Foto von Konstantin von Notz MdB
28.09.2023

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Moin, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Bereich der Migration gibt es große aktuelle Herausforderungen. Es kann gar keinen Zweifel geben: Die Politik – Bund, Länder und Kommunen – muss sich diesen Herausforderungen gemeinsam stellen. Aber die Tonlage der Debatte ist auch entscheidend für eine solch ernsthafte Diskussion.

Sehr treffend fand ich einen Diskussionsbeitrag in dem Blog „feinschwarz“ von Autoren, die sich im „Netzwerk Christliche Sozialethik“ der jungen CDU-Sozialausschüsse engagieren. Die Autoren stellen dort fest: Die Führungsspitze der CDU lasse sich – und ich zitiere –

„von populistischer Rhetorik und agenda setting der Neuen Rechten leiten, indem etwa klar besetzte Begriffe und talking points aus diesem Milieu für christdemokratische Politik übernommen werden und dadurch die Gefahr einer Normalisierung dieser verwerflichen Positionen besteht.“

Zitat Ende. – Dieser Text, den ich zitiert habe, ist Wochen alt, aber, meine Damen und Herren, er könnte nicht aktueller sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Denn die Aussagen des Kollegen Merz – ich sehe ihn gerade nicht, aber eben war er noch da –,

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Er stimmt gerade ab!)

die er gestern gemacht hat, sind objektiv falsch und menschlich niederträchtig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich bin, ehrlich gesagt, nicht bereit, sie auch nur andeutungsweise zu wiederholen, aber sie sind auf dem Niveau eines russischen Troll-Accounts

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und des Fraktionsführers einer demokratischen Partei in diesem Hohen Hause unwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!)

Hören Sie endlich auf damit, Ihre unionsinternen Querelen, die Merz’sche Vendetta mit Angela Merkel und dem Jahr 2015 und die Richtungskämpfe in Ihrer Partei auf dem Rücken der oftmals in größter Not in unser Land gekommenen Leute auszutragen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Josef Oster [CDU/CSU]: Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?)

Vor allem – und das ist eigentlich der Kernpunkt, Herr Kollege Oster –: Bei allen ernsten Herausforderungen, die wir haben, hilft uns so was nullkommanull Prozent weiter.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch mal Vorschläge!)

Es ist destruktiv: diese Fake News, die Spaltung, der Populismus. Wir brauchen Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und ich sage Ihnen mal, was wir brauchen:

(Josef Oster [CDU/CSU]: Ja, machen Sie mal!)

Verbindliche europäische Verteilmechanismen, mehr Geld für die Kommunen, das die CSU gerade übrigens zurückhält,

(Beifall des Abg. Sascha Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Investitionen in die Infrastruktur bei Wohnraum, Abbau von Bürokratie bei den Ausländerbehörden, faire Migrationsabkommen, die die Union in all den Jahren nie zustande gebracht hat, die Abschaffung von Arbeitsverboten, um die Integration zu erleichtern. Das ist der Weg,

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Machen Sie doch was! Sie regieren doch!)

und das ist der Weg, den die Ampel geht. Sie haben nichts auf der Pfanne, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und das macht diese Aktuelle Stunde deutlich: nichts auf der Pfanne außer warmer Luft von Herrn Dobrindt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Dobrindt, Sie, die CSU ist jetzt in dieser Debatte unterwegs mit einer Obergrenze – allen Ernstes mit einer Obergrenze! Mit dem Begriff hat Horst Seehofer Thomas de Maizière monatelang getrollt, um dann selbst Innenminister zu werden – um dann was vier Jahre lang nicht gesetzlich zu regeln?

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Eine Obergrenze mit der SPD! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Vereinbart im Koalitionsvertrag!)

Eine Obergrenze.

(Sebastian Hartmann [SPD]: Aha! Sie haben es nicht gemacht! – Dunja Kreiser [SPD]: Es gab keine! Niemals!)

Vier Jahre lang CSU-Verantwortung im Innenministerium: Keine Obergrenze, meine Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist heiße Luft, es ist die Simulation von Politik, was Sie da betreiben, und es ist Wahlkampf. Eine so ernsthafte Debatte, wie wir sie führen, taugt nicht dafür, das so zu instrumentalisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Lösen Sie Probleme!)

Letztendlich – das wissen ja alle hier im Raum – ist es so: Es ist nicht nur eine innenpolitische Frage, sondern wir alle wissen, dass das Thema Migration ganz bewusst aus Russland angeschärft wird, um unsere Gesellschaft hier zu spalten.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Tun Sie was dagegen!)

Weidels Alternative für Deutschland – das hat man eben an Herrn Curio gut sehen können – ist das autoritäre Russland.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Davon muss man sich doch als Demokratin und Demokrat distanzieren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Da kann man doch nicht das Wording übernehmen, Herr Throm.

Noch ein Gedanke. Wir sind lange in der Opposition gewesen und haben 16 Jahre Union mitgemacht, und wir haben – Herr Throm, Sie werden sich erinnern – Sie oft hart kritisiert. Aber wir haben immer auch das Verbindende gesucht. Wir haben immer die Konstruktivität gesucht.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Herr Throm, dass Sie lachen, zeigt, dass Sie ein Kurzzeitgedächtnis haben. Das ist nicht schlimm.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU)

In der Finanzkrise, in der Eurokrise, 2015 und – Jens Spahn ist mein Zeuge; wo ist er? – in der Coronazeit, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– wir haben die gemeinsame Mitte gesucht. Wir haben mit abgestimmt, wir haben mit gerungen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss!

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

All diese Konstruktivität lassen Sie jetzt sträflich vermissen, und so geht es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege von Notz. – Bei der Aktuellen Stunde ist das Zeitmanagement noch restriktiver als normal. Darauf werde ich sehr sorgfältig achten.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Clara Bünger, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)