Rede von Deborah Düring Aktuelle Stunde „Ukraine-Wiederaufbaukonferenz“

Deborah Düring MdB
12.06.2024

Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen wurde ich häufig als Kriegstreiberin an den Wahlkampfständen beschimpft. Und in vielen Gesprächen wurde mir immer wieder gesagt: Wir haben Angst. Wir wollen Frieden. – Ich kann diese Angst verstehen, und ich teile den Wunsch nach Frieden. Wir und besonders die Ukrainerinnen und Ukrainer wollen Frieden.

(Stephan Brandner [AfD]: Frieden schaffen ohne Waffen! War doch einmal Ihr Spruch!)

Aber uns muss klar sein, dass es keinen Frieden geben wird, solange Russland diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortsetzt. Der Kriegstreiber ist Putin. Er kann diesen Krieg sofort beenden. Er tut es aber nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Gestern meinte eine ukrainische Kollegin: „We will not have peace without weapons.“ Und ja, es mag paradox klingen; denn Waffen bringen immer Gewalt. Aber ein Aggressor, der mit massiver Waffengewalt versucht, Grenzen zu verschieben, jegliche diplomatischen Bemühungen seit Jahren boykottiert, dem kann man leider nur militärisch begegnen. Und genau deshalb werden wir die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, damit sie sich selbst verteidigen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und auch wenn wir in der Öffentlichkeit zu Recht häufig über die Notwendigkeit von mehr militärischer Unterstützung reden, ist klar, dass es neben der militärischen Unterstützung eben auch mehr Unterstützung im zivilen Bereich braucht. Denn die ukrainische Gesellschaft kämpft jeden Tag auf unterschiedliche Art und Weise gegen den russischen Angriffskrieg. Es sind die Ärztinnen und Krankenpfleger, die Verwundete in Krankenhäusern behandeln. Es sind die Lehrer, die Schülerinnen weiterhin mit Bildung versorgen. Es sind Therapeutinnen und Sozialarbeiterinnen, die psychosoziale Unterstützung für Traumatisierte leisten. Es sind Personen, die Minen räumen und somit landwirtschaftliche Flächen wieder benutzbar machen. Es sind die Menschen, die Versorgungsstrukturen für Dörfer und Städte reparieren oder aufbauen, damit humanitäre Hilfsgüter bei allen ankommen. All das gehört zum Wiederaufbau und es ist ein elementarer Teil, um eine resiliente Gesellschaft aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Und genau deswegen ist Wiederaufbau Widerstand.

Es ist ein wichtiges Zeichen, dass diese Woche alle relevanten Akteurinnen aus Politik, Zivilgesellschaft, Kommunen und Wirtschaft in Berlin zusammengekommen sind, um einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz für einen kurz- und langfristigen Wiederaufbau zu verfolgen. Denn die Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft zu unterstützen, bedeutet, alle Akteure zu hören, deren Perspektiven ernst zu nehmen und die unterschiedlichen Bedürfnisse umzusetzen. Wir müssen die Stimmen von den unzähligen mutigen Frauen hören, die Perspektive von jungen Menschen ernst nehmen und die Bedürfnisse von Veteranen mit Kriegsverletzungen bei der Umsetzung des Aufbaus, beispielsweise von Häusern, bedenken. Die ukrainische Zivilgesellschaft und die Kommunen sind unsere wichtigsten Partnerinnen beim dezentralen Wiederaufbau mit „Ukrainian ownership“.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Deutschland hat die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 bilateral mit über 33 Milliarden Euro zivil und militärisch unterstützt. Mit diesen Mitteln wurde humanitäre Hilfe geliefert, wurden Generatoren, Kommunalpartnerschaften und erneuerbare Energien gefördert und Luftabwehrsysteme geliefert. Und es ist klar: Je länger dieser Krieg dauert, desto mehr Menschen sterben, desto mehr wird zerstört, und desto höher werden die Kosten auch für den Wiederaufbau. Deutschland arbeitet daran, dass Russland zur Verantwortung gezogen wird, auch was die Wiedergutmachung angeht. Die Nutzbarmachung von eingefrorenem russischen Vermögen und dessen Zinsen sind ein wichtiger Bestandteil in der Frage der Finanzierung.

Aber es braucht auch jetzt mehr Geld. Deshalb ist es richtig, dass sich die internationale Gemeinschaft eng zur Finanzierung des Wiederaufbaus abstimmt. Wir brauchen eine solide Finanzierung für die Bedarfe der Ukraine und müssen auch mehr Mittel in unserem eigenen Haushalt zur Verfügung stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Warum müssen wir das denn?)

Den Widerstand der Ukrainerinnen zu unterstützen, bedeutet, die Breite des Widerstandes zu unterstützen. Der Wiederaufbau ist elementarer Bestandteil dieses Widerstandes. Das gilt es bei allen Debatten – auch bei der militärischen Unterstützung – niemals zu vergessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat Matthias Moosdorf für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)