Saison 2012: El Classico mit Comeback

13.08.2012

Ein halbes Jahr ist erst vergangen, seitdem die Grüne Tulpe unter Umständen, die einem FC Hollywood alle Ehre gemacht hätten, in Abwesenheit des Spielertrainers selbigen auf einer Vorstandssitzung mit anschließender Jahreshauptversammlung in eine langfristigere Abwesenheit verabschiedeten. Die leblosen Vorstellungen der Mannschaft damals ließen dem Präsidenten kaum eine andere Wahl und fanden so auch allseits volle Zustimmung. Nur der Trainer war der festen Überzeugung, dass seine Ägide andauern solle: „Ha, was der Klinsmann kann, wo der von Florida die Nationalmannschaft het trainiere wolle, des kann ich doch wohl auch grad noch von Frankfurt aus!“ (O-Ton Sebastian Wienges) Alle Überzeugungsversuche des gesamten Vorstandes sich im Guten zu trennen und den hauptberuflichen Umzug des Trainers für die Öffentlichkeit als Anlass zu nehmen, stießen bei dem Sturkopf auf vollkommene Renitenz. „Ich het scho wolle, aber lasse habens mich net!“ war damals der einzige Kommentar, der von dem eigenbrötlerischen Fußballtheoretiker, der schon längst die Mannschaft nicht mehr erreichen konnte, zu hören war.

Doch eine neue Ära unter Spielertrainer Toffi Born und dem neuen Kapitän André Bornstein brach unaufhaltbar an wie der strahlende Morgen nach einer sturmdurchtosten Gewitternacht. Was von Wienges funktionierte wurde beibehalten, was nur in dessen endlosen Theorie-Vorträgen auf den Flip-Charts vor den Spielen zusammenlief, wurde als Ballast über Bord geworfen. Und plötzlich kam das lange schlafende Talent vieler Spieler an den Tag. Die Tulpe eilte von Sieg zu Sieg, brillierte spielerisch gegen vermeintlich stärkere Gegner. Im internationalen Geschäft, für das sie sich prompt seit langer Zeit wieder einmal qualifiziert hatten, scheiterten sie erst im Elfmeterschießen gegen den bärenstarken FC Toompea.

Die in der Regenbogenpresse befürchtete fehlende Autorität des langjährigen Kapitäns Toffi, der nun zum Trainer aufgestiegen war, war nie ein Thema. Und nun setzte der seiner neuen Spielkultur der eigenverantwortlichen individuellen Kollektivstrategie die Krone auf. Was schon seit einigen Wochen in eingeweihten Kreisen kolportiert wurde, machte er am Montagabend wahr: Er holte den Ex-Coach Wienges zurück und baute ihn nahtlos in seine Mannschaft ein. Zuerst ließ der sich noch etwas bitten. Da hieß es die Familie ließe ihn nicht, dann waren es terminliche Unpässlichkeiten und schließlich eine Lungenentzündung. Doch Toffis behutsame Art überzeugten den ebenso grummeligen wie fanatischen 3-5-2-Anhänger und brachten ihn nun doch zurück und gegen wen sonst, als gegen den langjährigen Derby-Gegner SG Bundestag hätte er das Experiment wohl wagen sollen.

Die waren in den letzten Spielen sichtlich gestärkt mit einigen zum Teil deutlichen Siegen und spielerischer wie läuferischer und individueller Überlegenheit vom Platz gegangen. Umso überraschender und kurioser war dementsprechend auch der letzte Tulpensieg vor gerade mal zwei Wochen.

Doch heute begann das Spiel gänzlich anders. Zunächst gelang es den Tulpen ein spielerisches Übergewicht, allerdings ohne klare Torchancen herauszuspielen. Wie aus dem Nichts fiel dann das 0:1. Ein langer hoher Ball an den Tulpensechzehner, die Innenverteidigung zeigt sich orientierungslos, plötzlich ist der Bundestagaußenstürmer am Ball. Keeper Jochen Schieborn verlässt sein Gehäuse und segelt unorthodox am Lupfer vorbei, der im leeren Tor landet – mit quasi dem ersten Schuss aufs Tor.

Die Grüne Tulpe wirkte nun etwas verunsichert, behielt aber die vom Trainer verordnete spielerische Linie bei. Die Angriffe über rechts blieben gefährlich und führten so folgerichtig zu einer butterweichen Flanke über den Sechzehner hinweg. Der Bundestagskeeper will zum Ball, Stoßstürmer Markus Kurdziel duckt sich noch, weicht aber nicht aus. So erreicht auch dieser Keeper den Ball nicht und am langen Pfosten nickt Ralf Südhoff ins leere Tor zum Ausgleich ein. 1:1

Und dann folgte die Einwechslung, auf die alle hinfieberten. Der Ex-Trainer übernahm die linke Außenverteidiger-Position. Und es klappte auch gleich so einiges: Mit der ersten Ballberührung traf er tatsächlich den Ball, sein erster Einwurf schickte seinen Mittelfeldspieler vor sich auf die Reise und den nächsten trug Toffi bis in den gegnerischen Sechzehner. Dort legt der auf Serdar ab, dessen Schuss geblockt wird, der Ball kommt wohl von einem Bundestagverteidiger zurück zu Toffi, der an der Grundlinie nicht tiefer im Abseits stehen konnte, nur kam der Ball eben vom Gegner. Und Toffi schlenzt den Ball mit seinem schwachen Rechten gekonnt ins leere Tor. 2:1

Das Spiel der Tulpe ist nun flüssig, der Bundestag hat sich aber längst arrangiert und setzt selbst immer wieder gefährliche Angriffe. Nicht untypisch dann der Ausgleich: Nach einer grünen Ecke läuft der Konter, der wird zwar von der Tulpenabwehr souverän abgefangen, aber der Ball gleich wieder vertändelt. Und dann wird der Ball halbhoch zum Bundestagsmittelstürmer kurz vor dem Sechzehner gespielt. Der kontrolliert das Spielgerät in bester Pizarro-Manier, die Innenverteidigung gibt ihm den Meter Platz, den er braucht, um platziert volley rechts unten zu verwandeln. Perfekte Ballbeherrschung und ein wirklich schönes 2:2.

Nach der Halbzeit steht der Bundestag dann defensiver und überlässt der Tulpe weitgehend den Spielaufbau. Eine unübersichtliche Szene im Sechzehner, bei der Serdar mit Ball, umringt von drei Gegenspielern fällt, wird mit einem Elfmeter geahndet. Der SG-Abwehrspieler, der Serdar zu Boden brachte, protestiert nicht gegen die Entscheidung. Toffi, der zuletzt in Brüssel einen Elfer gegen den FC Toompea verschossen hatte, schnappt sich kurzerhand das Leder. Obwohl der Keeper in der richtigen Ecke ist, versenkt Toffi souverän zum 3:2.

Danach ändert sich am Spiel kaum etwas, bis plötzlich Unruhe weit hinten auf dem Feld entsteht, weit in der Hälfte des Bundestag. Ein Foul, ein Schubser, Tumult. Die Rückgabe, die fast zum Eigentor führt, ist schon nur Nebensache. Der Schiedsrichter schickt dann beide Spieler mit Rot vom Platz. Die Streitigkeiten gehen dann draußen noch weiter. Zunächst sind die Gemüter nur mühsam zu beruhigen. Doch nach etwa fünf Minuten ist genug Adrenalin verdampft und beide Rotsünder geben sich die Hand. Damit ist die Sache ad acta gelegt.

In der 65. Minute verletzt sich Innenverteidiger und Abwehrchef Finn Pelke. Sebastian Wienges kommt für ihn rein, um die letzten 25 Minuten zu überbrücken. Nun ist der Bundestag drückend überlegen, passen sich den Ball im Mittelfeld hin und her und können immer wieder nur knapp am finalen Pass gehindert werden. Einmal ist ein langer Pass auf SG-Pizarro durch, den Sebastian Wienges gerade noch mit einer sensationellen Grätsche klären kann.

Ein zweites Mal zeigt sich die grüne Innenverteidigung wieder indisponiert, Pizarro ist durch, geht allein auf den Keeper zu. Legt sich den Ball vielleicht einen Tick zu weit vor, aber kommt noch vor Jochen Schieborn an den Ball. Das muss das Ausgleichstor sein. Er tunnelt den herausgelaufenen grünen Keeper, der dann den Ball mit allem was er hat noch entscheident abfälscht, wodurch das Leder hinter ihm und zwei Meter im Rücken des weitergelaufenen Pizarro im grünen Niemandsland quasi allein liegen bleibt. Der heute wieder bärenstarke Tresfore Dambe kann klären.

90. Minute. Die letzte Ecke des Spiels. Der Torwart der SG Bundestag ist mit im gegnerischen Strafraum, steigt hoch, kommt frei zum Kopfball am Elfmeterpunkt. Doch dann verfehlen sich die beiden Protagonisten Ball und Torhüter, das Leder fliegt ins Niemandsland. Und das Spiel ist aus…aus…aus! Die neu formierte Notabwehr um den verlorenen und heimgekehrten Sohn hält. Der Rest ist Schweigen, was auch sonst: die Grüne Tulpe ist eben nicht der FC Hollywood.