Bundestagsrede 13.02.2009
Verbraucherpolitischer Bericht 2008
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt hat die Kollegin Ulrike Höfken das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Ulrike Höfken(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die CDU/CSU hat in den Zeiten von Rot-Grün jahrelang als Blockierer im Bundesrat gesessen, sie hat jede Novelle und jede Reform im Bereich Verbraucherschutz blockiert,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Bleser [CDU/CSU]: Wir haben nur den größten Unsinn verhindert!)
aber jetzt tritt hier Frau Aigner auf nach dem Motto "Hier werden Sie geholfen". Was ist denn das für ein Niveau?
Frau Künast und Rot-Grün haben in den entsprechenden Bundesämtern neue Strukturen geschaffen und damit Meilensteine gesetzt, Stichworte: Eierkennzeichnung, Gentechnikgesetz, Verbraucherschutz bei der Altersvorsorge. Letztendlich gilt nicht das, was in irgendwelchen Schubladen von Ministerien landet, sondern das, was als Vorschlag öffentlich diskutiert wird,
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Nein, das, was verabschiedet wird!)
etwa der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, wie es hätte aussehen sollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Aigner, gut gemeint ist nicht gut gemacht. Nach mehr als 100 Tagen Amtszeit sollten Sie nicht als – so wurde getitelt – "Ministerin der Konjunktive" in die Geschichte des Bundestages eingehen. Wir haben unsere Kritik am Verbraucherinformationsgesetz schon lange ganz klar geäußert. Herr Goldmann und die Damen und Herren von der SPD und der Linken, wir sollten gemeinsam zu einer Reform kommen. Es ist doch offensichtlich, dass dieses Verbraucherinformationsgesetz nur noch in Anführungsstrichen existiert und zu einem Verhinderungsgesetz geworden ist: Es wirkt gegen die Informationsfreiheit, die unseren Bürgern zusteht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])
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Das hat auch die Umfrage von Foodwatch gezeigt:
Knapp 80 Prozent aller Anfragen blieben unbeantwortet, die schwarzen Schafe wurden fast nie genannt, gesetzliche Fristen teilweise massiv überschritten und in einigen Fällen Gebühren von mehr als 1 000 Euro festgesetzt.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie haben eine Kampagne gemacht!)
Auf diese Art und Weise bleibt doch jeder Wissensdurst der Verbraucher auf der Strecke. So können wir nicht mit den Leuten umgehen. Wir brauchen hier eine Reform, und zwar noch in dieser Legislaturperiode.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Höfken, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klöckner zulassen?
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön.
Julia Klöckner (CDU/CSU):
Herzlichen Dank. – Ist Ihnen bewusst, Frau Höfken, dass der Gesetzentwurf zum VIG von Frau Künast vorsah, dass generell kostendeckende Gebühren erhoben werden sollten? Ist Ihnen das bekannt? Wenn nicht, würde ich Ihnen den abschließenden Entwurf des VIG von Frau Künast gerne in Ihr Büro schicken.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Was soll das jetzt?)
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Klöckner, Sie haben das jetzt zum 99. Mal gesagt.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Dadurch wird es nicht falsch!)
Diese Regelung ist ein Ergebnis der Verhandlungen mit dem Bundesrat. Sie haben sie auf Biegen und Brechen durchgedrückt, kritisieren sie jetzt aber quasi in Umkehrung der Tatsachen. Ich würde Ihnen vorschlagen, einmal in einen Spiegel zu schauen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist doch Ihr Gesetzentwurf!)
Frau Klöckner, Sie dürfen sich wieder setzen.
Bei der Lebensmittelkennzeichnung war es das gleiche Spiel. Minister Seehofer hat hier herumgehampelt, aber es ist doch ganz klar: Es gibt 800 000 adipöse Kinder. Das heißt, es gibt ganz schwerwiegende Fehlentwicklungen im Bereich der Ernährung. Hier muss gehandelt werden.
(Mechthild Rawert [SPD]: Das tun wir mit der Reform!)
Der Direktor der Charité hatte recht, als er sagte: Es handelt sich um Körperverletzung, Kinder eine solche Entwicklung nehmen zu lassen. Die Ampel-Kennzeichnung ist bestimmt keine Patentlösung, aber sie bietet Orientierung. Sie können sich hier nicht hinter der EU verstecken. In Ihrem eigenen Bericht äußern Sie, Frau Ministerin, dass den Etikettierungs- und Kennzeichnungsvorschriften eine enorme Bedeutung zukommt. Handeln Sie auch danach, und verstecken Sie sich nicht hinter der EU!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein Beispiel für die Missachtung geltender Gesetze und bestehender Verordnungen auf der Bundesebene ist der Umgang mit der ESL-Milch. Die Bezeichnung "länger haltbar" soll jetzt zusätzlich zu dem Aufdruck "Frischmilch" als freiwillige Kennzeichnung eingeführt werden. Das finde ich unglaublich. Erstens werden damit – das ist doch ganz klar – die Verbraucher irregeführt. Zweitens wird echte Frischmilch, die ja mehr Vitamine enthält und deren Produktionsprozess mehr Geld kostet, die also insgesamt ein besseres Produkt ist, schlichtweg vom Markt gedrängt. Dem leisten Sie Vorschub, indem Sie, wie ich finde, in unverantwortlicher Weise gegen bestehende Gesetze eine derartige freiwillige Kennzeichnung dulden. Ich denke, das geht nicht an, wie hier mit Kennzeichnungs- und Etikettierungspflichten umgegangen wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD] – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wie viel Redezeit hast du eigentlich? Es sind doch nur vier Minuten!)
Sehenden Auges wird hier eine Marktbereinigung zulasten der Verbraucherinteressen akzeptiert.
Ein letztes Wort zum Thema Nanotechnologie. Wir haben eine Reihe von Veranstaltungen und Kongressen dazu durchgeführt. Wir wissen inzwischen, dass viele entsprechende Produkte auf dem Markt sind. Diese Produkte sind aber nicht zugelassen. Ich finde, hier dürfen die Menschen nicht zu unfreiwilligen Versuchskaninchen werden. Wir brauchen dringend eine Regelung für die Zulassung dieser Produkte. Die Vorlage entsprechender Risikobewertungen darf nicht weiter verzögert werden. Ich fordere Sie auf, hier schnell etwas zu tun.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)