Rede von Harald Ebner Aktuelle Stunde "Artenschutz"

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10.05.2019

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schon lange schlagen Natur- und Artenschützer Alarm. Ihr Ruf verhallte allerdings vor allem bei dieser Bundesregierung allzu lange ungehört. Das Bienensterben und die Krefelder Studie zum Insektensterben haben eine breite Öffentlichkeit erreicht und gezeigt: Wenn wir das Leben auf diesem Planeten erhalten wollen, müssen wir jetzt etwas tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der neue Bericht des IPBES belegt völlig klar: Unsere Landwirtschaft muss sich ändern, unsere Agrarpolitik muss sich ändern.

(Karsten Hilse [AfD]: Und unsere Energiepolitik!)

Wir müssen raus aus dem zur Regel gewordenen Gift­einsatz, raus aus strukturverarmten Landschaften ohne Baum und Strauch, runter von zu viel Nitrat auf dem Feld. Wir müssen rein in strukturreiche, blütenreiche, vielfältige Kulturlandschaften, die unsere Lebensgrundlagen erhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt schon seit Jahren auf dem Tisch. Die deutschen Wissenschaftsakademien, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der Sachverständigenrat für Umweltfragen und viele andere sagen klar: Landnutzung ist ein Haupttreiber des Artensterbens. – Wer trotz dieser Expertise den Schuss nicht gehört hat, für den muss der IPBES-Bericht jetzt wirklich wie ein Meteoriteneinschlag sein.

Alle fordern doch immer wissenschaftsbasierte Entscheidungen. Ja, schön, richtig, nur zu! Beim Artenschutz weigert sich diese Regierung aber immer noch, den Fakten zu folgen und Konsequenzen zu ziehen. Wenn es um die Landwirtschaft als Haupttreiber des Problems Artensterben geht, dann machen Agrarministerin Klöckner, Bauernverband und Co die Schotten dicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So ist es, lieber Kollege de Vries und lieber Kollege Klaus-Peter Schulze. – Wo ist er denn? Ist er weg? – Da ist er. Kollege Klaus-Peter Schulze, Kleinreden und Ablenken helfen hier nicht. Kehren wir doch mal vor der eigenen Haustüre.

(Karsten Hilse [AfD]: Dafür haben Sie jetzt Herrn Schulze gesucht, für diese Phrase? Wahnsinn!)

Frankreichs Präsident Macron hat am Dienstag konkrete Maßnahmen vorgestellt. Was macht Frau Klöckner? Frau Klöckner will prüfen, auswerten, abwarten. Was gibt es denn da, bitte schön, noch zu prüfen?

Ein Bericht des Thünen-Instituts legt klar die Vorteile des Ökolandbaus im Hinblick auf die Biodiversität auf den Tisch, aber der Ökolandbau bleibt Stiefkind der Regierung. Überdüngung schadet der Artenvielfalt, doch zu einer besseren Düngeverordnung muss sich diese Regierung per Strafzahlung zwingen lassen. Das wollen Sie doch nicht als wissensbasierte Politik verkaufen. Das nimmt Ihnen keiner mehr ab.

Beim Glyphosat-Ausstieg ist die Bundesregierung keinen Schritt weitergekommen. Im Gegenteil: 100 Glyphosat-Produkte sind zugelassen worden, auf wirksame Strategien zur Pestizidreduktion warten wir seit langem, und echte Forschung zum alternativen Pflanzenschutz ohne Gift findet nicht in nennenswertem Umfang statt, sie fristet ein Nischendasein. Auch da hilft der Blick in unsere Nachbarländer.

Der Spruch von Agrarministerin Klöckner „Was der Biene schadet, muss vom Markt“ war richtig und klasse, aber leider nicht so gemeint, hat uns der Staatssekretär erklärt. In Wahrheit heißt das Motto: Was der Biene schadet, wird zugelassen. – Bienengiftige Pestizide wie Thiacloprid bleiben weiter zugelassen, und die Zulassungsverfahren bleiben mangelhaft. Das ist für die Artenvielfalt fatal. Wir haben es bei den Neonikotinoiden gesehen. Die Bienenleitlinien, die dazu geführt haben, dass diese drei Stoffe vom Markt kamen, werden leider nicht umgesetzt. Das muss sich ändern. Diese Leitlinien müssen umgehend angewendet werden. Das darf nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beim Insektenschutzprogramm gibt es überhaupt nichts außer gegenseitigen Blockaden. Dieses Ressort-Hickhack hilft draußen keiner einzigen Biene, keinem einzigen Schmetterling und keinem einzigen Käfer.

(Karsten Hilse [AfD]: Und keinem einzigen Vogel!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, hören Sie bitte endlich auf, die durch die Agrarindustrie verursachten Umweltprobleme kleinzureden. Dafür haben die meisten Menschen in unserem Land kein Verständnis mehr. Sie wollen eine umweltfreundlichere Landwirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das zeigt die große Beteiligung an Volksbegehren oder Petitionen für bienenfreundliche Politik. Die Kanzlerin muss jetzt den Artenschutz zur Chefsache machen, statt dem Sandkastenchaos in ihrem Kabinett weiterhin tatenlos zuzusehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist noch nicht zu spät. Geben wir einer Landwirtschaft eine Chance, die unsere Lebensgrundlagen erhält und pflegt und damit auch gutes Essen erzeugt. Das können unsere Bäuerinnen und Bauern. Wir müssen dafür die Agrargelder anders verteilen und schädliche Subventionen abschaffen. Hören Sie auf die wissenschaftlichen Beiräte, die genau das fordern: öffentliches Geld für öffentliche Leistung. Reduzieren Sie die Pestizidanwendungen! Ändern Sie die Agrarpolitik! Agrarpolitik muss Umwelt- und Naturschutzpolitik werden. Dann leistet sie auch einen Beitrag zum Artenschutz.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)