Rede von Manuel Sarrazin 80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Botschafterin! Vor 80 Jahren überfiel die Wehrmacht Griechenland und das Königreich Jugoslawien. Mit Orten wie Belgrad, Distomo, Kalavryta, Kragujevac, Kraljevo oder Lingiades verbinden wir schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Wir wollen heute über Griechenland reden. Bis heute sind in vielen griechischen Familien die Erinnerungen an das, was den Familien passiert ist, sehr präsent; sie werden am Esstisch, bei Familienfeiern besprochen. Jeder junge Grieche weiß, was in dieser Zeit passiert ist. Vielleicht ist es gegenüber Griechenland manchmal noch schwieriger als in anderen Fällen, wo die Verbrechen auch unvergleichlich groß waren, von echter Versöhnung zu sprechen, weil vieles im deutsch-griechischen Verhältnis bis heute unausgesprochen ist, weil spezifische Voraussetzungen in Griechenland es schwierig machen, aber auch, weil wir damit so umgegangen sind, dass Sachen unausgesprochen geblieben sind.
Unser Umgang mit dem, was seit Jahrzehnten von Griechenland vorgetragen wurde, mit Forderungen, die brüsk, geradezu demütigend mit dem einfachen Hinweis, es sei erledigt, zurückgewiesen wurden, ist – egal ob man die Forderungen richtig findet oder nicht – eine schwere Belastung für unsere deutsch-griechische Freundschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir wollen diese Geschichte des Übergehens, des Zurückweisens aufbrechen. Griechenland war nach dem Krieg immer auf das Wohlwollen des Landes der Täter angewiesen. Wir wollen nun in eine Phase der Augenhöhe eintreten und miteinander auch über noch offene Fragen sprechen. Wir wollen, dass Ungesagtes endlich ausgesprochen wird. Daran wollen wir zusammen arbeiten, weil wir denken: Europa braucht eine gelingende deutsch-griechische Freundschaft. Nur mit Freundschaft und Respekt zwischen Deutschland und Griechenland, auf Augenhöhe und mit Verantwortung, wird das Projekt Europa gelingen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Deswegen wollen wir, dass der Bundestag heute Schluss macht mit der demütigenden und falschen Aussage, für Griechenland habe sich die Frage der Reparationen erledigt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das ist nachweisbar nicht der Fall; es war nie der Fall.
Wir wollen, dass die Bundesregierung einen Versuch macht, mit dem schweren Thema der sogenannten Zwangsanleihe anders umzugehen, und einen gemeinsamen Weg finden, wie wir an diesem Thema arbeiten können. Denn wir alle wissen: Wir trauen uns an diese Themen nicht heran, weil wir uns nicht zutrauen, sie zu lösen, oder weil wir uns auch an die anderen Fragen letztlich nicht herantrauen.
Wir wollen, dass wir endlich auch über die Opfergemeinden reden, dass wir darüber reden, wo Menschen zum Teil keine oder keine ausreichende Restitution oder Kompensation erhalten haben. Wir wollen, dass die lobenswerten Initiativen, die die Bundesregierung begonnen hat – Stichwort „Deutsch-Griechischer Zukunftsfonds“ und Ähnliches –, weiterentwickelt werden. Das wollen wir jetzt angehen; dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Mit unserer Initiative wollen wir, dass Deutschland sich seiner Geschichte und seiner Verantwortung stellt – nicht nur für das, was die Nazis in Griechenland getan haben, nicht nur weil wir als Rechtsnachfolger Verantwortung tragen, sondern auch für eine bessere Zukunft. Für das deutsch-griechische Verhältnis ist klar: Wenn wir eine gemeinsame Zukunft bauen wollen, müssen wir uns der Verantwortung aus der Geschichte noch besser als bisher stellen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:
Das Wort hat Markus Koob von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)