Gruene Tulpe - AOK Berlin 7:0

04.02.2008

Besuch einer alten Gesundheitskasse

Als die Betriebssportmannschaft der Krankenkassen mit dem Namen, der vom Charme technokratischen Beamtentums der frühen Republik zeugt – Allgemeine Ortskrankenkassen, das Feld verließen, war eines klar:

Der alten gesetzlichen Krankenversicherung fehlen einfach die Leistungstraeger. So hat sie keine Chance gegen das moderne Bürgerversicherungssystem, in dem alle für alle spielen, variabel die individuellen Risiken schneller Vorstöße absichern und jeden nach seiner individuellen Leistung mit ins Spiel einbinden.

Wie dramatisch die Schwächen der GKV gegenüber der modernen Bürgerversicherung sind, sieht man nach 15 Minuten. Zunächst halten sie noch mit, einzelne tragen die Lasten der Gemeinschaft und gleichen die fehlenden Kapazitäten der Schwachen aus. Beide Mannschaften kommen mit dem schnellen Untergrund – unter den Bedingungen der Globalisierung – und dem überharten Spielgerät – im freien Spiel der Kräfte des Marktes – nicht gut zurecht. Wenig Konstruktives lässt sich vermerken, viele lange Pässe gehen ins Leere. Doch dann mit einem schnellen Angriff über links dringen die Allgemeinen – die in der Folge aber gar nicht gemein waren – in den grünen Strafraum ein, wo Hartwig Mayer den Schuss des besten Örtlichen im letzten Moment abblocken kann.

Eben dieser Gefahrenherd verletzt sich nur wenige Minuten später. Und wenn der GKV diese guten Risiken als Beitragszahler wegfallen, kann der Rest der Gemeinschaft diesen Verlust kaum auffangen. So reicht ein eher zufälliges Zusammenspiel von Tresfore Dambe, der den Ball beim Torschuss nicht richtig erwischt und so in den Fuß von Stürmer Toffi Born an der Strafraumgrenze passt, der wiederum sofort seine Leistung, von der die ganze Gemeinschaft anteilig profitiert, maximiert und zum 1:0 einschiebt.

Doch noch immer funktioniert das Zusammenspiel im Mittelfeld der Tulpen zu wenig. Spielertrainer Sebastian Wienges stellt um, bringt Alex Bögle und sich selbst im zentralen Mittelfeld und bald schon mehren sich die kurzen Pässe. Bögle kultiviert wie gewohnt das sichere, geduldige Passspiel, mit dem die spielerische Überlegenheit inkrementell über die Zeit anwächst und der Ball sukzessive in die gegnerische Gefahrenzone getragen wird. Dort nutzt Wienges die Räume und setzt seine Stürmer ein. Ein diagonaler Pass in den Lauf auf Ralf Südhoff, der das 2:0 besorgt.

In der Halbzeit-Pause fordert Coach Wienges mehr Laufarbeit, und tatsächlich das Spiel der Tulpen bessert sich. Doch die übermäßigen Belastungen der einzelnen Starken in der GKV drängen diese aus dem Mittelfeld immer weiter in die Defensive, so fehlt der Spielaufbau. Wie ein Gewicht hängen die Schwachen an den Starken und schmälern deren Leistung zunehmend. Das löst die grüne Bürgerversicherung besser, hat es aber auch zunehmend leichter gegen eine zurückgedrängte Ortskrankenkasse.

Tresfore Dambe nutzt die Überlegenheit für einen seiner gefürchteten Distanzschüsse, der ihm aber wieder vom Fuß rutscht, von einem Verteidiger halb geblockt, halb abgefälscht wird und schließlich dem Torwart durch Hände und Beine zum 3:0 ins Netz gleitet.

Der nächste Distanzschuss kommt wieder von Sebastian Wienges. Der wird am Straraum angespielt, nicht angegriffen und nimmt sich die Freiheit, mal abzuziehen. Viel zu unplatziert klatscht der Ball in die Mitte des Tores an die Latte.

Und nun beginnt die Zeit vergebener Chancen und des verzweifelten Kampfes insbesondere eines Mannes, der eine wahrlich unglaubliche Serie nicht abreißen lassen will und auch in seinem 15. Spiel in Folge für die Tulpe treffen will.

Zuerst kommt eine Ecke, in die André Bornstein in unwiderstehlicher Manier hineinspringt. Er steht in der Luft, nimmt den ganzen Schwung im Ball und seiner eigenen Bewegung mit, verstärkt ihn noch mit der ganzen Kraft aus seinem Rücken, spannt auch die Nackenmuskeln. Ein Bilderbuchkopfball. Er sucht sich die Ecke aus, hat unbedrängt alle Freiheit und Zeit im Fünfmeterraum und löst vermutlich einen Alarm im Tsunami-Warnsystem im Südpazifik aus, als der Ball einschlägt. Nur dummer Weise schlägt der eben neben dem Tor ein.

Kurz darauf dringt Wienges mit Ball in den Strafraum ein, tanzt noch mit einer Schusstäuschung die gesamte Innenverteidigung aus, schaut, findet André in der Mitte frei vor dem Tor, passt. Und André schafft es in dem riesigen Tor den winzigen Torwart genau zu erwischen. Selbst der Nachschuss der Tulpe landet auf den Fäusten des Torwarts.

In der Folge nimmt Bornstein jede sich bietende und jede sich nicht bietende Gelegenheit, um sein Tor mit der Brechstange zu erzwingen.

Bei der nächsten Ecke kommt ihm aber Sebastian Wienges zuvor und nickt die perfekte Ecke von Toffi Born von links gegen die Laufrichtung des Torwarts ins lange Eck zum 4:0 ein.

Die nächste Ecke kommt Flach, Marek Dutschke leitet sie per Hacke auf den ersten Pfosten, wo weder die Verteidiger den springenden Ball weg oder unter Kontrolle bringen noch die Tulpen – bis wieder Sebastian Wienges kommt und den Ball technisch durchaus ansprechend mit seinem schwachen Linken per Hüftdrehschuss vom ersten Pfosten über Köpfe und sich reckende Hände hinweg ins lange obere Eck zum 5:0 einschießt.

Einen Freistoß fünf Meter vor dem Strafraum nutzt Tresfore Dambe und lässt diesmal keine technischen Fragen offen. Der trockene, harte, platzierte Schuss dreht sich um die Mauer und schlägt neben dem Pfosten im Netz zum 6:0 ein.

Die letzte Minute naht und Bornstein rennt und zimmert noch immer aus allen Lagen drauf. Die 90. Minute erscheint auf der Anzeigetafel, das Publikum ist ob des einsamen Kampfes gut amüsiert. Doch endlich finden Ball, Bornstein und Beherrschung beider zusammen und er schießt von rechts aus dem Strafraum ins lange Eck zum 7:0.

Das Spiel wird nicht mehr angepfiffen. Um es mit Fassbender zu sagen: "Aus, Schluss, vorbei".

Interessant wäre nur, wie konkurrenzfähig die privaten Krankenkassen wären. Aber was die spielen, ist das überhaupt Fußball?