Veranstaltungsbericht The Future of Care - Menschliche Pflege in einer digitalen Welt
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| Programm |
9.00 | Einlass und Anmeldung |
10.00 | Begrüßung und politische Einführung Digitalisierung als Chance für ältere und pflegebedürftige Menschen – eine Frage der Gestaltung Annalena Baerbock MdB Stv. Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend |
10.15 | Keynote I Prof. Dr. Andreas Kruse Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg Vorsitzender der Achten Altenberichtskommission |
10.30 | Keynote II Dr. Shari Langemak Digital-Health-Strategist |
10.45 | Menschliche Pflege in einer digitalen Welt – was müssen wir beachten? Gespräch mit Dr. Shari Langemak, Prof. Dr. Andreas Kruse und Annalena Baerbock MdB Moderation: Rebecca Beerheide, Deutsches Ärzteblatt |
11.30 | Kaffeepause |
11.45 | Diskussion in parallelen Panels: 1. Phase Panel 1: Selbstbestimmt oder fremd kontrolliert? Neue Technologien wie „Smart-Home“ können ein selbstbestimmtes Leben im eigenen zu Es diskutieren: Dr. Serge Autexier, Leiter des „Bremen Ambient Assisted Living Lab“ Heidrun Mollenkopf, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Maria Klein-Schmeink MdB, Sprecherin für Gesundheitspolitik, Tabea Rößner MdB, Sprecherin für Verbraucherpolitik und für Netzpolitik, Spotlight von: Tim Lange, Vorstand, casenio AG Michael Steigerwald, vtrust GmbH
Panel 2: Mehrarbeit oder mehr Zeit? Der Einsatz digitaler Systeme kann Pflegekräfte entlasten und sie in ihrer Arbeit unterstützen. Es diskutieren: NN Marlen Gamlin Kordula Schulz-Asche MdB, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik,
Panel 3: In meinem Sinne? Je tiefer neue Technologien in das Leben und den Alltag älterer und pflegebedürftiger Menschen Es diskutieren: Prof. Dr. Jens Lüssem, Institut für angewandte Informatik FH Kiel, Cordula Endter, Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA) Anja Hajduk MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB, Sprecherin für Drogenpolitik und für Gesundheitsförderung, Spotlight: Antonia Schwarz |
13.15 | Mittagspause |
14.15 | Diskussion in parallelen Panels: 2. Phase Panel 4: Forschungs- und Entwicklungspraxis – Wie kommen alle an einen Tisch? Die Tasten sind zu klein, das Display auch und die Anwendung ist zu kompliziert - von der Es diskutieren: Peter Tackenberg, Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe – Bundesverband e.V. (DBfK) Dr. Birgit Graf, Gruppenleiterin Haushalts- und Assistenzrobotik, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA Anja Hajduk MdB Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB Spotlight: Dr. Serge Autexier, Leiter des Bremen Ambient Assisted Living Lab Tobias Kley, Verbundkoordinator Pflegepraxiszentrum Berlin
Panel 5: Vom Prototyp zum Massenprodukt – Wie kommen Innovationen auf den Markt? Während in der Öffentlichkeit Vorstellungen kursieren, nach denen Roboter künftig die Menschen am Bett ersetzen könnten, ist in Wirklichkeit noch nicht einmal eine elektronische Dokumentation flächendeckend in der Pflege im Einsatz. Auch ältere Menschen zu Hause haben noch nicht in dem Maße Zugang zu unterstützenden Technologien, wie manche sich das wünschen würden. Welche Hürden und Hindernisse verhindern bislang, dass digitale Innovationen im Alltag älterer Menschen und in der Pflege stärker Einzug halten? Welche Rahmenbedingungen müssen verbessert werden? Es diskutieren: Diana Heinrichs, Geschäftsführerin des Startups Lindera Christiane Rock, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) Dr. Danyal Bayaz, Startup-Beauftragter, Kordula Schulz-Asche MdB Spotlights von: Cornelia Jens, Thomas Hilfen für Körperbehinderte GmbH & Co. Medico KG Anja Möwisch, Fachanwältin für Steuerrecht Gerrit Schick, Philips, Leiter Healthcare Informatics und Population Health Management
Panel 6: Angeschlossen oder abgehängt? – Was bedeutet es für die Pflege, wenn sie künftig „vernetzt“ ist? Welche Chancen bieten sich für neue Verantwortungs- und Aufgabenbereiche, eine bessere Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen oder auch über räumliche Distanzen hinweg? Wie kann die Pflege bei der Weiterentwicklung der Digitalisierung eingebunden werden, um die Potenziale zu heben? Es diskutieren: Irene Maier, Vizepräsidentin Deutscher Pflegerat Prof. Manfred Hülsken-Giesler, Universität Osnabrück Melanie Philip, Pflegepioniere / Projekt Telepflege Maria Klein-Schmeink MdB Annette Rausch, wissenschaftliche Referentin, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion (Moderation) Spotlight: Florian Meißner, Projekt ATMoSPHÄRE |
15.45 | Kaffeepause und Résumé aus den Workshops Mit Kordula Schulz-Asche MdB |
16.45 | Schluss |
Vom Hauptbahnhof Berlin mit dem Regionalverkehr oder der S-Bahn eine Haltestelle bis zur Station “Friedrichstraße” fahren. Von dort aus in Richtung Norden über die Spreebrücke laufen und in die zweite Straße nach rechts, Johannisstraße, einbiegen.
- Die Digitalisierung verändert viele Lebensbereiche, so auch das Leben im Alter und den Alltag in der Pflege.
- Neue Chancen tun sich auf: für ein selbstbestimmtes Leben im Alter und eine gute Pflege. Es entstehen aber auch neue Risiken, etwa im Hinblick auf die Sicherheit und die Kontrolle von Daten.
- Wir haben mit unseren Gästen diskutiert, was politisch getan werden muss, um die Chancen der Digitalisierung für ältere und pflegebedürftige Menschen zu nutzen und die Risiken für sie zu minimieren.
Am 18. Februar 2020 sind etwa 250 Gäste der Einladung der grünen Bundestagsfraktion in die Berliner Kalkscheune gefolgt. Online und offline fand ein reger Austausch statt, zu dem zahlreiche Wissenschaftlerinnen, Unternehmerinnen, Verbände, ältere Menschen und Angehörige beigetragen haben.
Annalena Baerbock MdB eröffnete die Tagung und stellte klar: Wer eine Digitalisierung im Sinne der Menschen will, darf sie nicht geschehen lassen, sondern muss sie gestalten. Die grüne Bundestagsfraktion schaffe mit der Tagung Raum für den Austausch und stelle eigene Vorschläge zur Debatte: Welche Werte und Ziele müssen maßgeblich sein? Wie können digitale Techniken zu einem Gewinn für ältere Menschen und für die Pflege werden?
Prof. Andreas Kruse, Vorsitzender der Achten Altenberichtskommission, die ihren Bericht zum Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“ verfasst hat, betonte die Lernfähigkeit von Menschen bis ins hohe Lebensalter, auch in Bezug auf digitale Technologien. Diese sollten den Zweck haben, eine selbstständige Lebensführung zu unterstützen und neue Möglichkeiten zu erschließen. Entscheidend dafür sei Begleitung, Schulung und auch ein sozial gerechter Zugang zu der Technik.
Frau Dr. Shari Langemak, Digital-Health-Strategin, zeigte verschiedene Konfliktlinien auf. Anwendungen von „Assisted Living“, wie etwa eine automatische Sturz-Detektion, können beispielsweise ein unabhängiges Leben zu Hause ermöglichen, auch wenn sich körperliche Einschränkungen bemerkbar machen. Auf der anderen Seite können sie die Privatsphäre beeinträchtigen.
Im Eröffnungsgespräch diskutierten Annalena Baerbock, Prof. Kruse und Dr. Shari Langemak unter anderem über die Notwendigkeit einer ethischen Betrachtung der digitalen Möglichkeiten, die Bedeutung der Vermittlung von entsprechenden Kompetenzen an Anwenderinnen und Anwender und eine angemessene Forschungsförderung. Deutlich wurde: die Politik muss den richtigen Rahmen setzen, wenn Digitalisierung im Interesse der Menschen stattfinden soll. Anschließend wurde in verschiedenen Panels weiter diskutiert.
Impressionen










Panel 1: Selbstbestimmt oder fremd kontrolliert? Neue Technik im Alter und für die Pflege zu Hause
Im ersten Panel tauschten sich Serge Autexier, Leiter des „Bremen Ambient Assisted Living Lab“, Heidrun Mollenkopf, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. (BAGSO), Maria Klein-Schmeink MdB, Sprecherin für Gesundheitspolitik und Tabea Rößner MdB, Sprecherin für Verbraucherpolitik und für Netzpolitik, mit dem Publikum aus. Sie sprachen über Möglichkeiten, die Datensicherheit, den Datenschutz und die Selbstbestimmung über Daten bei Smart-Home-Anwendungen für ältere und pflegebedürftige Menschen sicherzustellen, etwa durch eine Zertifizierung. Geräte und Software müssen für die Anwenderinnen und Anwender von vornherein sicher sein, darauf muss die Politik hinwirken. Dass hier Handlungsbedarf besteht, demonstrierte Michael Steigerwald von vtrust, indem er veranschaulichte, dass bereits eine smarte Glühbirne Daten ausspähen und weiterleiten kann. Tim Lange von der casenio AG stellte verschiedene Smart-Home-Anwendungen vor.
Panel 2: Mehrarbeit oder mehr Zeit? – Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsalltag in der professionellen Pflege
Prof. Dr. Hülsken-Giesler sprach über die Möglichkeit, dass die Digitalisierung den professionell Pflegenden mehr Zeit für pflegebedürftige Menschen verschaffen werde. Dabei dürfe allerdings nicht das Bild entstehen, dass Pflege ein "Jeder-Frau-Job" sei. Denn die Professionalität und Fachlichkeit der Pflege erschöpfe sich nicht in der Anwendung digitaler Systeme. Frau Gamlin, Pflegedienstleitung im Agaplesion Bethanien Sophienhaus Berlin, stellte verschiedene Softwarelösungen vor, mit denen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Arbeit erleichtert wird. Insbesondere das digitale Dokumentationssystem, welches auch einen fachlichen Austausch mit der zuständigen Hausärztin ermöglicht, wird von den Pflegefachpersonen sehr geschätzt. Kordula Schulz-Asche MdB, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik, betonte die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Diskurses über die Gestaltung der Pflege. Auch wenn technische Lösungen Pflege erleichtern können, dürfe es nicht zu einer Entmenschlichung der Pflege kommen. Ein gesicherter Beschäftigtendatenschutz, moderne Ausbildungsinhalte und eine starke Mitwirkung durch die Berufsgruppe sind nur einige Bausteine dafür, dass die Digitalisierung auch für das Pflegepersonal zu einer Bereicherung wird.
Panel 3: In meinem Sinne? Ethische Fragen zum Einsatz von neuen Technologien in der Pflege und im Alter
Prof. Dr. Jens Lüssem vom Institut für angewandte Informatik FH Kiel, Cordula Endter vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA), Anja Hajduk MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB, Sprecherin für Gesundheitsförderung, stellten die Notwendigkeit fest, dass der Technikeinsatz sich immer am Willen der älteren und pflegebedürftigen Menschen ausrichten müsse. Die Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung seien Kernanliegen, denen automatisierte Anwendungen nicht immer gerecht würden. Herausforderungen, etwa durch Marktzwänge oder durch einen Trend zur „Entmenschlichung“, solle die Politik durch Standards begegnen, die einer Verselbstständigung des Einsatzes insbesondere von Robotik in der Pflege vorbeugen. Denn gerade in der Pflege seien Empathie und emotionale Anteilnahme zentrale Elemente, betonte Antonia Schwarz, Sprecherin der Grünen Alten.
Panel 4: Forschungs- und Entwicklungspraxis – Wie kommen alle an einen Tisch?
In diesem Panel diskutierten Peter Tackenberg vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) und Dr. Birgit Graf vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung mit Anja Hajduk MdB und Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB über die Handlungsbedarfe in Bezug auf Forschung und Entwicklung (FuE) zu digitalen Anwendungen für ältere und pflegebedürftige Menschen. Es bestand Einigkeit darin, dass die FuE von Technologien in der Pflege zunehmend mehr, aber noch nicht vollständig, in enger Kooperation mit den Nutzerinnen und Nutzern stattfindet und sich mittlerweile deutlich mehr am Bedarf der älteren und pflegebedürftigen Menschen und der Pflegepersonen ausrichtet. Dass dies eine Notwendigkeit ist, untermauerten Serge Autexier vom DFKI Living Lab Bremen und Tobias Kley vom Pflegepraxiszentrum Berlin mit Beispielen aus der Entwicklungspraxis. Die Forschungsförderperioden müssten aber deutlich verlängert und finanziell robuster ausgestattet werden, verdeutlichte die Diskussion. Nicht nur der Prozess der Forschung bedürfe einer Unterstützung durch die Politik, sondern auch der Prozess der Markteinführung von Innovationen brauche bessere Rahmenbedingungen.
Panel 5: Vom Prototyp zum Massenprodukt – Wie kommen Innovationen auf den Markt?
In diesem Panel diskutierten Dr. Danyal Bayaz MdB, Startup-Beauftragter der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Kordula Schulz-Asche MdB, mit den Gästen darüber, welche Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, damit digitale Innovationen im Alltag älterer Menschen und in der Pflege stärker Einzug halten können als bisher. Diana Heinrichs, Geschäftsführerin des Startups Lindera, forderte analog zu einem „Gründer-Manifest“ von Startups in der Gesundheitsszene mehr Offenheit gegenüber digitalen Innovationen im Gesundheitswesen. Christiane Rock vom Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) mahnte mit Verweis auf ein kürzlich vorgestelltes Gutachten des Verbandes bessere Erstattungsmöglichkeiten für digitale Produkte durch die Kranken- und Pflegekassen an. Gerrit Schick vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) verlangte unter anderem einen schnellen Anschluss der Pflegeeinrichtungen an die Telematik-Infrastruktur. Anja Möwisch, Fachanwältin für Steuerrecht, stellte die Möglichkeit der Betreuung pflegebedürftiger Menschen über intelligente Kommunikationssysteme vor. Dass sich die Situation verbessern muss, veranschaulichten die Schilderungen von Cornelia Jens von der Firma Thomas Hilfen für Körperbehinderte, über die bestehenden Schwierigkeiten für Medizinproduktehersteller, digitale Produkte zu zertifizieren und zu vermarkten.
Panel 6: Angeschlossen oder abgehängt? – Chancen der Digitalisierung für eine vernetzte Pflege
Irene Maier, Vizepräsidentin vom Deutschen Pflegerat, Prof. Dr. Manfred Hülsken-Giesler und Maria Klein-Schmeink MdB sprachen mit dem Publikum über die Chancen durch eine vernetzte Pflege für den Berufsstand und die Versorgungsqualität. Dafür gaben Florian Meißner von ATMoSPHÄRE und Melanie Philip vom Projekt Telepflege konkrete Praxisbeispiele. Es wurde festgestellt, dass die Vernetzung dazu führen könne, dass sich neue Hierarchien im Gesundheitswesen ausbilden. Die ambulante Pflege könne zum Mittler der Versorgung werden, die viel mehr Aufgaben übernimmt als bisher. Insbesondere Kommunikationstechnologien ermöglichen die einfache Vernetzung zwischen Professionen, aber auch in die Gesellschaft, zum Beispiel in Vereine oder in die Verwaltung hinein. Dadurch könnten auch die Grenzen zwischen Sozialversicherungssystemen und Sektoren verschwimmen und die Komplexität des Systems für Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftige reduziert werden. Um all das zu ermöglichen, müsse aber die Finanzierung geregelt sein und auch die Curricula der Ausbildungen angepasst werden, denn Digitalisierung komme dort bislang kaum vor.