Rede von Claudia Roth 80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

25.03.2021

Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrte Präsidentin! Sehr verehrte Botschafterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich schäme mich, dass das demokratische Deutschland, selbst als es Schritt für Schritt die Vergangenheit aufarbeitete, so wenig über deutsche Schuld gegenüber den Griechen wusste und lernte.

Das waren die Worte unseres ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, als er 2014 am Mahnmal von Lingiades sprach. In dem kleinen griechischen Dorf haben deutsche Soldaten während des Zweiten Weltkriegs brutal gemordet. Das jüngste Opfer war zwei Monate, das älteste 100 Jahre alt. Der 6. April ist ein Tag der Trauer, tief verankert in den Herzen der Griechen, Trauer um Hundertausende Tote, um Hunderttausende Opfer einer erbarmungslosen deutschen Besatzung, entfesselter Gewalt, grausamster Verbrechen. Nur wenige konnten den Deportationszügen entkommen. Nur wenige haben die Massaker überlebt. Ich habe sie empfunden, diese tiefe Trauer in Thessaloniki, wo die ganze jüdische Gemeinde ausgelöscht wurde, habe sie empfunden in Kesariani, wo Wehrmachtssoldaten 600 Widerstandskämpfer erschossen haben, habe sie empfunden in Timbaki, einer Gemeinde auf Kreta, die von den Nazis dem Erdboden gleichgemacht wurde. Diese Geschichte ist auch meine Geschichte, ist Teil meiner Biografie als Nachfahrin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen um die deutsche Schuld und um unsere historische Verantwortung. Und wir verneigen uns heute aufrichtig vor den Opfern und ihren Angehörigen. Wir wissen aber auch um die Demütigungen, die die griechische Seite in all den Nachkriegsjahrzehnten empfunden hat und zum Teil bis heute empfindet; denn die griechischen Forderungen nach Reparationen und Entschädigungen wurden in Deutschland vor allem eines: zurückgewiesen. Man kann auch sagen: Erst wurden sie vertagt, dann umgangen und schließlich einseitig als erledigt betrachtet. Das war falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb stehe ich auch heute hier und schäme mich, schäme mich wegen der blinden Flecken unserer Erinnerung. Ich schäme mich, weil man so mit europäischen Partnern nicht umgeht. Deutschland trägt nicht nur Schuld, sondern wir sind es auch aus einer historischen, politischen, moralischen Verantwortung heraus schuldig, darauf endlich neue Antworten zu finden.

Unser Antrag ist ein Schritt, ein noch vertrauensvolleres, ein belastbareres Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland entstehen zu lassen, auf Augenhöhe, gleichberechtigt, in gegenseitigem Respekt, in Demut vor der schmerzhaften Erinnerung. Niemand kann die Vergangenheit ungeschehen machen. Solange aber Gemeinsames möglich ist, obsiegt nicht Zwietracht, sondern Menschlichkeit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Danke schön. – Das Wort geht an Thomas Erndl von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)