Rede von Canan Bayram Rechte bei Freiheitsentziehung

16.05.2019

Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach dem Eindruck der stattgefundenen öffentlichen Anhörung bleiben entscheidende Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf, die es nicht rechtfertigen, mit Verweis auf eine nicht relevante Frist das Gesetz durchzupeitschen. Unseren Antrag auf Vertagung haben Sie im Rechtsausschuss abgelehnt und somit eine schriftliche Auswertung der Ergebnisse der Anhörung der Sachverständigen verhindert. Dies erklärt auch, warum der Gesetzentwurf so schlecht geblieben ist, wie er bei der Einbringung war.

Nur weil der Titel des Gesetzes suggeriert, dass es zu einer Verbessrung der Rechte der Bürgerin oder des Bürgers kommt, muss das nicht so sein. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben es hier mit einer weiteren Einschränkung von Freiheitsrechten zu tun. Diese Meinung wurde durch die Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung bestätigt.

Der Sachverständige Herr Professor Dr. Alexander Baur von der juristischen Fakultät der Universität Hamburg kommt in seiner Stellungnahme zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass nach wie vor mangelndes Wissen um die Vollzugswirklichkeit – gerade auch im Bereich besonders einschneidender Sicherungsmaßnahmen – dazu führt, dass der vorliegende Gesetzentwurf vielfach mit einer nicht ausreichenden Datenlage arbeitet. Damit stellt der Sachverständige klar, dass auch weiterhin noch nicht abschließend beschrieben werden kann, was der Gesetzgeber denn regeln will, bevor in die Freiheitsrechte eingegriffen wird. Dafür sprechen auch die in den letzten Wochen bekanntgewordenen Todesfälle im Zusammenhang mit Fixierung.

In anderen Worten ausgedrückt: An dieser Stelle wird ein Gesetz geschaffen, von dem wir nicht wissen, in wie vielen Fällen es genutzt wird. In welcher Form genau? In welcher Situation? Wann ist eine Fixierung als Maßnahme notwendig, und mit welcher Maßgabe finde diese dann statt? Eine fortlaufende intensive Evaluation ist vonnöten und sollte mindestens in den Entwurf mit aufgenommen werden.

Weiter kritisierten die Sachverständigen die unzureichend geklärten Aspekte hinsichtlich des Richtervorbehalts. Dieser setzt grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung voraus. Diese Regelung dürfte in der Praxis aber sehr häufig gar nicht möglich sein, weil es sich bei Fixierungen um zeitkritische Krisenmaßnahmen handelt. In einem solchen Fall sei eine richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Dies soll jedoch entbehrlich sein, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird, oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ein Richter muss also gar nicht angerufen werden, wenn die Maßnahme dann beendet ist, wenn der Richter erreichbar wäre. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass der Betroffene im Nachgang darüber informiert wird und die Möglichkeit einer Feststellung der Rechtmäßigkeit hat. Diese Praxis dürfte aber in den meisten Fällen gerade für Menschen in sehr schwierigen persönlichen Situationen nur in Ausnahmefällen und mit aktiver Hilfe von Dritten möglich sein.

Darauf haben uns die Sachverständigen als Gesetzgeber hingewiesen: Klärt doch erst mal, was ihr regeln wollt, bevor ihr die Freiheitsrechte von Menschen beschränkt. Dafür sprechen nicht zuletzt die in den letzten Wochen bekanntgewordenen Todesfälle im Zusammenhang mit Fixierungen.

Wir als Grüne sind in diesem Zusammenhang ganz klar an der Seite der Betroffenen und kämpfen für das Recht auf Freiheit. Diese sind immer noch in der Situation der Freiheitsentziehung. Und für eine weitere Freiheitsentziehung – durch die Fixierung jegliche Bewegungsfreiheit einzuschränken – braucht es ein besseres Gesetz und triftigere Gründe. Daher lehnen wir, als Bündnis 90/Die Grünen, dieses Gesetz ab.