Rede von Filiz Polat Änderung des Asylgesetzes zu den Mitwirkungspflichten von Asylsuchenden

08.11.2018

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung erinnert mich doch sehr stark an eine Aussage von Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Nichts anderes kann man zu diesem Gesetzentwurf sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte auf die Vorwürfe von Kollegin Teuteberg eingehen. Wir reden hier über einen Gesetzentwurf, der scheinbar sehr technisch daherkommt. Wir ändern ein, zwei Paragrafen im Asylgesetz. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass wir hier von den Menschen sprechen, die im Wesentlichen 2015/2016 gekommen sind und mit langen Verfahren konfrontiert waren, weil das BAMF nicht vorbereitet und durch das Bundesministerium des Innern nicht ausreichend mit Personal ausgestattet war, um die Asylverfahren zügig abzuarbeiten. Diese Menschen haben auf den Asylbescheid gewartet und ihn schließlich bekommen. In der Zeit haben Kommunen und Länder kompensiert, auch bei Integrationskursen. Dieser ganze Aufwand sowie die Bemühungen und die Anstrengungen, die wir und vor allem die Länder und Kommunen sowie auch die Mitarbeiter des BAMF unternommen haben, wollen Sie nun sukzessiv infrage stellen.

Denn was besagt dieser Gesetzentwurf? Die Begründung des Gesetzentwurfs und das, was Herr Dr. Sommer, der Präsident des BAMF, in der Anhörung gesagt hat, sind interessant. Asylberechtigte, die eine Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben, subsidiär Geschützte und Personen, die ein Abschiebungsverbot erhalten haben, sollen systematisch und – Frau Kollegin Jelpke hat darauf hingewiesen – anlasslos überprüft werden. Das heißt, wir wiederholen das Jahr 2015. Wir schalten auf Reset, und alle werden im Zweifelsfall noch einmal vor das BAMF vorgeladen. Das ist der Wahnsinn! Das können wir so nicht unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte auf die europarechtlichen Aspekte, auf die Sie nicht eingegangen sind, zu sprechen kommen. Hier ist die Qualifikationsrichtlinie einschlägig, die ein wesentlicher Bestandteil der Sachverständigenanhörung war. Ich möchte gerne aus der Sachverständigenstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zitieren, wonach „ein Verfahren auf Aberkennung oder Beendigung des internationalen Schutzes erst und nur dann zulässig ist, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage treten, die einen Grund für ein Erlöschen oder zumindest eine Überprüfung der Berechtigung des internationalen Schutzes darstellen“. Sie sagen aber einfach: Wir überprüfen alle 800 000, und zwar anlasslos.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist doch Rechtslage im Moment!)

Das Problem an der Sache ist: Sie gehen noch weiter. Sie sagen: Die Personen sollen mitwirken an ihrer Aberkennung.

(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Na, selbstverständlich!)

Die Betreffenden wissen gar nicht, warum, weil sich die Lage im Herkunftsland gar nicht verändert hat.

(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)

Wenn sie nicht mitwirken an dieser Prüfung, dann können sie mit Zwangsgeld belegt werden.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist normales Recht!)

Das ist absoluter Irrsinn, meine Damen und Herren, und das können wir so nicht mitmachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Dann zu der Politik, die Sie damit verbinden. Sie sagen, dass Sie der Bevölkerung Sicherheit geben wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie erwecken gerade den Eindruck, dass die Behörden nicht systematisch qualitativ gut gearbeitet haben. Das stimmt sogar. Aber uns wurde bestätigt: Beim vermeintlichen Fall in der Bremer Außenstelle des BAMF, die angeblich systematisch falsche Bescheide ausgestellt haben sollte, ist nichts herausgekommen. Das war nur ein Beispiel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sicherlich ist jeder Einzelfall wichtig. Aber hier hat sich gezeigt, dass trotz des Versagens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht systematische Täuscherinnen und Täuscher sind, wie Sie das hier darstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher können wir diesen Gesetzentwurf nur ablehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)