Foto von Agnieszka Brugger MdB
27.04.2023

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Kriegsausbruch im November 2020 hat der Konflikt in Äthiopien mehr als eine halbe Million Todesopfer gefordert. Alle Konfliktparteien sind für Menschenrechtsverletzungen in einem erschütternden Ausmaß verantwortlich: von willkürlichen Verhaftungen und Hinrichtungen über Folter, sexualisierte Gewalt bis hin zur systematischen Abriegelung der Region Tigray und zum Einsatz von Hunger als Waffe.

Die äthiopische Menschenrechtskommission und das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte äußern sogar hinreichenden Grund zur Annahme, dass in mehreren Fällen die völkerrechtlich verankerten Tatbestände von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllt sind. Das alles muss weiter aufgearbeitet werden; das alles darf nicht folgenlos bleiben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Anikó Glogowski-Merten [FDP])

Insbesondere die Gewalt der eritreischen Truppen war nach ihrem Einmarsch im Norden von besonderer Skrupellosigkeit geprägt. Auch deshalb fordern wir in unserem Antrag deren Abzug aus Äthiopien.

Meine Damen und Herren, umso erschreckender und unverständlicher ist es aber, wie wenig Aufmerksamkeit dieser brutale Krieg mit all seinen furchtbaren Folgen für die Menschen dort erfahren hat. Bei Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, gerade in einem solch erschütternden Ausmaß, darf die Weltöffentlichkeit nicht wegschauen. Deshalb war es uns als Koalition ein wichtiges Anliegen, auch hier im Parlament noch einmal den Fokus auf die nach wie vor angespannte Lage, aber auch auf den von der Afrikanischen Union vermittelten Waffenstillstand zu legen.

Auch wenn der ursprüngliche Konflikt zum Glück derzeit nicht mehr mit schärfster Waffengewalt ausgetragen wird, gilt es umso mehr, den Weg hin zu einem echten Friedensprozess nicht nur entschieden zu unterstützen, sondern ihn von allen Konfliktparteien einzufordern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Von wirklichem Frieden und echter Sicherheit sind die Menschen am Horn von Afrika allerdings noch weit entfernt; das zeigt nicht nur der aktuell verheerende und blutige Machtkampf im Sudan. Auch angesichts der Auseinandersetzungen in Äthiopien sieht man, wie entscheidend die Frage der Entwaffnung und Reintegration aller regionalen Milizen für einen dauerhaften Frieden ist.

Die Wunden, die dieser furchtbare Krieg hinterlassen hat, sind tief. Umso beeindruckender strahlt trotz all dem Leid die Kraft vieler Äthiopier/-innen, die sich für eine Aufarbeitung der Gewalt, für Wiederaufbau, für Teilhabe und Aussöhnung der Gesellschaft einsetzen. Auch das zeigt einmal mehr: Die Beteiligung von Frauen, von jungen Menschen, Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft ist die beste Voraussetzung für eine echte Chance auf Aussöhnung und nachhaltigen Frieden – ganz im Sinne einer feministischen Außenpolitik, die wir ja nicht für uns, sondern vor allem für die Menschen vor Ort gestalten wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das Engagement der Bundesregierung in enger Abstimmung mit den afrikanischen Partnern und Organisationen hat dabei unsere vollste Unterstützung. Es war keine übliche Reise, sondern ein sehr wichtiges Zeichen, dass Außenministerin Annalena Baerbock gemeinsam mit ihrer französischen Amtskollegin im Januar genau diese Botschaft in Äthiopien bekräftigt hat. Umso mehr begrüßen wir auch, dass Bundeskanzler Scholz demnächst mit seiner Reise und der heutigen Rückendeckung aus dem Parlament das deutsche Engagement hochkarätig vor Ort zum Ausdruck bringt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die nächste Rednerin ist Dr. Katja Leikert für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)