Rede von Dr. Danyal Bayaz Europäische Digitalkonzernsteuer

16.05.2019

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sonntag in einer Woche dürfen wir das nächste Europäische Parlament wählen. Ich empfinde das auch 2019 als großes Privileg. Die Europäische Union ist der Garant für Frieden und Wohlstand – seit den römischen Verträgen vor über 60 Jahren. Aber Populismus und bestehende Unzulänglichkeiten und Schwächen in den europäischen Verträgen untergraben Akzeptanz und Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in die Union. Der Brexit ist eine der schwerwiegendsten Folgen dieser Entwicklung.

Was können wir dagegen tun? Wir müssen stärker die guten Vorschläge aus den europäischen Institutionen unterstützen. Und wir müssen dazu bereit sein, Europa an den Stellen mehr demokratische Macht zu geben, wo Nationalstaaten gesetzgeberisch an Grenzen stoßen.

Deswegen fordern wir Grüne heute im Bundestag ein Bekenntnis zur Einführung einer gemeinsamen europäischen Digitalkonzernsteuer. Und wir fordern ein Bekenntnis zur Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen auf Ebene der EU. Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass große Digitalkonzerne einen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleinen Händlern haben, für ihre Milliardengewinne aber nahezu keine Gewinnsteuern in Europa zahlen.

Wir wollen die EU handlungsfähiger machen, um das Steuerdumping und den aggressiven Steuerwettbewerb einzelner Mitgliedstaaten zu unterbinden. Es liegt nicht allein an den Digitalkonzernen, dass sie keine Steuern zahlen. Es liegt in erster Linie an den Staaten, die die Steuersparmodelle für die Konzerne anbieten. Die gibt es auch in der EU.

Die Union und die SPD können heute beweisen, dass sie die Versprechen ihrer Europaspitzenkandidaten ernst meinen. Denn das ist der wichtigste Schlüssel zum Zurückdrängen populistischer Kräfte: Aufrichtigkeit in der politischen Debatte.

Katarina Barley lässt kaum eine Gelegenheit aus, eine gerechte Steuer für große Digitalkonzerne zu fordern. Eine europäische Digitalsteuer ist Teil des SPD-Europawahlprogramms, ebenso die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen. Wo liegt also das Problem für die SPD? Hier in Berlin. Beide Vorschläge bremst SPD-Finanzminister Olaf Scholz auf europäischer Ebene aus. Er brauchte über ein halbes Jahr, um sich überhaupt eine Meinung zu den Kommissionsvorschlägen für eine europäische Digitalkonzernsteuer zu bilden. Das Ergebnis: Olaf Scholz ging der Kommissionsvorschlag zu weit. Sein halbherziger Vorschlag für eine abgespeckte Steuer auf digitale Werbung wurde von anderen Mitgliedstaaten abgelehnt. Dank des Einstimmigkeitsprinzips in Steuerfragen ist der Prozess in einer Sackgasse. Wie bei der Urheberrechtsreform passen Barleys verbale Bekenntnisse mit dem Handeln der SPD-Bundesminister in Brüssel in keiner Weise zusammen.

Auch der Spitzenkandidat der Union, Manfred Weber, fordert vehement eine europäische Digitalsteuer. Die Union spricht sich in ihrem Europawahlprogramm für die Einführung einer virtuellen Betriebsstätte aus. So sollen die Gigatechkonzerne wie Amazon, Apple und Google dazu gebracht werden, in Europa nicht nur gute Geschäfte zu machen, sondern auch angemessene Steuern zu zahlen. Was Manfred Weber nicht sagt: Die Mittelstandsunion und die Finanz- und Wirtschaftspolitiker der Union lehnen eine Digitalkonzernsteuer auf EU-Ebene ab. Wenn es um das Thema digitale Betriebsstätte geht, verweisen die Unionspolitker im Bundestag auf das bestehende System; das funktioniere ja. Die Große Koalition in Berlin blockiert also genau das, wofür ihre Spitzenkandidaten bei der Europawahl werben. Diese kognitive Dissonanz stärkt Populisten und führt zu Politikverdrossenheit.

Wir aber wollen ein starkes Europa. Und wir wollen den Populisten in der EU den Wind aus den Segeln nehmen. Dazu müssen unseren Worten auch Taten folgen. Wir denken be i der Digitalkonzernsteuer auch an die kleinen und mittleren Firmen in Europa. Die großen Digitalkonzerne haben aufgrund ihrer niedrigeren Steuerquote enorme Wettbewerbsvorteile. Das sagen nicht wir, sondern das belegen Zahlen des IW. Wir wollen fairen Wettbewerb zwischen dem lokalen Einzelhandel und Amazon.

Zudem hätten die Digitalkonzerne ohne unsere Infrastruktur wie Breitbandkabel und 5G kein Geschäftsmodel. Wir sollten also dafür Sorge tragen, dass diese Unternehmen sich auch an der Finanzierung unserer Infrastruktur beteiligen.

Natürlich ist es richtig, auf OECD-Ebene eine möglichst globale Lösung für eine Mindestbesteuerung und gemeinsame Regeln zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu finden. Damit könnten dann vielleicht sogar Olaf Scholz und die FDP leben – die ist immerhin ehrlich in ihrer offenen Ablehnung einer Digitalkonzernsteuer. Auf OECD-Ebene sind sich aber bisher nicht einmal die USA, Großbritannien, China und Frankreich in dieser Frage einig. Ohne den Vorstoß der Kommission für eine Digitalkonzernsteuer gäbe es weiterhin keine Bewegung in der Sache.

Wir wollen deswegen heute den Druck auf den OECD-Prozess weiter erhöhen. Dazu gehört das Bekenntnis für eine gemeinsame europäische Digitalkonzernsteuer. Union und SPD können beweisen, dass die Ankündigungen ihrer europäischen Spitzenkandidaten Gewicht haben. Und wir vermeiden unnötige Zersplitterung und Sonderwege durch nationale Einzellösungen. Die DSGVO hat es vorgemacht. Gemeinsam kann Europa auch in einer globalen Welt etwas bewegen. Stimmen wir daher für eine gemeinsame europäische Lösung!