Rede von Jürgen Trittin Aktuelle Stunde „Bundeswehreinsätze in Mali“

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18.02.2022

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt hier einen breiten Konsens zur Mission EUTM.

(René Springer [AfD]: Afghanistan hatte 20 Jahre einen Konsens!)

Es heißt aber, vor dem Hintergrund des Militärputsches müsse man schwarzsehen, was die Fortsetzung dieser Mission angeht. Ich könnte auch noch darüber sprechen, wie ich Takuba und Barkhane einschätze. Es ist nicht nur schlecht, dass es dort zu weniger Einsätzen kommt; denn viele – wie es so schön heißt – der Kollateralschäden, die es in der Zivilbevölkerung gegeben hat, haben den Stabilisierungsauftrag von MINUSMA vielfach untergraben.

Ich glaube aber, das ist nicht das Eigentliche. Das Eigentliche ist: Ich möchte mich mit einer nationalistischen Wahrnehmung auseinandersetzen, die ich hier vielfach angetroffen habe. Da will ich ganz klar entgegenhalten: Krieg beginnt nicht dann, wenn sich Deutsche und Europäer daran beteiligen. Anders als es die Äußerungen von Gregor Gysi gestern nahegelegt haben, haben die Kriege auf dem Balkan nicht 1999 begonnen, sondern sehr viel früher. 1999 hat es bereits zehn Jahre lang Balkankriege gegeben. Das war die Realität. Aber Kriege enden auch nicht, wenn sich Europäer zurückziehen. Dafür ist die Region, über die wir heute sprechen, ein beredtes Beispiel.

Eine kluge Kanzlerin und ein kluger Außenminister Guido Westerwelle, unterstützt von der damaligen Opposition, haben damals gesagt: Wir beteiligen uns nicht an dem Krieg in Libyen. Aber was ist passiert, nachdem der Krieg dort beendet war und sich die Alliierten zurückgezogen haben? Das Ergebnis ist gewesen, dass der ganze Raum komplett destabilisiert wurde. Terroristen und Islamisten haben sich an den Waffenvorräten bedient, die Franzosen und Briten, als sie noch Freunde von Gaddafi waren, dorthin geliefert haben, und haben sich überall verbreitet. Das war übrigens der Hintergrund – und nicht der Kolonialismus –, dass die Vereinten Nationen gesagt haben: Wir möchten eine Vereinbarung haben, um dies zu vollenden. – Damit das abgesichert wird, haben die Vereinten Nationen MINUSMA begründet. Das heißt, wir werden sehr genau zu beurteilen haben, ob wir, wenn MINUSMA beendet wird, nicht wieder solchen Raum für Krieg eröffnen. Das werden wir sehr ernsthaft zu prüfen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dann möchte ich ein weiteres Missverständnis klären. Wir reden hier immer von den Einsätzen der Bundeswehr. Aber nicht jeder Einsatz ist wie der andere. Es gibt zum Beispiel einen Unterschied zwischen einem offen völkerrechtswidrigen Krieg wie dem der Türkei in Syrien,

(Ali Al-Dailami [DIE LINKE]: NATO-Partner!)

dem Krieg der USA gegen den Irak und solchen Stabilisierungsmissionen, die von dem dafür von der Weltgemeinschaft vorgesehenen UN-Sicherheitsrat mandatiert wurden. Das hat auch nichts mit Kolonialismus zu tun. Bei MINUSMA stellen Tunesier, Menschen aus anderen afrikanischen Staaten und Indonesier sogar die Mehrheit im Vergleich zu den Europäern. Die Aufgabe dieses Einsatzes ist es, eine politische Vereinbarung abzusichern und ihre Einhaltung zu überwachen. Das dortige Engagement ist nicht schrecklich; wir fürchten es nicht. Was wir jedoch fürchten, ist, dass dieser Stabilisierungsansatz durch die Regierung der Putschisten so untergraben wird, dass es nicht mehr möglich ist, die Aufgabe zu erfüllen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist doch schon so!)

Dann komme ich zum Letzten. Da ich von Nationalismus gesprochen habe, liebe Linke und Rechte, und da wir uns hier nicht im Bereich der Unilateralität befinden: Unilaterale Abzüge sind auch unilateral. Nicht nur unilaterale Kriege sind unilateral. Wir werden entsprechende Diskussionen im Rahmen der Vereinten Nationen gemeinsam zu führen haben. Der Zeitpunkt wird sein, wenn das Mandat Ende Mai/Anfang Juni ausläuft.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Dann werden die Leute wieder zurückgelassen! Ihr habt aus Afghanistan nichts gelernt!)

Wir werden mit den anderen Partnern in den Vereinten Nationen – diese Weltgemeinschaft stellt eine regelbasierte Weltordnung dar – die Entscheidung treffen, ob wir MINUSMA fortsetzen und, wenn ja, in welchem Umfang und mit welchen Fähigkeiten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Ulrich Lechte für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)