Rede von Dr. Anna Lührmann 5 Jahre Vertrag von Aachen

Anna Lührmann
18.01.2024

Dr. Anna Lührmann, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 4 500 Bäume, ein Zeichen für die Zukunft der deutsch-französischen Freundschaft. Das ist der Wald der Zukunft, den im letzten November junge Menschen aus Deutschland und Frankreich an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und der Region Grand Est gepflanzt haben. Damit haben diese jungen Menschen ein Zeichen gesetzt für den Klimaschutz, aber auch für die Lebendigkeit der deutsch-französischen Beziehungen. Organisiert wurde das Projekt vom Deutsch-Französischen Jugendwerk, das seit seiner Gründung bereits über 9,5 Millionen jungen Menschen die Teilnahme an solchen Programmen ermöglicht hat.

Dieses Beispiel zeigt, dass die einmalige deutsch-französische Zusammenarbeit nicht nur mir als Beauftragter der Bundesregierung für diese Zusammenarbeit am Herzen liegt, sondern auch Ihnen hier im Hohen Hause und Millionen von Menschen in Deutschland und Frankreich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Unsere Freundschaft ist wirklich tief verankert – zwischen den Regierungen, den Parlamenten, aber eben vor allem zwischen den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist gut so. Denn mit dieser Freundschaft setzen wir ein Zeichen der Hoffnung in dieser sehr dunklen Welt. Deutschland und Frankreich zeigen: Es gibt einen Ausweg aus dieser Spirale von Hass, von Gewalt, von Zerstörung. Es gibt Hoffnung auf ein Leben in Frieden und mit Aussöhnung statt mit Hass und Verachtung. Davon brauchen wir mehr in dieser Welt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Der Élysée-Vertrag hat 1963 die Versöhnung unserer beiden Völker verbrieft. 2019 haben wir mit dem Vertrag von Aachen unsere bilateralen Beziehungen auf eine ganz neue Stufe gehoben.

Mit keinem anderen Partner ist die Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen so eng wie mit Frankreich. Ministerinnen und Minister nehmen ja sogar an Kabinettssitzungen des jeweils anderen Landes teil. So was gibt es mit keinem anderen Land. Auch in Brüssel bringen wir uns regelmäßig gemeinsam mit Statements ein und reden mit einer Stimme.

All das belegt die besondere Qualität unserer Beziehungen. Diese enge Zusammenarbeit ist weltweit einzigartig. Angesichts unserer gemeinsamen Geschichte bin ich unseren französischen Freundinnen und Freunden zutiefst dankbar für dieses Geschenk.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Die Zusammenarbeit ist angesichts der Fülle von außen- und europapolitischen Herausforderungen dringender denn je. Im Vertrag von Aachen haben wir zum Beispiel auch eine enge Zusammenarbeit in europapolitischen Fragen vereinbart. Hier ist die Kernfrage aktuell: Wie stellen wir sicher, dass auch eine erweiterte EU handlungsfähig ist, dass sie stärker wird mit der Erweiterung? Wir brauchen also Reformen. Vor einem Jahr hat in Brüssel noch niemand darüber geredet. Deshalb habe ich mit meiner französischen Kollegin Laurence Boone eine Expertinnen- und Expertengruppe einberufen. Der Bericht dieser Gruppe hat in Brüssel hohe Wellen geschlagen. Jetzt reden viele über EU-Reformen. Es ist sogar gelungen, beim letzten Gipfel klar zu verankern: Die Erweiterung der EU und die Reformen müssen parallel laufen. Das ist gut so, damit die EU handlungsfähig bleibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau so funktioniert der deutsch-französische Motor: Wir sehen ein Problem, und im Tandem gelingt es uns, das Problem auf die Agenda zu setzen. Somit arbeiten wir dann gemeinsam als EU an Lösungen, die gut sind für ganz Europa.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Erst vor wenigen Tagen haben unsere Außenministerin Annalena Baerbock und ihr neuer französischer Amtskollege Stéphane Séjourné unsere enge Zusammenarbeit noch einmal bekräftigt. Gemeinsam werden wir Europa voranbringen.

Aber klar ist auch: Unsere Zusammenarbeit ist selbstverständlich für andere Länder offen. Diese Offenheit ist auch im Vertrag von Aachen verankert. Gerade mit dem Weimarer Dreieck können wir dem viel Bedeutung beimessen. Deswegen freue ich mich besonders, dass wir mit der neuen polnischen und der neuen französischen Regierung gemeinsam an der Vertiefung dieser wichtigen Zusammenarbeit arbeiten werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch jenseits der großen Schlagzeilen und der Bundespolitik bringt der Aachener Vertrag Fortschritte da, wo es wirklich darauf ankommt, nämlich alltäglich vor Ort. Ich denke da zum Beispiel an den Deutsch-Französischen Bürgerfonds, der seit 2020 schon über 2 000 Projekte in der Zivilgesellschaft gefördert hat, oder an das neu geschaffene Netzwerk „Generation Europa“ und seine jungen kreativen Teilnehmenden. Auch der Ausschuss für Grenzüberschreitende Zusammenarbeit arbeitet an konkreten Verbesserungen für die Menschen in der Grenzregion.

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Zum Beispiel werden Behandlungskosten auf beiden Seiten der Grenze jetzt leichter erstattet. Die französische Umweltplakette wird in Deutschland anerkannt. Es werden grenzüberschreitende Sportveranstaltungen ermöglicht, die Folgen von Gesetzen für die Grenzregionen besser beachtet, zum Beispiel beim Kurzarbeitergeld. All diese Dinge machen vor Ort einen echten Unterschied für die Bürgerinnen und Bürger unserer Länder.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Der beste Unterschied wäre, die Umweltplakette abzuschaffen!)

Europa funktioniert im Alltag. Die deutsch-französische Zusammenarbeit macht da wirklich einen Unterschied.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Boris Mijatovic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Europa funktioniert!)

Fazit ist: Der Vertrag von Aachen hat die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern noch enger, noch konkreter, noch erfolgreicher gemacht. Der Vertrag von Aachen ist eine Erfolgsgeschichte. Wie der Wald der Zukunft an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und der Region Grand Est werden auch Deutschland und Frankreich weiter und enger zusammenwachsen – dank der Bürgerinnen und Bürger, die sich täglich für diese Freundschaft engagieren. Ihnen gebührt unser aller Dank. In diesem Sinne: Vive l’amitié franco-allemande! Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Nächster Redner ist der Kollege Armin Laschet.

(Beifall bei der CDU/CSU)