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13.03.2020

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion war erschüttert, als wir erfahren haben, dass der VVN die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist und sie droht dauerhaft entzogen zu bleiben. Das war auch Thema hier im Hause. Im Januar gab es eine Anhörung zum Thema Gemeinnützigkeit. Ich zitiere – mit Erlaubnis des Präsidenten – Dr. Rupert Graf Strachwitz dazu, dass mit Esther Bejarano eine Holocaustüberlebende als Ehrenvorsitzende der Vereinigung Verfolgter des NS-Regimes einen offenen Brief schreiben und sagen musste, dass ihnen die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist: Ach, da läuft einem ein kalter Schauer den Rücken herunter. Das darf einfach nicht passieren. Das geht nicht. Da muss sich das Recht so verhalten, dass solche Dinge vermieden werden können.

Das spricht auch mir aus dem Herzen. Aber das Problem ist eben weniger die Abgabenordnung. Das Problem ist die Entscheidung bzw. der Bericht des Verfassungsschutzamtes in Bayern. Das Problem ist der Verfassungsschutz, die Struktur des Verfassungsschutzes in Deutschland auf Bundesebene und in den Ländern. Sie wissen, dass wir als Grüne seit Jahren sagen: Es gibt erkennbar Missstände in der Struktur, in der Arbeitsweise, beim Personal, in der Kontrolle des Amtes.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wegen der Leitung!)

Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine Zäsur, und wir brauchen eine strukturelle Neuorganisation, die auch in diesem konkreten Fall tatsächlich helfen würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schlagen eine Neuorganisation des Verfassungsschutzamtes vor. Wir schlagen vor, dass es in zwei unterschiedliche Einrichtungen geteilt wird: zum einen in ein Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr; das wäre sozusagen ein reduzierter Verfassungsschutz, so wie wir ihn jetzt haben. Zum Zweiten wollen wir zum Schutz der Verfassung ein unabhängiges Institut schaffen, das dann kein Nachrichtendienst im wissenschaftlichen Gewand mehr ist; vielmehr ist dieses Institut zuständig für laufende wissenschaftliche Beobachtung, für Erforschung, für Analyse und die öffentliche Berichtslegung über Strukturen und Zusammenhänge demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen. Dieses Institut wäre dann unabhängig und überparteilich. Damit das sichergestellt ist, schlagen wir vor, dass es nur der Rechtsaufsicht des entsprechenden Ministeriums unterliegt und keiner Fachaufsicht, und dass die Leitung dieser Behörde in geheimer Wahl und für acht Jahre vom Parlament bestimmt wird. Ähnliches wollen wir für die Länder. Das wäre tatsächlich eine Struktur, die uns dauerhaft helfen würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn gerade in Zeiten, in denen unser Rechtsstaat und demokratische Strukturen massiv angefeindet und infrage gestellt werden, ist die einfache Streichung, das, was Sie vorschlagen, ein völlig falsches Signal. Lassen Sie uns stattdessen darüber reden, worum es eigentlich geht, nämlich um die Reform des Verfassungsschutzes. Ich hoffe, dass das zuständige Finanzamt für Körperschaften I in Berlin im Rahmen des Ermessensspielraums zu einer anderen Entscheidung kommt. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir einen Neustart des Verfassungsschutzes hinbekommen, auch in diesem Sinne.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Letzter Redner des heutigen Tages – außer mir – ist der Kollege Fritz Güntzler, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)