Rede von Michael Kellner Strukturwandel in Kohleregionen
Michael Kellner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar, dass wir heute über den Strukturwandel in Ostdeutschland reden können; denn wir haben in den letzten Monaten richtig viel auf den Weg gebracht.
Wir haben damals – da muss man einmal ausholen – in Nordrhein-Westfalen beschlossen, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Teil der Vereinbarung war, dass wir die Mittel für den früheren Kohleausstieg flexibilisieren. Wir haben als Bundesregierung entschieden, dass diese Flexibilisierung der Mittel – die Sie übrigens im Antrag fordern; wir haben das längst gemacht – für alle Kohlereviere, also für Ost- und für Westdeutschland, zur Verfügung steht. Das ist richtig und wichtig. Damit keine Haushaltsmittel verfallen, flexibilisieren wir jetzt, sodass die Mittel aus der ersten Förderperiode länger ausgegeben werden können. Das ist eine richtig gute Nachricht für den Strukturwandel in Ost wie West.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir lösen aber auch einen Webfehler bei den InvKG-Mitteln, den Strukturwandelmitteln, auf. Wir hatten bisher die Schwierigkeit, dass mit den Mitteln keine direkten Unternehmensansiedlungen gefördert werden konnten. Das ändern wir jetzt mit dieser Reform, und ich bin da sehr dankbar, dass wir gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium, mit der gesamten Bundesregierung und mit allen Ländern – mit Sachsen, mit Brandenburg, mit Sachsen-Anhalt, mit Nordrhein-Westfalen – vereinbart haben, dass diese Mittel über das STARK-Programm und über den neuen europäischen Beihilferahmen in direkte Unternehmensansiedlungen in den Kohlerevieren investiert werden können. Auch das ist eine richtig gute Nachricht, für die wir in den letzten Wochen gesorgt haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Torsten Herbst [FDP])
Denn darüber schaffen wir hochbezahlte und gute Industriearbeitsplätze.
Und ich will auch sagen: Es ist auch in der Verantwortung der Länder, dafür zu sorgen, dass die Mittel sinnvoll eingesetzt werden. Die Mittel gehören in die Kernreviere; sie gehören nach Spremberg, nach Weißwasser, nach Altdöbern. Wir brauchen sie nicht unbedingt, um den Tourismus in der Nähe von Dresden zu fördern. Nichts gegen Dresden, nichts gegen Tourismus; aber der läuft da auch alleine. Es ist die Verantwortung der Länder, dass wir es gemeinsam schaffen, Unternehmensansiedlungen hinzubekommen, und die Mittel in die Kernreviere zu geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Daniel Föst [FDP])
Ich will noch was sagen: Wir haben es mit der EU-Kommission auch geschafft, die Beihilfe für die LEAG durch die Tür zu bekommen.
(Sepp Müller [CDU/CSU]: Drei Jahre zu spät!)
1,2 Milliarden Euro werden anerkannt als Bergbaufolgekosten und Sozialkosten für die Beschäftigten. Das ist eine richtig gute Nachricht; denn dieses Geld bleibt in den Regionen, es bleibt in den Vorsorgegesellschaften in Brandenburg und Sachsen, um die Kosten des Kohleausstiegs abzusichern, die Ewigkeitslasten abzusichern. Das ist eine richtig gute Nachricht für die Region und für die Steuerzahler in Brandenburg und Sachsen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Weitere 550 Millionen Euro stehen möglicherweise zur Verfügung, wenn es entgangene Gewinne gibt; dazu sage ich gleich noch was.
Aber ich will noch einen Punkt ansprechen: Wir haben die erste Evaluierung des Kohleausstiegs vorgelegt. Wir haben dort gezeigt, dass mehr neue Jobs in den Regionen entstanden sind, als mit der Braunkohle und in den Dienstleistungsbetrieben verschwunden sind. Das ist eine richtig gute Nachricht für die Region; denn heute sind die fehlenden Fachkräfte tatsächlich die Hauptschwierigkeit.
Deswegen brauchen wir eine Region, die offen ist für Einwanderung, die offen ist für Neues, und das erlebe ich. Da gibt es große Auseinandersetzungen mit manch anderen. Aber das ist eine Chance. Offenheit, Fachkräfte: Daran hängt die Region. Diese beiden Aspekte wollen wir gemeinsam auch weiter verstärken.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Lassen Sie uns noch einmal auf den Stand des Kohleausstiegs gucken: Wir haben in Nordrhein-Westfalen den Ausstieg bis 2030 gesetzlich vereinbart. Wir hatten letztes Jahr einen historischen Tiefstand bei der Braunkohleverstromung in Gesamtdeutschland.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wir hatten einen historischen Tiefstand bei der Stromerzeugung überhaupt!)
Das war der geringste Wert seit den 60er-Jahren. Jetzt liegen die Zahlen für das erste Halbjahr 2024 vor: Die Braunkohleverstromung in Deutschland ist noch mal um knapp 20 Prozent zurückgegangen. Das ist eine richtig gute Nachricht für das Klima.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Nur die EEG-Umlage geht immer weiter hoch! – Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Wir sehen also: Marktgetrieben findet der Kohleausstieg bereits statt, weil wir mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien so gut vorankommen. Als der Kohleausstieg mal vereinbart wurde, dachte man ja, diese Kraftwerke würden unter Volllast – also sprich: 24/7 – laufen. Das ist mitnichten mehr der Fall. Wir sehen heute, dass diese Kohlekraftwerke in vielen Bereichen am Wochenende, wenn der Strombedarf geringer ist, nur noch an den Tagesrandzeiten laufen; sie laufen sozusagen semiflexibel.
(Karsten Hilse [AfD]: Weil Sie Strom importieren!)
Das ist eine gute Nachricht fürs Klima, zeigt aber auch, wie weit wir gekommen sind, weil die erneuerbaren Energien eben preiswerter und günstiger sind. Und das ist eine gute Nachricht. Das ist ein Erfolg von drei Jahren Ampelregierung. Da freue ich mich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Karsten Hilse [AfD]: Das ist eine Falschbehauptung!)
Was ich in Ostdeutschland ganz oft höre, ist: Wir wollen Planungssicherheit. – Das verstehe ich, und deswegen wären wir auch bereit gewesen, mit der LEAG, mit dem Unternehmen, und mit den Ministerpräsidenten zu sagen: Wir überlassen das nicht alleine einem marktgetriebenen Ausstieg; wir legen das gesetzlich fest.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Länder und das Unternehmen das nicht wollten. Wir sehen, dass dieser marktgetriebene Kohleausstieg weitergeht. Ich will klar sagen: Wir sind immer bereit – auch nach Landtagswahlen –,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nach der Bundestagswahl ja nicht mehr!)
weiter mit den Ländern zu reden; denn es liegt in unser aller Interesse, dass der Strukturwandel mit einer hohen Planungssicherheit weitergeht. Wir haben in den letzten Wochen die Weichen dafür gestellt – mit der Flexibilisierung der Förderung, mit der Möglichkeit, Unternehmensansiedlungen zu fördern, und indem wir die LEAG-Beihilfe vorangebracht haben.
(Zuruf des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])
Ich finde, das sind richtig gute Nachrichten zum Ende der parlamentarischen Phase. Ich wünsche allen eine schöne Sommerpause.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Gerald Ullrich.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Maja Wallstein [SPD])