Rede von Filiz Polat Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Foto von Filiz Polat MdB
15.12.2022

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist der maßgebliche Rahmen für unsere Arbeit als Abgeordnete in diesem Haus. In unserem Koalitionsvertrag, geschlossen vor nun einem Jahr, haben wir uns vorgenommen, dass das Parlament als Ort der Debatte und der Gesetzgebung gestärkt wird. Genau das bringen wir jetzt auf den Weg, Herr Schnieder.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Wir werden – das haben die Kollegen gesagt – gleich mittwochs mittags loslegen, wenn wir üblicherweise die Sitzungswochen mit der Befragung der Bundesregierung beginnen. Die Regierungsmitglieder freuen sich schon richtig darauf, an dieser Regierungsbefragung nun mit zwei Ministerinnen/Ministern teilzunehmen. Es ist in der Vergangenheit schon einiges passiert bei der Regierungsbefragung, aber da war noch Luft nach oben. Rede und Antwort stehen demnächst zwei Minister/-innen in der Regierungsbefragung. Damit – da sind wir uns sehr sicher – wird die Regierungsbefragung lebendiger, dynamischer und flexibler, und es werden tagesaktuelle Themen vertieft.

Herr Kollege Schnieder, es geht doch weniger darum, die Regierungsbefragung – die im Übrigen länger wird – in die Länge zu ziehen, sondern es geht darum, wie Sie als Opposition oder wie wir insgesamt als Parlament diese Befragung letztendlich auch lebendiger gestalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Frieser [CDU/CSU]: Genau darum geht es nicht!)

Also, es liegt in unserer Hand, als Abgeordnete unseren Beitrag für eine lebendige Regierungsbefragung zu leisten.

Wir werfen mit der Reform Licht in die Maschinenräume unserer parlamentarischen Arbeit, Herr Schnieder, und ich weiß nicht, wovor Sie Angst haben. Bisher sind wir doch auch sehr transparent in den Debatten des Deutschen Bundestages. So viel anders ist das in den Ausschüssen tatsächlich auch nicht. Auch dort geht es mal heiß her, auch dort wird intensiv beraten, genauso wie hier im Plenum des Bundestages. Ich denke, Sie brauchen keine Angst zu haben, wenn die Ausschüsse sich für die Öffentlichkeit entscheiden.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Na ja, Sie und Transparenz! Ich sage nur Lobbyregistergesetz!)

Der Grundsatz der Ausschüsse, dass sie nicht öffentlich tagen, entfällt. Wir als Bündnis 90/Die Grünen sagen: Endlich! Gesetzesarbeit wird damit nachvollziehbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ganz ehrlich, in Zeiten, da die Bürger/-innen zunehmend Zweifel an unserem demokratischen System zum Ausdruck bringen, halten wir es auch für ungemein wichtig, einen weitestgehenden Einblick darin zu geben, wie Entscheidungen zustande kommen, wie wir Abgeordnete beraten; auch das kann tatsächlich spannend sein. Bürger/-innen werden demnächst auch live mitbekommen – diese öffentlichen Ausschusssitzungen werden gestreamt –, wie dieses sogenannte Struck’sche Gesetz funktioniert: dass keine Vorlage das Parlament so verlässt, wie sie hineingekommen ist.

Meine Damen und Herren, in zehn Bundesländern tagen die Ausschüsse – das hat der Kollege Schnieder gesagt – bereits jetzt grundsätzlich öffentlich. Auch im Europaparlament sind die Ausschüsse öffentlich. Vor zwei Wochen hatten wir eine sehr spannende Anhörung zu dieser Reform. Die Kolleginnen und Kollegen und auch die Bürger/-innen können sie noch mal nachverfolgen; die Anhörungen sind nämlich bei uns öffentlich. Dort wurde vom Sachverständigen Professor Bernhard Wegener von der Uni Erlangen-Nürnberg tatsächlich gesagt, dass die Reform nicht nur ein Gewinn, sondern auch ein wichtiges Element der Repräsentation sein kann.

Meine Damen und Herren, ja, genau das ist es, und es ist gut, dass wir jetzt diese ersten wichtigen Schritte gehen. Die nächste Reform steht schon vor der Tür. Wir werden jetzt für mehr Öffentlichkeit sorgen. Wir gehen aber auch neue Wege. Es wurde gesagt: Wir haben die Pandemie hinter uns. In Zeiten der Pandemie sind wir, wie viele andere auch, digitaler geworden. Die Teilnahme in elektronischer Form haben auch wir für Ausschussberatungen ermöglicht. Diese Regel wollen wir beibehalten, allerdings nur in Ausnahmefällen, sodass Ausschüsse auch zukünftig in digitaler oder hybrider Form tagen können.

Meine Damen und Herren, das ist sicherlich kein „Reförmchen“, sondern eine sehr wichtige, große Reform für uns.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Immer eine Frage der Perspektive! – Stephan Brandner [AfD]: Die Ansprüche sind gesunken! Sie haben sich bemüht! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie hat ja auch gesagt, für sie!)

– Ja, das ist vielleicht eine Frage der Perspektive, und die Bürgerinnen und Bürger werden darüber natürlich auch ihr Urteil bilden, wenn sie an den öffentlichen Ausschusssitzungen tatsächlich teilnehmen.

Für uns war es wichtig, Herr Schnieder, klarzustellen – das haben wir ja sehr deutlich gesagt –: Die Geschäftsordnung ist vielleicht für viele was Technisches; aber sie ist wirklich das Grundgerüst, mit dem wir hier gemeinsam agieren. Als demokratische Fraktion war es uns wichtig, dass wir alle gemeinsam diese Geschäftsordnungsreform verabschieden. Deswegen sind wir ja auf Anträge Ihrer Fraktion, die sehr spät vorgelegt wurden – deswegen auch die späte gemeinsame Beratung –,

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Ihre noch viel später!)

eingegangen und haben auch Punkte aus Ihrem Antrag übernommen – Sie haben es ja selber gesagt –,

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir hätten doch auch gemeinsam was machen können!)

im Übrigen auch Anregungen der Fraktion Die Linke.

Es wäre ein gutes Signal gewesen, auch kombiniert mit dem Angebot, weitere Punkte aufzunehmen, dass Sie am Ende zustimmen wollen.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Dann müssen Sie handwerklich besser werden!)

Sie haben aber von Anfang an deutlich gemacht, dass Sie dieser Reform

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Reförmchen!)

nicht zustimmen werden. Das ist die Wahrheit. Das ist schade in Zeiten, in denen die Rechten dieses Parlament am liebsten auslösen wollen. Die Geschäftsordnung ist unsere Basis.

(Stephan Brandner [AfD]: „Auslösen“? Was heißt denn „auslösen“? So ein Quatsch!)

– Ah, Sie fühlen sich angesprochen, Herr Brandner. Interessant. Das ist wirklich interessant.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Kein Mensch will ein Parlament „auslösen“! Machen Sie mal Ihre elektronischen Abstimmungen!)

Ich komme zum Schluss. Unser Ziel bleibt es, den Rahmen zu schaffen für eine lebendige, transparente Ausgestaltung unserer täglichen Arbeit. Eine Etappe haben wir jetzt geschafft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lade Sie alle ein, gemeinsam mit uns – mit Ausnahme der ganz Rechten hier im Hause – die Arbeit im Bundestag, unsere Demokratie noch spannender, erlebbarer und sichtbarer zu machen.

(Zurufe der Abg. Andreas Bleck [AfD] und Jörg Schneider [AfD])

Vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen für die guten Beratungen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD)