Rede von Dr. Sandra Detzer Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2022 (Koalition)

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

28.01.2022

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich meinem Vorredner so zuhörte, musste ich an Kaiser Wilhelm II. denken mit seinem Ausspruch: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wieder alles neu!)

Da, glaube ich, sind Sie stecken geblieben, und deswegen macht es an dieser Stelle Sinn, ein bisschen grundsätzlicher zu werden.

Unsere Marktwirtschaft ist großartig. Sie kann Milliarden Entscheidungen Einzelner dezentral organisieren, damit sie für die gesamte Gesellschaft das Beste hervorbringen. Ja, ihr Erfolg beruht auf der Innovationskraft, dem Wissen und der Leidenschaft der Einzelnen, die sich einsetzen. Damit die Marktwirtschaft funktioniert, müssen Preise für Güter und Dienstleistungen eine Signal- und eine Lenkungsfunktion haben. Preise müssen die Wahrheit sagen, wie knapp ein Gut ist, welche ökologischen Folgen und welche sozialen Konsequenzen die Produktion hat. Dann und nur dann, wenn Preise die Wahrheit sagen, kann die Marktwirtschaft funktionieren und der Markt seine Kraft entfalten zum Wohl der Allgemeinheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kurz und gut: Die Marktwirtschaft ist so gut wie ihr ordnungspolitischer Rahmen, und dieser ordnungspolitische Rahmen ist in Deutschland ungenügend. Die Preise sagen zu selten die ökologische und soziale Wahrheit. Atomstrom ist zu billig. Gleiches gilt für den Kohleabbau und für die Billigschnitzel. Die Marktwirtschaft hat hier keine Chance. Es muss zu Marktversagen und zu Marktverzerrung kommen; und das ist das Problem, das wir haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das führt inzwischen dazu, dass immer mehr Menschen an der Kraft der Marktwirtschaft zweifeln. Frau Klöckner, in Ihre Richtung will ich damit sagen: Ja, es liegt ganz wesentlich auch an Ihnen.

(Lachen der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Denn Sie haben es versäumt, das Ansehen der Marktwirtschaft zu erhalten und ihr ein Update zu geben.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Herrlich!)

Sie haben es versäumt, Klimaschutz zum Geschäftsmodell zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit haben Sie die Marktwirtschaft geschwächt; und das ist gerade unverzeihlich im harten globalen Wettbewerb.

Es ist das große Verdienst dieses neuen Jahreswirtschaftsberichts, dass er diese Schwächen, diese Gefahren, aber auch die Chancen klar benennt. Umweltverträgliches, soziales Wirtschaften muss immer günstiger sein als die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Gewinne zu privatisieren und Kosten zu sozialisieren, das hält auf Dauer kein Gemeinwesen aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich war vor zwei Tagen eingeladen, eine Keynote bei der Schleiftagung zu halten. Dabei waren ungefähr 120 der weltbesten Ingenieurinnen und Ingenieure und Techniker/-innen aus meinem Wahlkreis Ludwigsburg in der Region Stuttgart, aber auch bundesweit. Die machen sich gerade Gedanken – viele Gedanken, kann ich Ihnen sagen –, mit was sie in Zukunft Geld verdienen. Sie haben mir mit auf den Weg gegeben: Sagen Sie uns, was Sie brauchen auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft, wir machen es möglich! – An der Stelle ganz herzlichen Dank für diesen Spirit, danke für die ausgestreckte Hand. Seien Sie versichert: Genau das werden wir in dieser Ampelkoalition tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner erhält Timon Gremmels für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)