Rede von Katrin Uhlig Aktuelle Stunde „Energiepolitik“
Katrin Uhlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Bundesrechnungshof hatte ich bis letzte Woche mit anderen Themen verbunden, insbesondere mit der grundsätzlichen Kontrolle der Ausgaben des Bundes. Wofür ich ihn bisher noch nicht im Blick hatte, waren tiefergehende Kenntnisse in den Bereichen Strommarktdesign, Energiewirtschaft und Genehmigungsrecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Im Jahr 2022!)
Im Bericht wird kritisiert – ich habe den nämlich gelesen, Herr Spahn –, dass, obwohl im Jahr 2022 Maßnahmen ergriffen wurden, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, in den Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land 2023 nicht ausreichende Gebote abgegeben worden wären. Schauen wir uns diesen Punkt doch einmal genauer an. Im Sommer 2022 wurden die neuen Regelungen für Flächenausweisungen und Genehmigungsverfahren beschlossen. Wir können jetzt schon sehen, dass sich etwas tut. Alle Länder sind aktiv geworden, prüfen auf Grundlage des Wind-an-Land-Gesetzes Flächen und steigen in Planungsverfahren ein. Gleichzeitig sind viele Windprojekte angestoßen worden, und Anlagen, die lange in Genehmigungsprozessen festhingen, wurden inzwischen genehmigt. Diese Genehmigungen aber sind Grundlage für eine Beteiligung an den Ausschreibungen.
Die Planungen und Genehmigungen zur Errichtung einer Windenergieanlage, selbst wenn man diese beschleunigt, dauern wesentlich länger als zum Beispiel die Installation einer Solaranlage auf einem Haus.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Warum macht ihr dann solche Ausschreibungen?)
Ob sich wirklich etwas geändert hat, wird sich bei Wind an Land erst zeitverzögert zeigen. Es gibt aber bereits heute Anzeichen dafür, dass es einen zunehmenden Ausbau gibt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)
Besonders interessant fand ich, dass an vielen Stellen im Bericht bereits vermerkt wurde, dass eine Vielzahl von Hinweisen bereits in einem Bericht 2021 angesprochen wurde. Das heißt, eine Vielzahl der Hinweise sind nicht neu. Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Zur Wahrheit gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, dass wir gerade Schritt für Schritt die Probleme lösen, die Sie uns aus den Jahren Ihrer Regierungsverantwortung hinterlassen haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Probleme hätten wir ohne sie nicht!)
Dass dies nicht über Nacht geschehen kann, sondern bei Berücksichtigung der Versorgungssicherheit Schritt für Schritt ordentlich geschehen muss, muss mit Blick auf Planungssicherheit selbstverständlich sein.
Klar ist aber auch: Wir brauchen bezahlbare Strompreise für die Menschen in unserem Land genauso wie für die Unternehmen. Deshalb: Lassen wir doch mal die unterschiedlichen Perspektiven und Bedenken zur Nutzung einzelner Energieträger beiseite. Auch Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wenn Sie wirklich ehrlich sind, dass weder neue Atomkraftwerke noch neue Kohlekraftwerke bezahlbar sind, und da haben wir nur von den Investkosten gesprochen und nicht von der Abhängigkeit von den Importen
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was kosten denn Ihre Solaranlagen?)
und auch nicht von den Folgekosten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie wissen auch, dass die Wirtschaft nicht nur Versorgungssicherheit braucht, sondern mehr grünen Strom und grünen Wasserstoff,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Es gibt Wasserstoff!)
um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Und Sie wissen auch, dass die Bewältigung der extremen Auswirkungen der Klimakrise, wenn wir nichts tun, von der Nordsee bis zu den Alpen, von der Landwirtschaft bis zur Industrie, uns unglaublich viel mehr kosten wird.
(Zuruf von der AfD)
Werte Kolleginnen und Kollegen der Union, ich gebe zu, ich finde es mutig von Ihnen, heute eine Aktuelle Stunde zu einem Thema anzumelden, für das Ihre Fraktion, die sich ihrer Wirtschaftskompetenz rühmt, gar kein eigenes Konzept hat,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
und das, obwohl Sie einen Fraktionsvorsitzenden und einen zuständigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden haben, die beide aus dem Energie- und Industrieland NRW kommen. Das kann ich wirklich nicht nachvollziehen.
Man kann natürlich als Opposition immer sagen: „So, wie Sie das machen, wollen wir das nicht. Wir sehen die Probleme“, oder: „Wir lehnen Ihre Politik ab.“ Aber meine Frage lautet dann – und sie wurde heute schon wieder nicht beantwortet –: Was wollen Sie dann? Wie würden Sie es machen?
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nicht zugehört!)
Welche Ideen und Lösungen haben Sie für die aktuellen Herausforderungen, vom Bundeshaushalt über die Energiewende bis zur Transformation der Wirtschaft?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Da wird die vermeintlich einfache Antwort der ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Thema vorgezogen.
Anständige und solide Politik setzt sich ernsthaft mit den Herausforderungen dieses Landes auseinander, beschäftigt sich damit, vor welchen Herausforderungen Menschen und Unternehmen stehen, und gibt darauf Antworten. Alles, was ich von Ihnen heute gehört habe, ist: So nicht! Seien Sie doch auch hier mal mutig. Erarbeiten Sie gute und echte Vorschläge, bringen Sie sie in unsere Debatten ein; dann freue ich mich auf eine ehrliche, offene und anständige Diskussion darüber,
(Zuruf des Abg. Andreas Jung [CDU/CSU])
welcher Weg der beste ist und wie wir die entscheidenden Weichen stellen, um dieses Land und diesen Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft zu machen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Aktuelle Stunde ist beendet.