Grüne Tulpe - Tasmania Bühne und Sport

04.07.2011

11 Freunde sollt ihr sein, oder?

Im Fußball ist man es gewohnt mit verschiedenen Ansichten, Interpretationen, Regelauslegungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen konfrontiert zu sein. Mal war der Ball angeblich nicht mit der vollen Umdrehung im Seitenaus, mal ging die Hand dem Vernehmen nach nicht aktiv zum Ball, ein anderes Mal wiederum handelte es sich vermeintlich um eine leichte Körperberührung, die nicht strafstoßwürdig sei.

Ganz besonders raffiniert wird es dann, wenn aus dem passiven Abseits plötzlich ein aktives wird, was einzig und allein daran liegen soll, dass es sich um keine neue Spielsituation handelte. Bei aller Verwirrung ist beim Fußball doch eins immer klar: Die eigene Mannschaft wird zumeist übervorteilt, das Schiedsrichtergespann ist stets gegen das eigene Team. In kaum einer anderen Sportart werden die Entscheidungen der Unparteiischen derart unterschiedlich wahrgenommen und in Frage gestellt wie beim Fußball.

In der Psychologie ist dieses Phänomen unter dem Begriff der Wahrnehmungsstörung vorzufinden. Bei dieser handelt es sich um eine Störung in der Verarbeitung von Sinneseindrücken im Zentralnervensystem. Wahrnehmungsstörungen liegen dann vor, wenn das verlässliche Umweltorientierungssysstem - das Spüren, die Verbindung der Sinnessysteme untereinander oder die geordnete Abfolge von Sinnesreizen betroffen sind.

Das heutige Spiel der Grünen Tulpe gegen Tasmania Bühne & Sport war ein Spiel, das in jedem Psychologie-Lehrbuch hätte aufgenommen werden können. Zwar kann das anfängliche Abwehrverhalten und die ängstliche Furcht bei Annäherungen in der Anfangsviertelstunde auf beiden Seiten noch als normal bezeichnet werden. Spätestens die verbale Abwehr durch Beschimpfungen, die gesteigerte Aggresivität im Laufe des Spiels sowie spontane, unerklärliche Wutausbrüche ohne erkennbaren Anlass sind allerdings unzweideutig typische Reaktionen taktiler Wahrnehmungsstörungen.

Auch die Entstehung des ersten Tors, nach rund 20 Minuten der Grünen Tulpe, könnte der Kategorie Wahrnehmungsstörung zugeordnet werden. Ralf Südhoff spielt aus halb links einen halbhohen Ball auf den Elfmeterpunkt, wo Marek Dutschke den Ball nicht etwa selbst aufs Tor bringt, sondern - wie er später zu bedenken gibt - auf Grund des angeblich nahenden Gegenspielers lieber zu André Bornstein durchlässt, der, am langen Pfosten und frei vorm Torwart stehnend, auf den mitgelaufenen Simon Bruhn zurücklegt, der wiederum, mit dem schwächeren linken ins rechte Eck einschiebt und dabei - wohlgemerkt nach eigenen Angaben -sowohl den Keeper als auch den Abwehrspieler in die andere Ecke verlädt. Psychologen sprechen an dieser Stelle im Übrigen von einer Wahrnehmungstäuschung. Diese liegt immer dann vor, wenn die subjektive Wahrnehmung von einer physikalisch erklärbaren und reproduzierbaren Messung abweicht.

In der ersten Hälfte passiert sonst nicht mehr viel. Hälfte zwei lässt die Mannschaft von Tasmania Bühne & Sport stärker auftrumpfen. Die Tulpe hat es mitunter schwer, ihr sicheres Passspiel aufzuziehen. Nicht nur einmal muss die - sich neu gefundene - Innenverteidigung um Markus Meyer und Finn Pelke zeigen, dass sie ihre nunmehr lieb gewonnen Plätze nicht kampflos den bald wiederkehrenden, etatmäßigen Verteidigern Stefan Witt und Stepahn Examitzki überlassen wird. Doch auch die beiden Innenverteidiger können nicht verhindern, dass der unglaublich gut aufgelegte Jochen Schieborn im Tor das ein ums andere Mal in Szene gesetzt wird und Bälle hält, wie es der Teufel nicht hätte besser tun können.

Auch Hälfte zwei bietet Anschauungsmaterial für den angehenden Diplom-Psychologen. Marek Dutschke, diesmal im Sturm, erhält am Sechzehner mustergültig den Pass in den Fuß und in den Lauf, kommt frei vorm Torwart zum Schuss, schließt mit der Pike ab, doch verzieht links am Tor vorbei. Im Nachgang der Spieles, bei der obligatorischen dritten Halbzeit jedoch, ist der angesprochene Schütze felsenfest davon überzeugt, den Ball mit dem Spann geschossen zu haben, was allerdings selbst Asgar Ergin, der sich zu diesem Zeitpunkt am Spielfeldrand befand, nicht zu bestätigen vermag. Spätestens als Marek behauptet, er hätte rechts am Tor vorbei geschossen, scheint die Diagnose für die umstehenden Teammitglieder eindeutig: "Wahrnehmungstäuschung".

Völlig frei von Wahrnehmungsdifferenzen oder -störungen ereignete sich sodann das zweite Tor der Grünen Tulpe. Ein Traumpass von Aaron Greicius in die Gasse und in den Lauf von Tresfore Dambe verwandelt dieser überlegt und souverän mit einem sehenswertern Schlänzer über den herauseilenden Keeper ins lange, halbhohe rechte Eck. Ein wunderschönes Tor, wie selbst der zum Neutralen verpflichtete Referee neidlos anerkannte.

Die nächste Verwirrung folgte auf den Fuß und fand ihren Höhepunkt zwischen der siebzigsten und achtzigsten Minute. Eine der unzähligen Ecken der Gastmannschaft bahnte sich an, als Abwehrchef Finn Pelke drohte, die Nerven zu verlieren, würde ihn noch jemand einmal auf den brandgefährlichen Stürmer mit der Rückennummer "11" aufmerksam machen. Und in der Tat dauerte es nach diesem Ausspruch noch weitere Minuten, bis auch der letzte Spieler der Grünen Tulpe begriff, dass die Mannen von Tasmania Bühne & Sport allesamt mit eben dieser Rückennummer aufliefen. Auch dieser Störung hat die Psychologie einen Namen gegeben: Die mangelnde Fähigkeit, ein räumliches oder zeitliches Nacheinander von Reizen zu erkennen, im Gedächtnis zu behalten und darauf zu reagieren: die "seriale Störung". Eine Wahrnehmungsbeeinträchtigung, die am heutigen Tage glücklicherweise folgenlos blieb.

Nur ein Tor, etwa fünf Minuten vor Spielende, gelang Tasmania Bühne & Sport. Der frei stehende Elfer und Linksaußen drang in den Strafraum ein und verwandelte genauso flach wie trocken ins lange rechte Eck.

Fazit: Die Tulpe gewinnt insgesamt auch in der Höhe verdient. Das Ergebnis spiegelt den Spielverlauf wieder. Der Sieg stand selbst fünf Minuten vor Schluss nie in Frage, oder etwa doch?