Rede von Harald Ebner Aktuelle Stunde „Atomkraft“

Foto von Harald Ebner MdB
19.04.2023

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Über die Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde wurde schon gesprochen. Ich finde, die ist falsch. Darin steht nämlich als zweiter Teil: „Für eine zuverlässige und klimafreundliche Energieversorgung in Krisenzeiten“. Da fehlt noch was. Ich würde sagen, man müsste ergänzen: Für eine entsprechend zuverlässige und klimafreundliche Energieversorgung braucht es eines ganz bestimmt nicht, und das ist Atomkraft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das wäre meine Ergänzung zu dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Abgelehnt!)

Heute in sieben Tagen jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 37. Mal. Vor zwölf Jahren mussten wir zusehen, was in Fukushima passierte.

(Stephan Brandner [AfD]: Seitdem ist nichts mehr passiert! Müssen wir auch mal sehen!)

Das Risiko soll jetzt gebannt sein, weil Krieg in der Ukraine ist? Ist das wirklich Ihr Ernst, liebe Union, oder surfen Sie ganz einfach randalierend auf der Welle? Die IAEO schlägt Alarm, weil in der Ukraine der Aggressor Russland AKWs gezielt als Drohkulisse und als Waffe einsetzt.

(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

Kein AKW dieser Welt ist gegen militärische Angriffe geschützt; das wissen Sie genau.

Sind denn die Risiken vorhersehbar? Gibt es am Ende einen Tsunami am Oberrhein? Werfen wir mal einen Blick über den Rhein nach Frankreich, einen Nettostromimporteur. Die zweitgrößte AKW-Flotte der Welt steht zum Großteil wegen fehlenden Kühlwassers still – das haben wir schon gehört – und bietet allein schon deshalb keine Versorgungssicherheit. Aber noch viel problematischer ist, dass dort ständig neue Risse in hochsensiblen Rohrsystemen auftauchen, wo sie überhaupt nicht erwartet worden waren. Ja, Herrgott! Hinterher erklären hilft halt nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])

Wenn wir Learning by Doing mit einer Hochrisikotechnologie machen, dann ist es maximal unverantwortlich.

Die Abschaltung am letzten Samstag hat unser Sicherheitsrisiko in Deutschland enorm gesenkt, uns einen enormen Sicherheitsgewinn gebracht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Union vernachlässigt die nukleare Sicherheit und spielt mutwillig mit dem Feuer. Wären AKW nicht ohnehin nicht versichert: Ihnen würde jede Versicherung sofort den Vertrag kündigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Billig ist Atomkraft schon gleich zweimal nicht. Sie ist die teuerste Energieform, die wir uns vorstellen können.

(Marc Bernhard [AfD]: Deswegen kostet der Strom in Frankreich auch die Hälfte, oder, wenn sie die teuerste Energieform ist? Was für ein Schwachsinn ist das denn!)

Schon wieder lohnt sich ein Blick nach Frankreich. Schauen Sie doch mal nach Frankreich! Die EDF ist mit über 60 Milliarden Euro verschuldet, steht in der Kreide und kommt ohne Staatshilfe da überhaupt nicht mehr raus. Also, da funktioniert es schon mal nicht.

Auch die deutschen AKW müssten erst mal überprüft werden, nachgerüstet werden.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Haben Sie alles versäumt! – Marc Bernhard [AfD]: Warum haben wir denn die höchsten Strompreise der Welt? Warum? Weil wir das einzige Land sind, das aus der Kernenergie aussteigt!)

Was da an Kosten rauskommt, kann von Ihnen auch niemand sagen.

Jetzt fordern Sie ein Rückbaumoratorium. Was heißt denn das? Das heißt doch: eine AKW-Reserve. Habe ich Sie richtig verstanden? Sie wollen die Dinger im Reservebetrieb belassen.

(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Sie setzen auf französischen Atomstrom in den Szenarien!)

So, dann schauen wir doch mal. Dann müssen Sie den Betreibern die Kosten erstatten. Da reden wir über Kosten von 7 Milliarden Euro und mehr pro Jahr. Wo nehmen Sie denn, bitte schön, dieses Geld her?

Frau Klöckner hat Finnland erwähnt. Finnland, wunderbar! Da darf ich ganz kurz die „Süddeutsche“ zitieren, die geschrieben hat:

Gegen die Pannen, Verzögerungen und Kostenexplosionen beim Bau des dritten Olkiluoto-Reaktors war der Bau des Berliner Flughafens eine perfekt choreografierte Punktlandung …

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Michael Kruse [FDP])

Besser kann man es an der Stelle überhaupt nicht sagen.

Zum Thema Klima. Die CSU hat vor drei Jahren getwittert: „Wir steigen aus Kohle und Atom aus“ und war ganz stolz dadrauf. Jetzt sage ich Ihnen eins: Wir steigen noch schneller aus der Kohle aus, als die Union das jemals zugelassen hätte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Machen Sie doch mit, auch im Osten! Machen Sie doch mit, dann steigen wir auch noch bei Lützerath aus! Aber da sind die angeblichen Klimafreunde plötzlich dagegen. Sie wollen ja auch kein Tempolimit oder ein Verbrenner-Aus. Sie wollen auch lieber alte Öl- und Gasheizungen mit fossilen Klimakillern betreiben. Das sind die Klimafreunde, die sich da neu erfunden haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben 16 Jahre lang jeden Fortschritt im Klimaschutz behindert und gebremst, und jetzt wollen Sie ernsthaft Atomkraft fürs Klima, wo doch alles andere viel billiger ist.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Kohlelobbyisten!)

Ich komme tatsächlich zum Schluss, Frau Präsidentin.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wird auch höchste Zeit!)

Am Ende reden Sie auch nicht über Endlagerung. Der lautstärkste Apologet der Atomkraft, der AKWs in Eigenregie betreiben will, sagt: Ein Endlager ist überall möglich, nur nicht in Bayern. – So geht es nicht, meine Damen und Herren. Wir schreiten voran mit den Erneuerbaren. Dafür ist jetzt der Weg frei.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Michael Kruse das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)