Rede von Lamya Kaddor Islamistische Organisationen
Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die AfD stellt heute zwei Anträge zu islamistischen Organisationen zur Abstimmung, in denen Begriffe durcheinandergewürfelt, falsche Zusammenhänge konstruiert und noch falschere Schlüsse gezogen werden. So weit, so normal. Sachlichkeit wird zur Nebensache, wenn man eigentlich nur „Remigration“ brüllen will, um den Geifer seiner Anhänger anzustacheln.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Was ist denn das für eine schlechte Rede?)
Wer Millionen Menschen deportieren will, der braucht keine sachlichen Argumente in diesem Land mehr, sondern bloß genügend Rückhalt. Wohin das letzten Endes führt, kann sich ja jeder selbst ausmalen.
Wir, der Rest hier in diesem Hohen Haus – für diesen Hinweis danke ich Ihnen explizit, Herr de Vries –, die diesen Antrag lesen mussten, sollten uns zuallererst zur allgemeinen Versachlichung die Begrifflichkeit noch einmal klarmachen.
Islamismus ist eine politische Ideologie, die aus machtstrategischen Erwägungen heraus eine fundamentalistische Auslegung des Islams zur Grundlage menschlichen Zusammenlebens machen will. Sie ist mit dem Ziel verbunden, gesellschaftliche Kontrolle über Individuen zu erlangen und deren Unterwerfung unter willkürlich festgelegte religiöse Regeln zu erreichen, die aus Koran und Sunna zusammengeklaubt wurden. Dabei legt der Islamismus rassistische, also konstruierte Kriterien an, unterteilt Menschen in gute, bessere und schlechte. Islamisten sind Rassisten.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Mittel, um zum Ziel zu kommen, reichen von Erziehung, politischer Agitation bis hin zu terroristischen Anschlägen. Islamisten kann man vor allem daran erkennen, dass sie den Koran und die Sunna, also die Weisung des Propheten Mohammeds, ohne Kontextualisierung wortwörtlich auslegen wollen, Frauenrechte, aber auch die Rechte jener, die aus ihrer Sicht sündig leben, massiv einschränken wollen, Anders- und Nichtglaubende als Ungläubige verstehen und damit bekämpfen wollen, ihr Verständnis von Gott und der Welt als absolute Wahrheit verstehen wollen, die unverrückbar ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, Islamismus unterteilt sich in verschiedene Strömungen. Eine stellt der Dschihadismus dar. Das arabische Wort „Dschihad“ steht für „Anstrengung“ und „Bemühung“. Dschihadisten verstehen dies so, dass die ganze Welt mit kriegerischen Mitteln
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja! Gruppenvergewaltigungen! Vergewaltigungen von Frauen!)
den religiösen Überzeugungen der jeweiligen treibenden Kraft unterworfen werden soll.
Der überwiegende Teil des religiös-extremistischen Spektrums geht – zumindest nach außen – nichtmilitante Wege, etwa durch gesellschaftliche oder politische Betätigung. Das ist das Spektrum, das andere als „politischen Islam“ bezeichnen. Eine Vielzahl der islamistischen Organisationen in Deutschland versucht genau das. Entsprechend gehen wir in der Bundesregierung gegen diese vor, wie das gestrige Verbot der DMG in Niedersachsen zeigt.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das ist aber kein Handeln der Bundesregierung! Das ist Handeln einer Landesministerin! Die Bundesregierung macht gar nichts!)
Denn tatsächlich bestehen auch bei den großen Islamverbänden, wie beispielsweise der DİTİB, Abhängigkeiten vom Ausland und Verbindungen in nationalistische Kreise. Genau mit diesen Aspekten haben wir uns als Vertreter des deutschen Volkes in diesem Hohen Haus, in den Ländern und Kommunen auseinanderzusetzen. Und das geschieht leider viel zu selten.
Der AfD-Antrag spricht diesen Aspekt daher zu Recht an. Die Herausforderungen im Umgang mit der DİTİB sind groß. Von einer in Teilen extremistischen Partei allerdings, von der sich selbst Marine Le Pen distanziert hat, kann man keine Lösung erwarten, nur menschliches Leid, Schmerz und Angst für unschuldige Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft, ganz gleich, ob sie säkular, christlich, jüdisch, muslimisch sind oder anderen Vorstellungen ihrer persönlichen Lebensgestaltung folgen. Das muss man hier deutlich sagen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die großen muslimischen Verbände beschwören immer wieder, dass wir sie an unserer Seite im Kampf gegen Extremismus und für gesellschaftlichen Zusammenhalt benötigen. Das ist im Grunde genommen auch richtig.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die sollen doch mal demonstrieren auf der Straße! – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
– Hören Sie gut zu! – Der Kampf gegen den Islamismus kann nicht ohne die Muslime gewonnen werden, die auch sie in ihren Reihen haben. Aber wir müssen in gleichem Maße von den Verbänden verlangen, gemeinsam mit uns an den Herausforderungen eines deutschen, also zeitgemäßen Islams zu arbeiten, der hier lebbar ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, daher müssen wir die großen strukturellen Fragen des Islams in Deutschland angehen. Sind diese Organisationen tatsächlich diejenigen Ansprechpartner, mit denen wir arbeiten können? Es liegen Ideen dazu in der Schublade, auch solche, die mit Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen der Union, gemeinsam erarbeitet wurden. So hatte Jens Spahn gemeinsam mit mir öffentlich das Modell einer Staatsstiftung vorgeschlagen, so wie es in Baden-Württemberg übrigens schon lange etabliert ist. Diese könnte Moscheegemeinden fördern, die bestimmte Kriterien erfüllen: in Deutschland ausgebildete Imame, Predigten auch in deutscher Sprache, Anforderungen an eine integrierende und nicht Abgrenzung suchende Jugend- und Gemeindearbeit zum Beispiel. Ich kann für meine Fraktion nur unterstreichen, wie wichtig es ist, dass wir uns hier weiter miteinander austauschen und vorankommen. Dafür braucht es überparteilichen Konsens.
Sie da drüben vom rechten Rand sind natürlich nicht daran interessiert, diese Fragen zu stellen. Sie wollen ja, dass sich Musliminnen und Muslime vom Islam abwenden, um sich dann weiter zu überlegen, wie man die übriggebliebenen Menschen loswerden kann, die nicht in Ihre Vorstellung vom Deutschsein passen.
(Martin Hess [AfD]: Mann, Mann, Mann! Die Wiederholung einer Lüge macht sie nicht wahr, Frau Kaddor!)
Es ist klar, dass hier im Hohen Hause niemand Islamisten in Deutschland haben will und dass Verbote geprüft und durchgesetzt werden müssen. Aber Frau von Storch – schade, dass sie nicht da ist – sagte bereits 2016, dass der Islam – also die Religion, nicht der Islamismus – eine politische Ideologie sei, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Wer meint, das Problem des weltweiten Islamismus ließe sich durch Ausgrenzung, Abschiebung und Menschenrechtsverstöße in Deutschland lösen, irrt gewaltig und vergrößert noch eher das Problem, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte zum Schluss bewusst über den widerlichen Fall von Islamfeindlichkeit heute in Bottrop sprechen. Eine VIKZ-Moschee wurde mit „Fuck Islam“ und einem Hakenkreuz beschmiert,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Von wem denn? Verfassungsschutz, oder wer? – Gegenruf des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und das bereits zum zweiten Mal in kurzer Zeit; zuvor stand dort „Kill Islam“. Ich bin erschüttert – und dankbar, dass Polizei und Staatsschutz ermitteln, um den Täter zu finden. Aber auch wir als Gesellschaft sind gefragt, Islamfeindlichkeit geschlossen entgegenzutreten, um muslimisches Leben in Deutschland zu schützen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bernd Baumann für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Thomas Seitz [fraktionslos])