Zum 9. November

Antisemitismus bekämpfen - Erinnern heißt Handeln

Stolpersteine umrahmt von weißen Rosen.
Stolpersteine erinnern nicht nur am 9. November vor ehemaligen Wohnhäusern an Menschen, die Opfer der geplanten und systematisch durchgeführten Vernichtung jüdischen Lebens in Europa wurden. picture alliance/dpa | Martin Schutt
09.11.2022
  • Erinnern heißt Handeln: Ein zentrales Anliegen grüner Politik ist es, Antisemitismus in all seinen heutigen Erscheinungsformen entgegenzutreten.
  • Im Koalitionsvertrag haben wir die strukturelle Stärkung des Amtes des Antisemitismus-Beauftragten vereinbart.
  • Das geplante Demokratiefördergesetz ist ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Antisemitismus.

Der 9. November steht heute nicht nur symbolisch für die antisemitische Gewalt, die sich im November 1938 planvoll auf deutschen Straßen entladen hat. Inzwischen steht er auch für die durch das nationalsozialistische Deutschland geplante und gemeinsam mit seinen Verbündeten systematisch durchgeführte Vernichtung jüdischen Lebens in Europa und darüber hinaus. Nachdem Jüdinnen*Juden bereits über Jahre hinweg aus dem öffentlichen Leben gedrängt und systematisch ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden, konnte spätestens ab November 1938 niemand mehr behaupten, nicht zu wissen, welche Politik dieser Staat verfolgte.

Erinnerung muss mehr als ein Ritual sein

Für den 9. November 2022 wurde im Deutschen Bundestag eine vereinbarte Debatte zum Thema Antisemitismus auf die Tagesordnung gesetzt - unter dem Titel „Erinnern heißt Handeln“. Dass es heute überhaupt eine Erinnerungskultur gibt, wurde hart gegen geschichtspolitische Widerstände erkämpft. Es ist unsere Aufgabe, diesen ursprünglichen Impuls der Erinnerungskultur am Leben zu halten. Erinnerungskultur darf nicht zum bloßen Ritual erstarren. Auch die Erinnerung an die Novemberpogrome muss weiterhin mit Leben gefüllt werden. Das heißt für uns auch und vor allem, Antisemitismus in seinen zahlreichen gegenwärtigen Erscheinungsformen in den Blick zu nehmen und konsequent zu bekämpfen. Genauso bedeutet es für uns, dass wir den Stimmen von Betroffenen mehr Gehör verschaffen wollen. Wir erkennen die Leerstellen, die es in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Bereich gegeben hat und weiterhin gibt. Oft wird Antisemitismus verhandelt, ohne dass Betroffene einbezogen werden. Genauso wollen wir aber jüdische Stimmen stärken, ohne Jüdinnen*Juden auf die Rolle als Betroffene von Antisemitismus festzuschreiben. Jüdisches Leben ist pluralistisch und ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft, dieser Tatsache wollen wir mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Einen „Schlussstrich“ unter die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands und damit auch unter die sich hieraus ergebende Verantwortung darf und wird es mit uns niemals geben.

Antisemitismusbeauftragten stärken

Im Koalitionsvertrag haben wir uns dazu verpflichtet, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen zu bekämpfen. Dazu gehört auch, dass wir uns für die Prävention und eine entschlossene Verfolgung und Dokumentation antisemitischer Vorfälle einsetzen. Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus wollen wir kontinuierlich strukturell stärken. Ein erster Schritt dieser Stärkung ist bereits erfolgt: Das Amt des Antisemitismusbeauftragten haben wir mit zwei weiteren Stellen ausgestattet. Aktuell setzen wir uns dafür ein, die Förderung der Auseinandersetzung mit jüdischen Gegenwarten sowie die Unterstützung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) mit der strukturellen Stärkung des Amtes des Antisemitismus-Beauftragten zu verzahnen.

Demokratie fördern

Im Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus ist für uns insbesondere das geplante Demokratiefördergesetz ein wichtiges Instrument. Unser Kernanliegen ist hier, die Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention verlässlich zu unterstützen. Zu den im Demokratiefördergesetz unterstützten Maßnahmen gehört u.a. die Verhinderung der Entstehung jeglicher Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Hierzu zählt auch die Förderung der Dekonstruktion ideologischer Muster und der argumentativen Entgegnung entsprechender Ideologien wie insbesondere des Antisemitismus. Darüber hinaus sieht das Demokratiefördergesetz auch vor, Strukturen zu fördern, die Opfer von politisch oder ideologisch motivierter Gewalt unterstützen. Betroffene von antisemitisch motivierter Gewalt wollen wir so bei der Wiedergewinnung des eigenen Sicherheitsgefühls und der Bewältigung der Angriffsfolgen unterstützen.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern wies bereits 2020 darauf hin, dass eine deutliche Zunahme von Antisemitismus aus dem verschwörungsideologischen Spektrum festzustellen sei. Die Gefahr von verschwörungsideologisch motiviertem Antisemitismus nehmen wir sehr ernst. Um dem Konnex von Verschwörungsideologie und Antisemitismus zu beleuchten und herauszuarbeiten, welche Folgen sich hieraus für unser politisches Handeln ergeben, veranstalten wir am 18. November eine Konferenz zu Strategien gegen Verschwörungsideologien. Mit Expert*innen aus Antisemitismusforschung und Sicherheitsbehörden wollen wir diese Strategien gemeinsam erarbeiten.