Rede von Filiz Polat Die Werkstattgespräche CDU und Asylpolitik der Bundesregierung

14.02.2019

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Menschen aus der Zivilgesellschaft, die an Ihrem Werkstattgespräch teilgenommen haben, habe ich während Ihrer Tagung einige SMS bekommen,

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Gut vernetzt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

und ich las als Kommentare: „Ich dachte, ich bin auf einer AfD-Veranstaltung“ oder „Mir ist schlecht; das Mittagessen lasse ich aus“.

(Lachen bei der AfD)

Dass am Montagabend sogar Beatrix von Storch über Twitter Blumen mit Glückwünschen schickte – ihre Rede hat das ja auch noch mal gezeigt –, sagt schon einiges darüber aus, welche Ergebnisse dort am Montagnachmittag vorgetragen wurden. Das war doch ganz klar – auch von Ihnen, Herr Seif; das hat sich bestätigt – ein Koalitionsangebot von beiden Seiten; Sie haben einen Schulterschluss gemacht. Das ist wirklich sehr, sehr traurig; das ist ein trauriger Tag für Deutschland gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: So leicht sind wir nicht zu haben!)

Es ist insbesondere für die Migrationsgesellschaft beängstigend, wenn die größte Fraktion im Deutschen Bundestag, meine Damen und Herren, für ihre Migrationspolitik Applaus von einer Partei bekommt – das haben wir gerade eben bestätigt bekommen –, die vor kurzem zum Prüffall des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde.

(Zuruf von der AfD: „Prüffall“!)

Abschottung, Abschreckung, Abschiebung – die Kollegin Jelpke hat es gesagt –: Das sind und bleiben die Grundpfeiler der Migrations- und Flüchtlingspolitik der Union. So gewinnt man kein Vertrauen zurück, wie Sie das ja versuchen. So gestaltet man keine Einwanderungsgesellschaft. So spaltet man eine Gesellschaft, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wir wollen auch keine Einwanderungsgesellschaft!)

Das war eine verlorene Chance für einen Neuanfang, den Sie ja machen wollten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie haben jedoch gezeigt, dass Sie sich weiter von der Zivilgesellschaft entfernen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wer hat Sie denn gewählt?)

Sie entfernen sich von einer Zivilgesellschaft, die sich für eine menschenrechtsorientierte Politik in Deutschland einsetzt. Sie entfernen sich von den Migrantinnenorganisationen, die diese Migrationsgesellschaft mitgestalten wollen. Sie entfernen sich von den „neuen deutschen organisationen“, von den Gewerkschaften, von den Wohlfahrtsverbänden, von den vielen Unternehmen, die Ihnen jetzt Briefe für ein Bleiberecht von Geduldeten schreiben. Sie entfernen sich von den Kirchengemeinden, der Bürger/-innenbewegung, der Seebrücke, den Kommunen, die zu Städten der Zuflucht werden. Es werden immer mehr, meine Damen und Herren. Reihen Sie sich bei #unteilbar mit der Botschaft „Teilhabe statt Ausgrenzung“ ein!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE] – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Fragen Sie einfach mal die Menschen!)

Frau Jelpke hat es gesagt: Mit dem neuen Referentenentwurf – das ist nur ein Punkt, den ich herausgreife, weil er die Spitze des Eisbergs ist – gießt die Union ihren Angriff auf die Zivilgesellschaft – anders kann man das nicht nennen –

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Hallo! – Marian Wendt [CDU/CSU]: Rechtsstaat!)

und auf die Geflüchteten und Geduldeten in diesem Land in Gesetzesform. Kirchengemeinden und Flüchtlingsinitiativen, die sich aus gutem Grund gegen eine Abschiebung – zum Beispiel nach Afghanistan – engagieren,

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Alles ungesetzlich!)

drohen Sie jetzt – Frau Kollegin Jelpke hat es gesagt – mit einer Gefängnishaft von bis zu drei Jahren. Das kann nicht Ihr Ernst sein, meine Damen und Herren.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Weil sie gegen das Gesetz verstoßen! Verstoß gegen das Gesetz!)

Sie verabschieden sich von unserem Rechtsstaat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nur weil bei Ihnen die Stimmung schlecht ist, müssen Sie die Stimmung in Deutschland nicht schlechtreden. In den letzten Monaten haben doch mehrere Studien gezeigt, dass die Mehrzahl der Menschen in Deutschland die Vielfalt unserer Einwanderungsgesellschaft positiv betrachtet

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Träumen Sie weiter!)

und dass die Mehrzahl der Menschen in Deutschland beim Thema Integration optimistisch ist und findet, dass Geflüchtete zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen werden –

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Alles Facharbeiter!)

so jüngst noch eine Studie der Stiftung Mercator, und der Sachverständigenrat sagt das auch.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genau!)

Meine Damen und Herren, warum redet die Union Deutschland denn so schlecht?

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Sie reden Deutschland schlecht! – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Und das aus Ihrem Munde! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ausgerechnet die Grünen, die Deutschland immer schlechtreden und die Industrie ruinieren!)

Warum honorieren Sie nicht das Engagement der Zivilgesellschaft und Geflüchteten, statt sie mit Ihrer unsäglichen Bürokratie weiter zu frustrieren? Frau Amtsberg spricht in jeder Innenausschusssitzung an, dass die Reform des BAMF dringend notwendig ist. Warum bestrafen Sie die Unternehmen, die Sie 2015 aufgerufen haben, Geflüchtete zu integrieren, indem Sie ihnen jetzt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Werkbank weg abschieben? Warum schauen Sie nicht endlich nach vorne und machen Schluss mit Ihrer toxischen Beziehung zu Ihrer Vergangenheit?

Dieses Land braucht eine inklusive Integrationsoffensive, die gesellschaftliche und politische Teilhabe für alle ermöglicht.

(Jürgen Braun [AfD]: Dumm-schreckliche Phrasen! Phrasen! Nichts anderes!)

Dafür brauchen wir endlich die notwendigen Reformen und den erforderlichen Bürokratieabbau im Integrationsbereich. Dafür brauchen wir ein verbessertes Bleiberecht für Geflüchtete, und dafür brauchen wir, meine Damen und Herren – das geht auch in Richtung SPD –, ein Einwanderungsgesetz, das seinen Namen auch verdient.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, suchen Sie nicht weiter den Schulterschluss mit der Politik der AfD! Richten Sie den Blick endlich nach vorne, und stellen Sie die Weichen für positive und pragmatische Lösungen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)