte zur Reduzierung ihres Atomwaffenarsenals einzuleiten. Herr Kiesewetter, sich daran nicht zu beteiligen, wäre ein deutscher Sonderweg und doch reichlich abstrus;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Zuhören!)
denn wir dürfen uns nicht damit bequemen, beifällig auf die USA zu blicken. Nukleare Abrüstung und sicherheitspolitisches Umdenken beginnen vor der eigenen Haustür. Nur wer selbst bereit ist, ohne den vermeintlichen Schutz von Atomwaffen zu leben – ich finde, das ist kein Schutz, sondern ein Sicherheitsrisiko –, kann von anderen verlangen, dass sie dies auch tun. Deshalb muss die Bundesregierung endlich den Weg für ein atomwaffenfreies Deutschland und ein Deutschland ohne nukleare Teilhabe freimachen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Im Koalitionsvertrag habe ich wirklich nur wenig Gutes und Sinnvolles gefunden. Doch ich habe einen Satz entdeckt, der mich sehr gefreut hat. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag:
… im Zuge der Ausarbeitung eines strategischen Konzeptes der NATO werden wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden.
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sehen Sie!)
Daran möchten wir Grüne Sie jetzt freundlich, aber auch mit Nachdruck, erinnern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist auch zu begrüßen, dass der Außenminister mit Hillary Clinton über dieses Thema gesprochen hat.
Doch nun muss etwas geschehen, insbesondere, da die USA eine Modernisierung ihrer Atomwaffen beschlossen haben. Im Haushaltsjahr 2010 sollen mindestens 32,5 Millionen US-Dollar investiert werden, um zu untersuchen, wie atomare Fliegerbomben des Typs B 61 modernisiert werden können. Beim Jagdbombergeschwader 33 der Luftwaffe in Büchel in Rheinland-Pfalz lagern Waffen genau dieses Typs im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO.
Anfang 2010 wird die US-Regierung den Bericht zur Zukunftsplanung des US-Nuklearwaffenpotenzials vorlegen, und sie könnte dort nach Ansicht von Experten bestätigen, dass eine neue Bombe erforderlich ist. Dann sollen weitere 15 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt werden.
Deshalb muss die Bundesregierung nun dringend Fakten schaffen. Es geht nicht, abzuwarten, bis es zu spät ist. Die Bundesregierung sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, um ihr Image und auch das der vorherigen Bundesregierung, immer nur alles auszusitzen und zu reagieren, wenigstens in diesem Punkt zu widerlegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das Motto der Stunde ist daher: Taten statt Warten. Deshalb muss der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland unverzüglich angepackt werden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Malczak, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Dazu gratulieren wir Ihnen recht herzlich, und ich gratuliere Ihnen auch persönlich für die erste Rede. Es schaffen nicht viele Kolleginnen und Kollegen, von vornherein in der Redezeit zu bleiben.
(Beifall)