Rede von Ottmar von Holtz Megastaudamms „Stieglers Schlucht“

17.01.2019

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Einzigartigkeit des Selous-Wildreservats in Tansania ist hier schon einiges gesagt worden. Wir alle sind uns sehr schnell einig darin, zu sagen: Liebe Regierung in Tansania, lasst dieses UNESCO-Weltnaturerbe unberührt! Opfert es nicht einem gigantischen, zweifelhaften Infrastrukturprojekt! – Natürlich schließen wir Grüne uns diesem Aufruf an. Die beiden Anträge, über die wir heute abstimmen, sprechen in der Tat eine sich anbahnende Katastrophe an. Der Staudamm wäre nicht nur ein ökologisches und soziales, sondern auch ein ökonomisches Desaster. Aber ich finde, dass die Anträge auch in zweierlei Hinsicht sehr nachdenklich stimmen.

Erstens werfen die Anträge Fragen auf, die immer wieder kontrovers diskutiert werden: Ist das Bevormundung? Wie halten wir es mit der Konditionalisierung von Entwicklungsgeldern? Wir sagen: Wir haben das Wild­reservat mit zweistelligen Millionenbeträgen gefördert. Dürfen wir dann jetzt auch einfordern, dass es so bleibt, wie es ist? Wer das Geld hat, hat das Sagen? Das sind keine einfachen Fragen.

Tansania hat ein Stromproblem. Es muss dieses Problem lösen, um Wachstum und Beschäftigung zu ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

„Wachstum“ und „Beschäftigung“, diese beiden Begriffe verwende ich in diesem Zusammenhang ganz bewusst; denn Wachstum und Beschäftigung sind auch immer Begründungen bei uns in Deutschland für Infrastrukturprojekte.

Das bringt mich zu meinem zweiten nachdenklich stimmenden Punkt, zu unserer Glaubwürdigkeit. Wir sind von hier, vom globalen Norden aus, immer schnell dabei, zu urteilen, wenn es um Arterhaltung, Umwelt- und Naturschutz weit entfernt von uns geht. Aber wie sieht es denn bei uns zu Hause aus? Ich komme aus Niedersachsen. Da gibt es zwei Reizwörter: Autobahnen und Wolf.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Und Windräder ohne Ende!)

In Afrika dürfen keine Elefanten, Löwen oder Leoparden erlegt werden, auch wenn sie täglich irgendwo in Afrika in irgendwelchen Dörfern Menschen bedrohen. Doch die Entnahme des Wolfes, wie man das hier so verschämt nennt, soll kein Problem sein? Dabei ist der Wolf in Europa genauso geschützt wie Elefanten, Löwen und Leoparden in Afrika.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Den Kollegen Ferlemann, der ebenfalls aus Niedersachsen kommt – er ist nicht anwesend –, hätte ich gerne gefragt, wie er das einschätzt, da er sich doch so eindringlich für Autobahnen quer durch die Lüneburger Heide und das Marschgebiet entlang der Küste einsetzt, deren Kosten-Nutzen-Analysen sehr zweifelhaft sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Glyphosat wäre ein anderes Reizwort. Hier auch völlig passend: Einen schönen Gruß an RWE und den Hambacher Wald!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Christoph Hoffmann [FDP]: Das ist ein anderer Maßstab!)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, Ihr Antrag ist gut. Von grüner Seite aus können wir ihm guten Gewissens zustimmen. Dass sich CDU und CSU so eindringlich für einen Mix aus erneuerbaren Energien und dezentraler, lokaler Stromerzeugung einsetzen, hätten wir kaum für möglich gehalten. Das unterstützen wir natürlich gerne. Gut finde ich auch, wie differenziert Ihr Angebot an die tansanische Regierung ist. Damit begegnen Sie dem Problem, das ich eingangs ansprach, nämlich der Gratwanderung zwischen Bevormundung und berechtigtem Einsatz für die Sache.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel?

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein. – Jetzt müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, noch genauso viel Entschlossenheit beim Kohleausstieg und bei der Umsetzung der Energiewende hier bei uns zu Hause zeigen wie beim Selous-Wildpark. Das wünsche ich mir.

Zum Antrag der FDP. Lieber Herr Kollege Dr. Hoffmann, ich schätze Ihren Einsatz für die Sache sehr. Aber ich habe schon im Ausschuss gesagt: Ein Gaskraftwerk zu fordern, das die nächsten 50 Jahre fossile Brennstoffe verheizt, werden wir leider ablehnen müssen.

(Christian Dürr [FDP]: Was wäre denn Ihre Lösung, außer zu allem Nein zu sagen?)

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Josip Juratovic [SPD])