Rede von Laura Kraft Aktuelle Stunde „Hochschulen“
Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute intensive Debatten geführt als Bildungspolitiker/-innen. Wir haben zuerst im Ausschuss miteinander über die antisemitischen Vorfälle gesprochen, die es an den Hochschulen gegeben hat, und darüber, was wir tun können. Wir haben uns darüber hinaus mit dem Thema im weiteren Sinne beschäftigt. Wir hatten heute auch eine Regierungsbefragung mit Ihnen, Frau Ministerin, und jetzt sprechen wir hier zu diesem Debattenpunkt. Wir sehen: Es ist gerade sehr viel los in der Hochschullandschaft bei uns in der Bundesrepublik.
(Beatrix von Storch [AfD]: Absolut! – Dr. Götz Frömming [AfD]: So kann man es auch sagen! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sehr viel los, ja!)
Ich möchte eins vorwegsagen: Mareike, ich kenne dich, und ich schätze dich als Politikerin. Ich schätze auch deine Art, mit der du zum Selbstbestimmungsgesetz bisher gesprochen hast. Ich weiß, dass du bisher – so habe ich es in den Debatten erlebt – immer sehr sachorientiert warst, versucht hast, empathisch zu sein, und nie gegen die Menschen gesprochen hast. Das habe ich sehr, sehr geschätzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beatrix von Storch [AfD]: Niemand spricht hier gegen die Menschen!)
Ich finde es inakzeptabel, was da vorgefallen ist und was dir passiert ist.
Vorhin wurde angesprochen, dass da die Grüne Jugend beteiligt gewesen sein soll. Zunächst einmal ist unsere Bundestagsfraktion nicht automatisch damit gleichzusetzen. Sie würden sich ja auch nicht von jeder einzelnen Äußerung, die der RCDS oder wer auch immer tätigt, grundsätzlich distanzieren. Finde ich die Vorgehensweise, mit der das da stattgefunden hat, in Ordnung? Nein, natürlich nicht; denn ich finde es wichtig, dass die Unis ein offener, freier Diskursraum sind und dass sie es weiterhin bleiben. Deswegen finde ich diese Vorgehensweise sehr unglücklich.
(Beatrix von Storch [AfD]: Sehr unglücklich, ja!)
Ich möchte einfach noch mal sagen, dass ich das so in der Sache für inakzeptabel halte.
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Hetzkampagne im Internet!)
Auch mehrere andere Kolleginnen und Kollegen hier haben gesagt, dass das so einfach nicht zu machen ist. Wir sehen einfach, wie sich auch Diskursräume mittlerweile verändert haben. Ria Schröder hat eben eine Rede gehalten, die ich auch sehr unterstützen kann.
Was ich auch noch sagen möchte – ich finde es auch sehr gut, dass Sie das heute noch mal klargestellt haben, Frau Ministerin –, ist, dass Antisemitismus in jedweder Form an den Hochschulen und überhaupt nicht zu dulden ist, dass das inakzeptabel ist und dass wir das nicht dulden werden.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ich denke, das ist Wissenschaftsfreiheit?)
Ich kann mich auch nicht in irgendeiner Weise verständnisvoll zeigen für Pro-Palästina-Demos und Hochschulbesetzungen, wenn dort nicht einmal gesagt wird, dass die Geiseln freizulassen sind. Das ist meine persönliche Meinung an dieser Stelle. Ich habe dafür wenig Verständnis.
Ich habe auch kein Verständnis dafür, wenn Hochschulen, die in diesem Land offen sind und das auch bleiben sollen, wo die Wissenschaftsfreiheit ein sehr, sehr hohes Gut ist, zu Kampfzonen auserkoren werden und letzten Endes vielleicht sogar Hörsäle demoliert werden. Was soll da der Mehrwert sein?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sehr gut!)
Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir alle miteinander – auch im politischen Raum – verbal abrüsten, uns wieder auf einen konstruktiven Weg begeben und da auch konstruktiv miteinander sprechen. Frau Bär, das haben Sie mit Ihren Vorwürfen vermissen lassen. Es gab auch gute Debattenbeiträge, aber bei Ihnen musste ich wirklich den Kopf schütteln. Wir sollten da nicht mit zweierlei Maß messen, und das tun Sie in Bezug auf das Selbstbestimmungsgesetz.
Ich stimme mit den politischen Positionen von Mareike Wulf zum Selbstbestimmungsgesetz überhaupt nicht überein. Aber hier geht es letzten Endes darum: Wie führen wir eigentlich Debatten miteinander? Die müssen immer konstruktiv sein. Sie dürfen nie Menschen verächtlich machen, und sie müssen auch möglich sein.
Hochschulen sind einfach weiche Ziele, weil es offene Debattenräume sind. Wir müssen das erhalten; denn das soll auch so bleiben. Deswegen sprechen wir jetzt hier darüber und haben das heute auch im Ausschuss getan. Das ist einfach wichtig. Aber wir müssen auch alle miteinander schauen: Wie gehen wir damit um?
Abschließend meine Meinung zu dieser Debatte an dieser Stelle. Vielleicht sollten wir auch noch mal auf die Hochschulleitungen schauen. Wir waren doch in den letzten Wochen bei dieser Gesamtthematik, über die wir hier reden, sehr schnell dabei, aus der Politik Forderungen an die Hochschulpräsidentinnen und -präsidenten und Hochschulrektorinnen und -rektoren zu stellen. Wir waren sehr schnell mit Äußerungen auf den unterschiedlichen Plattformen und vielleicht auch in der Presse. Aber vielleicht sollte man eher mal den Telefonhörer in die Hand nehmen. Vielleicht sollten wir alle eher auch mal die Hochschulleitungen fragen, was sie eigentlich brauchen, und ihnen noch mal ganz explizit unser Vertrauen aussprechen, dass sie alles Mögliche tun, um diese offenen akademischen Debattenräume weiterhin zu erhalten. Darum muss es letzten Endes gehen.
Vielleicht braucht es auch mehr Solidarität unter Demokratinnen und Demokraten, sei es auf Bauernprotesten, sei es bei anderen Debatten. Wir haben uns da, glaube ich, alle miteinander nicht viel geschenkt. Das ist eigentlich sehr schade. Wir sollten damit alle miteinander ganz anders umgehen; denn wir sehen ja, wer da versucht, auf einen Steigbügel zu steigen. Die Rechten tragen ja mittlerweile auch an den Hochschulen keine Springerstiefel mehr. Herr Frömming, das wissen wir: Die tragen mittlerweile Anzüge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Stephan Albani [CDU/CSU] – Zuruf von der AfD: Aber Helge Lindh trägt Springerstiefel!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Gruppe Die Linke hat nun die Kollegin Janine Wissler das Wort.
(Beifall bei der Linken)