Rede von Marcel Emmerich Aktuelle Stunde „Einwanderung“

Marcel Emmerich MdB
21.09.2023

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde, in dieser Debatte, zeigt sich wieder, wie die AfD unterwegs ist.

(Zurufe von der AfD)

Sie stufen andere herab, Sie beleidigen andere. Geflüchtete sind in Ihren Augen keine Menschen; für die haben Sie nur Verachtung übrig.

(Dr. Gottfried Curio [AfD]: Hetzen Sie nicht so viel!)

Sie sind für Sie keine Menschen, die Hunger haben, die schlafen müssen, Menschen mit Träumen und Wünschen. Sie wollen Mitmenschen leiden sehen.

(Dr. Gottfried Curio [AfD]: Hetzen Sie nicht so viel! Ein bisschen weniger Verleumdung! – Weitere Zurufe von der AfD)

Und ich sage Ihnen noch etwas: Ihre Politik ist gescheitert, und Ihre Politik scheitert. Ihre rechtsextremen Geschwister in Italien, Giorgia Meloni und Matteo Salvini, kriegen da gar nichts auf die Kette! Keine Ordnung, nur Chaos – das ist die Politik von Postfaschisten, von Rechtsextremen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Widerspruch bei der AfD)

Sie kriegen nichts auf die Kette! Sie machen nichts besser, aber alles schlechter! Das ist die AfD!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Schreien Sie nicht so rum! – Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie schreien doch selber rum!)

Und jetzt schauen wir uns die Vorschläge, die zur Debatte stehen, noch einmal genauer an. Es gibt momentan so etwas wie einen Wettbewerb um die härteste Forderung gegen Geflüchtete.

Erstens: stationäre Grenzkontrollen, flächendeckend; Herr Amthor hat es ausgeführt. Das ist wirklich Placebopolitik aus dem Lehrbuch.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Nein! Die die Probleme lösen! Anders als ihr!)

Nehmen wir dazu mal den Brief der Gewerkschaft der Polizei zur Hand, der diese Woche an die Mitglieder des Innenausschusses des Deutschen Bundestages geschickt wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich zitiere: Auch mit stationären Grenzkontrollen sind Zurückweisungen in das Nachbarland im Regelfall gesetzlich nicht möglich, wenn die Person Asyl begehrt hat, erst recht bei Asylersuchenden aus den Hauptherkunftsstaaten mit sehr hoher Schutzquote.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Auch an der deutsch-österreichischen Grenze wird heute faktisch niemand, der „Asyl“ sagt, zurückgewiesen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Bei gegenderten Polizeibriefen sollten Sie schon skeptisch werden!)

Wir sehen also: Stationäre Grenzkontrollen funktionieren nicht, außer man möchte an das Asylrecht ran.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das sollten Sie mal machen! – Zurufe von der AfD)

„Die Akzeptanz dafür ist gestiegen“, haben Sie gesagt. Und dann greifen Sie gleich zu, oder nicht, Herr Thorsten Frei von der CDU? Sie wollen nämlich das individuelle Recht auf Asyl abschaffen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Guter Vorschlag! Das würde Probleme lösen, anders als Ihre Politik!)

Das hat in Europa auch schon Viktor Orban durchgesetzt, und zwar rechtswidrig, laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Nein! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Falsch!)

Damit zu Punkt zwei. Was ist mit unserer historischen Verantwortung? Was passiert im Mittelmeer danach? Was ist mit der schrecklichen Situation an den Außengrenzen? Wird irgendwas besser? – Nein.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Durch Ihre Ignoranz aber auch nicht!)

Punkt drei. Die CSU hat die Obergrenze wiederentdeckt, aber noch immer kein Konzept und keine schlüssige Antwort auf die Frage: Was passiert mit den Geflüchteten an der Stelle 200 001? Das sind Nebelkerzen. Das ist: Sand in die Augen streuen. Ich muss sagen: Ich bin da enttäuscht.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Damit können wir leben!)

Ich bedaure es sehr, dass in der Union ein so optimistischer und von Verantwortung strotzender Satz wie „Wir schaffen das“ überhaupt nichts mehr bedeutet.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Weil Sie es nicht schaffen, das ist das Problem! Sie schaffen es nicht!)

Ich sage es Ihnen ehrlich und aufrichtig: Das ist keine Rückendeckung für die Helferkreise, für die engagierten Kräfte in den Behörden, bei Caritas und Rotem Kreuz. Das ist wirklich sehr traurig, was mit Ihnen passiert. Von Ihrer Geschichte von „Wir schaffen das“ ist in Ihrer Fraktion, in Ihren Reihen leider nur noch ganz wenig übrig.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie erkennen das Problem nicht! Sprechen Sie mal über die Regierungspolitik!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben Antworten.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Antworten? Jetzt aber!)

Wir arbeiten sehr, sehr intensiv daran, überlegen zusammen mit den Kommunen – wir stehen alle im Austausch mit den Bürgermeistern und Landräten –, was wir da tun können.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Dann hören Sie denen zu! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie hören aber nicht zu! – Zuruf von der AfD: Seit Jahren ändert sich nichts!)

Es geht natürlich darum, dass wir die Kommunen finanzkräftig unterstützen, bei Wohnungsbau, Kitas und Integrationsarbeit. Dahin gehend ist eine Integrationsoffensive wichtig, um die Ausländerbehörden zu unterstützen, die Verfahren zu entbürokratisieren, um Sprachkurse nach vorne zu bringen, da auch mal ganz neu zu denken in Richtung E-Learning.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: 500 000 Lehrer gehen im nächsten Jahr! Wo sollen die denn herkommen?)

Auch die Frage der Beschäftigungsverbote steht immer noch auf der Agenda. Da müssen wir ran. Das sind alles wichtige Punkte. Es wird viel zu viel über Abschottung geredet und viel zu wenig darüber, wie wir mit Integration hier die Kurve bekommen können. Und dazu tragen Sie hier in diesem Haus überhaupt nichts bei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Und der Haushaltsplan? Da wurden gerade wichtige Positionen gestrichen!)

Wir haben ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht – 400 000 Fachkräfte fehlen in diesem Land –, und dagegen haben Sie sich gestemmt.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Gegen die Art und Weise, wie Sie das getan haben!)

Wir haben das Chancen-Aufenthaltsrecht auf den Weg gebracht, das Geflüchteten eine Perspektive gibt, die hier geduldet sind, die in Betrieben dringend gebraucht werden. Diesbezüglich haben Sie überhaupt keine wirtschaftliche Vernunft mehr an Bord.

All das sind wichtige Punkte. Gleichzeitig arbeitet diese Koalition an Migrationsabkommen, weil das ein Baustein für eine moderne Migrationspolitik ist. Und da werden wir auch liefern. Das ist unser Ansatz als Ampelkoalition. Wir schauen der Realität ins Auge, und wir arbeiten an Lösungen, aber nicht auf so eine Art und Weise, bei der das Wort „Humanität“, wie bei Ihnen, überhaupt nicht mehr vorkommt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Und für die Fraktion Die Linke hat das Wort Clara Bünger.

(Beifall bei der LINKEN)