Rede von Katja Dörner Vorgeburtliche genetische Bluttests

11.04.2019

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Gemeinsame Bundesausschuss hat uns eine konkrete Frage gestellt, und die kann ich für mich auch konkret beantworten: Wenn die Krankenversicherung invasive Methoden zur Feststellung von Trisomie 21 bezahlt, dann gibt es keinen Grund, nichtinvasive Methoden nicht zu bezahlen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

Die Debatte, die wir führen müssen, geht aber weit über diese Frage hinaus. Ich bin mir sicher: Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen hier wollen eine Gesellschaft, in der Kinder mit Behinderung selbstverständlich genauso willkommen sind wie Kinder ohne Behinderung. Ich möchte das.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Und wenn wir das wollen, dann müssen wir uns fragen: Warum entscheiden sich Schwangere gegen ein Kind mit Behinderung? Warum trauen sich Eltern ein Leben mit einem behinderten Kind nicht zu, und was können wir tun, damit das anders wird?

Ich bekomme oft Schreiben von Eltern behinderter Kinder. Sie berichten mir von sehr viel Glück. Sie berichten mir aber auch von ihrem aufreibenden Alltag. Sie berichten vom ewigen Tauziehen mit der Krankenversicherung, dem Rehaträger, vom Zuständigkeitswirrwarr zwischen Jugendamt und Sozialamt und davon, dass die Grundschule ihr Kind nicht aufnimmt, obwohl es so gerne mit den Kindern aus dem Kindergarten in die Grundschule gehen würde und das ja auch selbstverständlich könnte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Für die Eltern selbst, vor allem für die Mütter, ist Berufstätigkeit, wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich. Altersarmut ist für viele vorprogrammiert. Das klingt krass, ist aber Fakt, und ich finde, das muss hier gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wichtigste ist: Das darf nicht so bleiben. Wir haben die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Wir sind verpflichtet, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Nur wenn Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft nicht länger diskriminiert werden und ihre Rechte selbstverständlich voll wahrnehmen können, dann können sich werdende Eltern auch wirklich frei entscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Darum muss es uns gehen: eine freie Entscheidung für oder auch gegen eine Schwangerschaft, aber nicht für oder gegen dieses Kind.

Ich bin davon überzeugt, dass es letztendlich nicht entscheidend sein wird, wer welche Tests für wen bezahlt. Es ist entscheidend, ob werdende Eltern sich darauf verlassen können, dass ihr behindertes Kind ein gutes Leben hat und dass sie auch selber ein gutes Leben haben. Dafür zu sorgen, das ist doch unsere Aufgabe. Ich würde mich sehr freuen, wenn es uns das gelingt und wenn wir aus dieser Debatte die Verpflichtung mitnehmen würden, genau das umzusetzen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN und der Abg. Katja Suding [FDP])