Rede von Dr. Till Steffen Wirtschaftsstreitigkeiten
Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat:
„Es lohnt sich für die Wissenschaft, für die Forschung und für die Lehreinrichtungen, sich auf einen internationalen Wettbewerb und auf den globalen Vergleich und Austausch einzulassen. Dies gilt in gleicher Weise für unser Rechtssystem und unsere Rechtsordnung, die ebenfalls in Konkurrenz etwa zum angloamerikanischen Recht stehen.
Es mag auf den ersten Blick skurril erscheinen, dass deutsche Anwälte vor deutschen Richtern auf der Grundlage deutschen Rechts in Deutschland prozessieren und trotzdem die Verhandlungssprache Englisch sein soll. Dies ist jedoch keine bloße Skurrilität mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Situation dann entsteht, wenn internationale Unternehmen beteiligt sind, die ansonsten ein englischsprachiges Gericht außerhalb Deutschlands angerufen hätten.
Die Möglichkeit, dass Gerichtsverfahren auch in englischer Sprache vor deutschen Gerichten geführt werden, bedeutet eben nicht, wie es der Präsident des Bundesgerichtshofes, Herr T o l k s d o r f, befürchtet,“
(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
„dass der ‚Heimvorteil Mutterspracheʼ preisgegeben wird. Im Gegenteil werden durch die derzeitige Regelung viele Unternehmen unnötig oft gezwungen, zu einem Auswärtsspiel anzutreten, wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Unsere Initiative kann ihnen künftig einen Heimvorteil verschaffen.“
Ende des Zitats.
Ich habe schon gemerkt: Es kam leichte Unruhe bei „Präsident Tolksdorf“ auf. Das Zitat ist etwas älter; schließlich ist Frau Limperg schon seit einigen Jahren BGH-Präsidentin. Ich habe schlicht und einfach meine eigene Rede zitiert, die ich im Bundesrat am 12. Februar 2010 gehalten habe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sind Sie schon so weit, Herr Kollege?)
Seit 14 Jahren arbeiten wir also an dieser Initiative, und jetzt ist es endlich so weit, dass wir an deutschen Gerichten tatsächlich Commercial Courts einführen. Darüber freue ich mich sehr.
Dieser Gesetzentwurf geht auf eine gemeinsame Initiative mit dem schlichten Titel „Einführung von Kammern für internationale Handelssachen“ zurück. Es war eine schwarz-grüne Initiative gemeinsam von Hamburg und Nordrhein-Westfalen, die ich zusammen mit meiner damaligen Kollegin Roswitha Müller-Piepenkötter – einige werden sich noch an sie erinnern – eingebracht habe.
Das ging dann an den Bundestag; 2011 regierte hier die schwarz-gelbe Koalition. Dann fiel es der Diskontinuität anheim und wurde 2014 und 2018 und 2021 noch mal neu eingebracht. Es passierte nichts. Aber man kann jetzt sagen: Die CDU/CSU hat es nicht geschafft, diese schwarz-grüne Initiative in Zeiten von Koalitionen mit der FDP und der SPD durchzusetzen. Wir schaffen es jetzt, das durchzusetzen.
Herr Plum, Sie haben gefragt: Welche Relevanz hat das? Es ist durchaus zuzugestehen: Wenn man so lange braucht, eine gute Idee umzusetzen, dann erscheint sie einem vielleicht nicht mehr ganz so spannend wie ganz am Anfang.
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Die Frage habe ich nicht gestellt!)
Aber wir haben ja noch einige Änderungen aufgegriffen, unter anderem eine niedrigere Streitwertgrenze – das ist erwähnt worden – und eine Erweiterung der Zuständigkeiten im Gesellschaftsrecht. Das ist auch wichtig. Ein Thema, das wir diskutiert und aus der Sachverständigenanhörung mitgenommen haben, betrifft einen frühen Organisationstermin, also einen Termin, bei dem frühzeitig geklärt wird, wie das Verfahren weiterlaufen soll. Auch das greifen wir auf.
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Warum nicht im ganzen Zivilprozess?)
Wir haben jetzt die Situation, dass die CDU/CSU – man könnte sagen: im kompensierenden Eifer dafür, dass sie es so lange nicht geschafft hat, die von ihr selbst gestartete Idee umzusetzen – weiter reichende Änderungsanträge einbringt. Meines Erachtens sind das im Grundsatz richtige Forderungen, insbesondere die weiteren Organisationstermine; diese würden allen Gerichten helfen. Und wir würden die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, wenn wir uns genauer Gedanken über die AGB-Kontrolle im B2B-Bereich machen. Das ist sicherlich richtig.
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Da haben Sie doch sechs Monate Zeit für gehabt!)
Aber bei manchen Punkten ist eben noch ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit nötig. Es darf allerdings in der Tat keine weiteren 14 Jahre dauern. Ich bin ganz optimistisch: Das wird es auch nicht.
Ich freue mich über den heutigen Tag und auf die Verabschiedung dieses Gesetzes und wünsche allen, die sich in diesem Bereich engagieren wollen, die diese Möglichkeiten nutzen wollen, viel Erfolg damit. Ich freue mich darauf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)