Auch im Notfall gut versorgt

Überfüllte Notaufnahmen, fehlende Bereitschaftsärzte am Wochenende, unnötige Fahrten mit dem Rettungswagen – fast wöchentlich wird über die Baustellen in der Notfallversorgung berichtet. Anlass genug für unsere Fraktion, sich im Rahmen eines Fachgesprächs mit diesem Thema zu befassen.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung, hatte WissenschaftlerInnen, PraktikerInnen sowie VerbändevertreterInnen eingeladen, um darüber zu diskutieren, wie die Notfallversorgung aus PatientInnensicht besser organisiert werden kann. Denn die Notfallversorgung ist nicht nur ein zentraler Baustein in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, sondern kann auch zur Blaupause für eine stärkere Verzahnung zwischen ambulanten ÄrztInnen und Krankenhäusern werden.
Patientenbedürfnisse stärker berücksichtigen
Aus Sicht der Praxis fehle ein einheitliches Vorgehen bislang. Dr. Frank Wösten, Leiter der Interdisziplinären Zentralen Notaufnahme am Klinikum Bremen Nord berichtete, dass viele PatientInnen selbst in die Notaufnahme kämen oder teilweise auch von niedergelassenen Ärzten dorthin geschickt würden. Diese Erfahrung deckte sich mit Studien der Charité und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die Prof. Rajan Somasundaram und Prof. Martin Scherer vorstellten.
Optionen der Notfallversorgung zu wenig bekannt
Danach sei auffällig, wie wenig der so genannte Kassenärztliche Notdienst in der Bevölkerung bekannt ist. Daher ist aus Scherers Sicht eine Stärkung des Wissens über die Strukturen unseres Gesundheitssystems und bestimmte Krankheitsbilder sinnvoll. Ob sich allein dadurch die Patientenzahlen allerdings nennenswert senken lassen, bezweifelte Somasundaram allerdings. Die Gründe, warum PatientInnen in die Notaufnahmen kommen, seien oft vielfältig und die Beschwerdebilder mitunter sehr unspezifisch. Als Beispiel nannte er Schweißausbräuche oder Übelkeit. Diese könnten eine harmlose Ursache haben oder Symptome für einen Herzinfarkt sein. Vor diesem Hintergrund sei ein rasches Abklären der Beschwerden objektiv sinnvoll oder aus PatientInnensicht nachvollziehbar.
Er betonte, dass die häufige Polarisierung zwischen niedergelassenem und Krankenhaussektor nicht förderlich sei; vielmehr gelte es, gemeinsam die Strukturen so auszugestalten, dass PatientInnen in das für sie passende Angebot geleitet werden. Eine Notfallgebühr, wie von Teilen der Kassenärztlichen Vereinigungen vorgeschlagen, sei dafür allerdings der falsche Weg, so Somasundaram.
Verständliche Versorgungsstrukturen
Tobias Herrmann vom aQua - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen wies auf die in Deutschland vergleichsweise zersplitterten Strukturen im Gesundheitswesen hin, die für BürgerInnen teilweise nicht auf Anhieb einleuchtend seien. Der kassenärztliche Not- bzw. Bereitschaftsdienst sei je nach Bezirk unterschiedlich organisiert und befinde sich derzeit ohnehin stark im Umbruch. Allerdings fehlten bislang Qualitätsvorgaben für den ambulanten Bereich. Bei der stationären Notfallversorgung gebe es regionale Überversorgung, woran auch das jüngst verabschiedete Stufenkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses voraussichtlich wenig ändern werde.
Befähigung von Patienten nötig
Wichtig sei eine stärkere Verzahnung der Angebote im ambulanten und Krankenhausbereich und eine für PatientInnen verständliche Angebotsstruktur durch die flächendeckende Etablierung von Portalpraxen an ausgewählten Krankenhäusern mit einheitlichem Versorgungsangebot und verlässlichen Öffnungszeiten. Neben der Befähigung von PatientInnen und der Stärkung ihrer Gesundheitskompetenz sei eine bessere Steuerung durch einheitliche Notruf-Leitstellen und eine standardisierte Ersteinschätzung (Triage) erforderlich.





