15. WP

2002 - 2005: Hartz I-IV, Gentechnik, Kita-Plätze

Bundesumweltminister Jürgen Trittin, Bundesaußenminister Joschka Fischer und Verbraucherschutzministerin Renate Künast (von links nach rechts) äußern sich am 22. September 2002 zum Abschluss der Wahlparty anlässlich der Bundestagswahl zum Fortbestand der rot-grünen Koalition. Rot-Grün wird mit 306 Sitzen und einem Vorsprung von 11 Mandaten vor Schwarz-Gelb (295 Mandate) weiterregieren. Ausschlaggebend dafür ist das kräftige Stimmenplus der Grünen: Nach dem amtlichen Endergebnis kommen sie auf 8,6 Prozent (1998: 6,7 Prozent) und stellen damit 55 Parlamentarier*innen. picture-alliance / dpa / Peter Endig
29.03.2023
Die grünen Bundestagsfraktion der 15. Wahlperiode
Die grüne Bundestagsfraktion der 15. Wahlperiode. Stefan Kaminski
  • Am 22. September 2002 wird der neue Bundestag gewählt.
  • ++ Bündnis 90/Die Grünen: 8,6 Prozent ++ SPD: 38,5 Prozent ++ CDU/CSU: 38,5 Prozent ++ FDP: 7,4 Prozent ++ PDS: 4,0 Prozent ++
  • Sprecherinnen der grünen Bundestagsfraktion sind Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt. Erster Parlamentarischer Geschäftsführer (von 2002-2013) ist Volker Beck.  Die grüne Bundestagsfraktion hat 55 Abgeordnete (32 Frauen und 23 Männer) und liegt mit einem Frauenanteil von 58,2 Prozent mehr als deutlich über dem des Bundestages von nur 32,5 Prozent.
  • SPD und Bündnis 90/ Die Grünen können knapp ihre Bundestagsmehrheit behaupten. Gerhard Schröder (SPD) bleibt Bundeskanzler und Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) Vizekanzler und Außenminister. Kerstin Müller (Bündnis 90/ Die Grünen)  wird Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Die Koalition wird in dieser Wahlperiode (2002-2005) nur drei Jahre im Amt bleiben. Die Sozialreformen der „Agenda 2010 lösen heftige Debatten in Politik und Öffentlichkeit aus.

Hans-Christian Ströbele: Erstes grünes Direktmandat

Hans-Christian Ströbele zieht im September 2002 als erster Direktkandidat von Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag ein. Das ist sensationell, denn eigentlich scheint 2002 seine Parlamentskarriere beendet — die Berliner Grünen hatten ihm einen aussichtsreichen Listenplatz verweigert. Diesen bis dahin einzigartigen grünen Erfolg wiederholt er danach noch dreimal. Er gewinnt insgesamt viermal (2002, 2005, 2009, 2013) in seinem Wahlkreis Berlin/Friedrichshain-Kreuzberg ein Direktmandat, bis er 2017 freiwillig nicht mehr für den Bundestag kandidiert.

Als leidenschaftlicher und nahbarer Parlamentarier zeigte er den Menschen, dass aufrichtige und gradlinige Politik möglich ist. Hans-Christian war immer unverstellt, integer und solidarisch.

Am 29. August 2022 ist er gestorben. Er war leidenschaftlicher Demokrat, ein Mann, der seinem Gewissen folgte, er war ein Politiker für die Menschen. Das Fahrrad und der rote Schal waren seine Markenzeichen.

Wir Grüne im Bundestag vermissen seine Stimme bis heute. Oft rang er mit uns und wir mit ihm. Doch es war immer klar, wohin er gehörte: zu Bündnis 90/Die Grünen. Er hat unsere Partei und Politik entscheidend geprägt. Die Grünen ohne Hans-Christian Ströbele – das ist eigentlich undenkbar.

Die Agenda 2010

Partei- und Fraktionsvorstand von Bündnis 90/ Die Grünen auf dem Sonderparteitag Mitte Juni 2003  in Cottbus
Partei- und Fraktionsvorstand von Bündnis 90/Die Grünen auf dem Sonderparteitag Mitte Juni 2003 in Cottbus. dpa

In der zweiten Amtszeit der Regierung Schröder steht die Fortsetzung der Reform des Arbeitsmarktes im Zentrum. Dabei geht es vor allem um die Umsetzung der Vorschläge der - von der Regierung eingesetzten - "Hartz-Kommission“. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (ALG II) soll eine aktivierende Grundsicherung geschaffen werden, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern und die Aufnahme von Erwerbstätigkeit fördern soll. Hilfe aus einer Hand und Zugang zu aktiver Förderung für alle Erwerbslosen sind Teil der Reform.

Die in der Agenda 2010 zusammengefassten Maßnahmen zur Reform des Sozialstaats, die der Kanzler dem Bundestag im März 2003 vorstellt, lösen eine Protestwelle aus. Bundesweit gehen Menschen gegen den befürchteten Sozialabbau auf die Straße. Auch im Bundestag lösen die von der Regierung vorgeschlagenen Arbeitsmarkt- und Sozialreformen zahlreiche kontroverse Debatten im Plenum und in den Ausschüssen aus.

Kernpunkte der Debatten sind die Verkürzung des Arbeitslosengeldes, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur für Arbeit. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds soll verkürzt, der Kündigungsschutz leicht gelockert werden. Der Bundestag verabschiedet schließlich das Paket, das auch ein Investitionsprogramm für die Kommunen und die Bauwirtschaft in Höhe von 15 Milliarden Euro und eine Reform der Gewerbesteuer umfasst. Am 1. Januar 2005 treten die Neuerungen in Kraft.

Zuwanderungsgesetz

Gegen den anhaltenden Widerstand von CDU/CSU wird ein Zuwanderungsgesetz durchgesetzt. Damit erkennt Deutschland endlich an, dass wir ein Einwanderungsland sind. Unsere Mitbürger*innen sind keine „Gastarbeiter“, die früher oder später wieder ausreisen. Diese Einsicht öffnet den Blick auf die großen Integrationsaufgaben, die noch vor uns liegen. Aus Gästen sind Mitbürger*innen geworden, von denen wir mit Recht eigene Anstrengungen zur Integration erwarten können.

Zum Zuwanderungsgesetz:Volker Beck, Verhandlungsfuehrer der Grünen im Vermittlungsausschuss zum Zuwanderungsgesetz und die grünen Fraktionsvorsitzenden Krista Sager und Katrin Goering-Eckardt, von links, vor der Sondersitzung der grünen Bundestagsfraktion zur Einigung mit der Opposition über ein Zuwanderungsgesetz, in Berlin am Mittwoch, 26. Mai 2004.
Volker Beck, Verhandlungsführer im Vermittlungsausschuss zum Zuwanderungsgesetz und die grünen Fraktionsvorsitzenden Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt, von links, vor der Sondersitzung der grünen Bundestagsfraktion zur Einigung mit der Opposition über ein Zuwanderungsgesetz. Berlin, 26. Mai 2004. picture alliance / AP Photo | MARKUS SCHREIBER
Renate Künast wirbt für Eier aus artgerechter Tierhaltung. Ein Ei mit 0-1-2-
Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast wirbt für Eier aus artgerechter Tierhaltung. Stephanie Pilick,dpa/lbn

Transparente Information

Im Bundeslandwirtschaftsministerium geht es nun vorrangig um die Interessen der Verbraucher*innen, statt um Lobbypolitik für die Agrar-Industrie. Es soll selbstverständlich sein, dass Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Lebens nicht krank machen. Eigentlich keine Frage – Verbraucherinformation ist ein Bürgerrecht. Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag macht sich mit dem Verbraucherinformationsgesetz für eine umfassende Information und Transparenz stark.

Gentechnik

Titel: Gen-Food - Nicht in meinem Supermarkt. Das Foto zeigt ein aus einem Kürbis geschnitztes und rot-orange beleuchtetes Gesicht vor einem schwarzen Hintergrund. Es ist das Cover einer Publikation der grünen Bundestagsfraktion.
Der Bundestag verabschiedet am 18. Juni 2004 ein neues Gentechnikgesetz. Dessen Hauptziel ist es, die konventionelle gentechnikfreie und die ökologische Landwirtschaft vor Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Organismen zu schützen. Grüne Bundestagsfraktion

Mehr und bessere Kita-Plätze

Kinder in den Mittelpunkt: Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz geben die Grünen im Bundestag 2004 den entscheidenden Anstoß für den Krippenausbau. Die positive Ausbaudynamik vom Anfang hat aber nicht ausgereicht, um für genügend Plätze zu sorgen. Nur ein Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung wird wirklich Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.