Rede von Katja Dörner Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte

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06.06.2019

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir feiern in diesem Jahr ein großartiges Jubiläum. Vor 30 Jahren haben sich die Vereinten Nationen auf einen Katalog von 54 Artikeln verständigt, der die Rechte von Kindern weltweit festschreibt, der jedem Kind, unabhängig davon, wo es herkommt, wo es lebt, unabhängig von seinem familiären, kulturellen oder ethnischen Hintergrund gleiche Rechte garantieren soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die UN-Kinderrechtskonvention ein zivilisatorischer Meilenstein ist, auf den wir stolz sein können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die UN-Kinderrechtskonvention konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte für die besondere Gruppe der Kinder und Jugendlichen. Die Weltgemeinschaft hat also schon vor 30 Jahren anerkannt, dass Kinder eben keine kleinen Erwachsenen sind, dass sie andere Anforderungen an den Staat stellen und dem Staat gegenüber auch spezielle Rechte haben müssen.

Weil Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, wurden ihre Rechte in der UN-Kinderrechtskonvention konkret festgeschrieben. Ganz zentral sind dabei das Recht eines jeden Kindes auf Schutz, das Recht auf die Förderung seiner Entwicklung, das Recht auf Beteiligung und die Verpflichtung, die Interessen und das Wohl des Kindes bei allen sie betreffenden Angelegenheiten besonders in den Vordergrund zu rücken, sie vorrangig zu berücksichtigen.

Diese zentralen Rechte der UN-Kinderrechtskonvention haben wir in unserem Gesetzentwurf aufgegriffen. Die Aufnahme dieser Rechte in unser Grundgesetz wäre ein Meilenstein für ein kindergerechtes Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum 30. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention sollten wir diesen Schritt gehen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, nun sagen ja einige: Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz würde den Kindern gar nichts bringen. – Ich halte das für falsch. Wir alle wissen auch, dass eine Grundgesetzänderung, die Aufnahme der Rechte der Kinder ins Grundgesetz, keinen Automatismus auslöst im Sinne von: wenn A, dann B. Aber die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ermöglicht ganz konkrete Fortschritte und ganz konkrete Änderungen. Ich will sagen: Mit starken Rechten im Grundgesetz würden wir den Staat beispielsweise endlich dazu verpflichten, auf allen Ebenen konsequent gegen Kinderarmut vorzugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, und trotzdem ist jedes fünfte Kind arm oder von Armut bedroht. Dieses Problem wäre lösbar, wenn wir die Weichen in der Politik anders stellen würden, wenn die Bundesregierung das Wohl von Kindern bei ihren Entscheidungen tatsächlich in den Mittelpunkt stellen müsste, wenn Kinder wenigstens konsequent mit ihren eigenen Bedürfnissen wahrgenommen werden müssten.

Kinder einfach als abgeleitete 80‑Prozent-Erwachsene zu behandeln, wie das früher im ALG II der Fall war, wäre dann, wenn wir die Kinderrechte in das Grundgesetz aufnehmen würden, nicht mehr möglich, und das wäre ein großer Fortschritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Mit starken Kinderrechten im Grundgesetz würden wir die Rolle von Kindern in familiengerichtlichen Verfahren stärken. Besonders bewegt hat mich der Fall des Jungen aus Staufen, der Opfer furchtbaren Missbrauchs geworden ist, ein Junge, der in mehreren familiengerichtlichen Verfahren kein einziges Mal angehört wurde, geschweige denn, dass sein Wohl im Vordergrund gestanden hätte. Dieser Fall ist ein besonders schlimmes Beispiel von leider viel zu vielen.

Ich bin mir sicher: Um den Staat darauf zu verpflichten, Kinder besser zu schützen, ist die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ein ganz wichtiger Schritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nun sagen einige: Mit der Stärkung der Kinderrechte würden die Elternrechte beschnitten. – Das Gegenteil ist der Fall. Starke Kinderrechte stärken Eltern; sie stärken Familien darin, Schutz, Förderung und Beteiligung einfordern zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Katja Mast [SPD])

Hier einen Widerspruch aufzumachen, ist falsch und regelrecht widersinnig.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist sinnvoll, die Kinderrechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung und die Orientierung am Kindeswohl in dieser Kombination in unser Grundgesetz aufzunehmen; denn sie hängen eng miteinander zusammen. Das Kindeswohl setzt Beteiligung voraus. Schutz ist dann möglich, wenn Kinder konsequent beteiligt werden, ihr Wille auch etwas zählt und wenn die Voraussetzungen geschaffen sind, dass sie sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln, die ihre Rechte kennen und auch wahrnehmen können.

Unser Grünengesetzentwurf will Kinder stark machen. Deshalb habe ich immer von einer starken Formulierung im Grundgesetz gesprochen; denn auf die Formulierung kommt es hierbei an. Kinderrechte im Grundgesetz dürfen eben gerade keine Symbolpolitik sein. Sie müssen einen echten Mehrwert für die Kinder haben. Und so schön es ist, dass die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz vereinbart hat – ich sage ganz klar: Für eine schwache Formulierung, die den Kindern in diesem Land gar nichts bringt, stehen wir Grüne nicht zur Verfügung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir eröffnen heute die Debatte zumindest an dieser Stelle. Und ich freue mich über den großen Zuspruch, den wir für unser Anliegen aus der Breite der Bevölkerung haben,

(Stephan Brandner [AfD]: Den gibt es nicht! Das bilden Sie sich ein in Ihrer Blase! Alle Vernünftigen sind dagegen!)

von dem großen und immer größer werdenden Bündnis für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz, von vielen Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern und auch aus den Fraktionen hier im Hause, die noch keinen eigenen Antrag eingebracht haben.

(Stephan Brandner [AfD]: Nur die rot-grüne Mischpoke!)

Ich hoffe, dass im Herbst zum 30. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention eine Zweidrittelmehrheit hier im Bundestag und auch im Bundesrat zustande kommt

(Stephan Brandner [AfD]: Definitiv nicht!)

für eine Formulierung im Grundgesetz,

(Stephan Brandner [AfD]: Vergessen Sie es!)

die einen echten Mehrwert für die Kinder in unserem Land bringt.

(Stephan Brandner [AfD]: Das wird nichts! Wollen wir wetten?)

– Ich glaube – Sie können hier so viel reinrufen, wie Sie wollen –, die AfD wird da keine größere und relevante Rolle spielen, und das ist auch gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)