02.03.2018

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ullrich, Sie haben hier in Ihrer Rede das Hohelied des Freihandels gesungen. Das hat mich bei der FDP auch gar nicht verwundert. Weil es aber die erste Debatte in dieser Legislaturperiode ist, die wir miteinander führen, will ich es einmal klarstellen: Darum geht es in dieser Debatte nicht.

(Otto Fricke [FDP]: Das entscheiden Sie?)

– Ich erkläre Ihnen das auch.

(Otto Fricke [FDP]: Ja, klar! Wollen Sie eine Note geben?)

Ich würde sagen, fast alle Fraktionen in diesem Haus – bei der AfD bin ich mir nicht so sicher; die Rede war etwas wirr – haben kein Problem damit, dass kanadische Waren auf dem europäischen Markt verkauft werden. Es geht hier um ein konkretes Abkommen und um die Frage, ob dieses Abkommen ein gutes Abkommen ist und ob es geeignet ist, die Globalisierung gerecht zu gestalten. Das diskutieren wir hier. Weil in der Debatte schon so oft der Vorwurf gefallen ist: Es geht nicht um die Frage pro oder kontra Freihandel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass der Austausch von Waren eine sinnvolle Sache ist, darin ist sich dieser Bundestag eigentlich einig.

Ein zweiter Punkt, der an Sie gerichtet ist, Herr Kollege Westphal. Ich bin Ihnen ausnahmsweise einmal dankbar, und zwar dafür, dass Sie die Ratifizierung von CETA ganz offensichtlich verzögern werden. Das ist eine sehr gute Sache; denn es gibt uns die Chance, je nachdem, wie lange die GroKo-Verhandlungen dauern werden, gegebenenfalls im Rahmen von Koalitionsverhandlungen durchzusetzen, dass dieses Abkommen nicht ratifiziert wird. Das ist das, was wir hier tun müssen. Wir müssen CETA bewerten. Meine Fraktion hat CETA bewertet. Wir haben dieses Abkommen in diesem Bundestag vier Jahre lang intensiv diskutiert. Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier vorlegen, ist ein schlechtes Abkommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich werde Ihnen auch gleich erläutern, welche Regelungen schlecht sind. Aber – das möchte ich vorher noch sagen – es ist außerdem ein Abkommen, das angesichts dessen, was wir hier auf der Welt erleben, gerade auch im Bereich der Wirtschafts- und Handelspolitik, überhaupt nicht in der Lage ist, Globalisierung gerecht zu gestalten. Unter dieser Latte läuft es einfach durch. Es ist der wahre Skandal, dass Sie dieses Abkommen in dieser Form vorlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bringe Ihnen einige Beispiele dafür, was in diesem Abkommen schlecht ist. Sie führen die Schaffung von Schiedsgerichten ein. Wir haben hier im Deutschen Bundestag und auch in Anhörungen darüber gesprochen, dass Sie versucht haben, die Schiedsgerichte umzubenennen und aus ihnen einen Schiedsgerichtshof zu machen.

(Markus Töns [SPD]: Quatsch!)

Es ist aber trotzdem das alte System der Schiedsgerichte mit den missbrauchsanfälligen materiellen Rechtsgrundlagen; Stichwort: Fair and Equitable Treatment.

Wir hatten dazu eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, in dem versucht wurde, zu erklären, was damit eigentlich gemeint ist. Alle Experten haben gesagt: Das kann man nicht konkretisieren. Alle Versuche, dies zu konkretisieren, werfen weitere Fragen auf.

Kein Mensch kann uns erklären, warum man mit Kanada, einem Rechtsstaat, ein solches Schiedsgerichtssystem braucht. Sie haben sich in den letzten Jahren einen abgebrochen, um uns zu erklären, dass es eine negative Signalwirkung hätte, wenn man die Schaffung von Schiedsgerichten in das Abkommen mit Kanada nicht aufnehmen würde, weil dann China und andere Länder kämen und auch in ihren Abkommen keine Schiedsgerichte haben wollten. Und jetzt reden Sie über Mandate mit Australien und Neuseeland, und die Schaffung von Schiedsgerichten ist in diesen Abkommen nicht vorgesehen. Komisch! Da geht es auf einmal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Westphal [SPD]: Das ist aber nicht abgeschlossen!)

Ich finde, wenn man sich selbst ernst nimmt, dann sollte man zumindest jetzt einmal darüber nachdenken, ob man mit Blick auf Kanada vielleicht noch nachverhandeln muss.

Sie schwächen den Verbraucherschutz und das europäische Vorsorgeprinzip. Wie lange haben wir hier in diesem Haus darüber gesprochen, dass es nicht ausreichend ist, wie Sie das Vorsorgeprinzip im Vertrag verankern?

(Gerald Ullrich [FDP]: Das steht explizit drin!)

Wir haben Ihnen sogar einen konkreten Formulierungsvorschlag gemacht, wie man es besser machen kann. Nichts ist passiert. Sie stecken die Städte und Gemeinde in die Zwangsjacke, wenn Sie die Dienstleistungen liberalisieren.

(Bernd Westphal [SPD]: Unsinn!)

Ganz ehrlich: Wie naiv muss man sein, in Zeiten der Digitalisierung zu glauben, dass man eine Liste vorlegen kann, in der man abschließend regeln will, was kommunale Daseinsvorsorge ist? Genau das tun Sie mit CETA.

Sie können noch nicht einmal garantieren, dass wir Parlamentarier, diejenigen, die gewählt wurden, um die Regeln in diesem Land mitzubestimmen, bei der Weiterentwicklung des Abkommens in ausreichender Form beteiligt werden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mich hat es anderthalb Jahre gekostet, um Ihnen überhaupt erst einmal verständlich zu machen, dass es in diesem Vertragstext ein Problem gibt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich Ihnen: Es ist Zeit, dass Sie dieses Abkommen überarbeiten. Es ist Zeit, dass Sie nicht nur die Probleme beheben. Vielmehr ist es Zeit, dass Sie richtig regulieren. Wir müssen den Menschen erklären, warum Sie immer mit zweierlei Maß messen, wenn es um das tägliche Leben der Menschen auf der einen Seite und die Regulierung von großen Konzernen auf der anderen Seite geht.

Gehen Sie doch einmal das Thema Geldwäsche an! Gehen Sie doch einmal das Thema Steuerhinterziehung an!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gehen Sie doch einmal das Thema faire Regeln für den Wettbewerb gegen Marktmacht an! Machen Sie endlich einmal das Pariser Klimaschutzabkommen zum Gegenstand der Handelspolitik.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Setzen Sie sich endlich einmal dafür ein, dass wir über Produktionsstandards im sozialen Bereich, bei der Arbeit und bei der Umwelt sprechen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das würde nämlich wirklich zu fairen Wettbewerbsbedingungen in der Globalisierung führen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das alles haben Sie nicht geschafft. Daran müssen wir Sie messen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)