Rede von Bernhard Herrmann Aktuelle Stunde „Energieversorgung im Winter“

23.06.2022

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, liebe CDU/CSU, dass Sie Ihr Recht und Ihre Pflicht als Opposition wahrnehmen und diese Aktuelle Stunde zu einem wahrlich ernsten Thema beantragt haben. Wir werden uns schnell einig, dass wir über die Versorgungslage im kommenden Winter nicht oft genug debattieren können, gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen. Noch mehr hätte ich mich aber gefreut, wenn Sie in den 16 Jahren Regierungszeit mit gleichem Eifer gehandelt hätten. Dann wären wir heute beim Ausbau der Erneuerbaren inzwischen Spitzenreiter, und die heutige Debatte wäre eine ganz andere.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja! Noch schlimmer!)

Und jetzt fordern Sie Planwirtschaft, Herr Gebhart, auch noch den VEB Atom? Sie fordern, dass der Staat einsteigt? Ist das Ihr Ernst?

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die Heizkosten werden steigen, weil Deutschland die Energiewende verschlafen hat und der Ausbau der Erneuerbaren jahrelang ausgebremst wurde. Unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern haben wir einer Politik des Ausweichens und Blockierens zu verdanken. Deshalb ernten wir heute, was Sie jahrelang gesät haben.

(Beifall des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir Grüne haben immer schon vor dieser fatalen Abhängigkeit gewarnt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Liest man den von Ihnen gewählten Titel der Aktuellen Stunde, so könnte man meinen, Sie hätten auch die letzten Monate verschlafen. Seit Beginn des Ukrainekriegs arbeiten Herr Habeck und sein Ministerium mit Hochdruck daran, die Versäumnisse vergangener Jahre wieder geradezubiegen. Entschlossener und zielgerichteter kann man gar nicht vorsorgen. Am heutigen Tag zeigt sich das umso mehr. Wir rufen die Alarmstufe aus, weil wir schnell und vorausschauend handeln.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, ohne Zweifel müssen wir die Aufgabe, die uns ab sofort für den kommenden Winter bevorsteht, gemeinsam und solidarisch als Gesellschaft bewältigen. Dahin gehend richtet sich auch der heutige Appell des Wirtschaftsministers, den ich mit aller Kraft unterstütze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit uns dieser gemeinsame Kraftakt gut gelingt, haben wir hier im Bundestag längst Gesetze auf den Weg gebracht und bereiten weitere vor. Oster- und Sommerpaket sind ja breit bekannt. Unser Kurs ist klar und lösungsorientiert: Wir tun alles, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, vor welcher Ausgangslage wir noch vor wenigen Monaten standen. Für die aktuelle Situation bestanden keine vorausschauenden Gesetzespakete; es gab keine Pläne in der Schublade. All das musste innerhalb weniger Wochen im Akkordtempo aus dem Boden gestampft werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat also sofort angepackt und mit der Diversifizierung unserer Energieversorgung losgelegt. Mit höchstem Tempo wird die Versorgung mit Flüssigerdgas vorbereitet. Unsere Abhängigkeit von Russland bei Kohle und Öl ist beachtlich geschrumpft.

(Zuruf des Abg. Petr Bystron [AfD])

Wir haben noch vor wenigen Wochen das Gasspeichergesetz im Bundestag auf den Weg gebracht. Und auch, wenn wir uns alle einen anderen Verlauf gewünscht hätten: Wir haben gegenwärtig Rechtsinstrumente, mit denen wir unverzüglich reagieren konnten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zur langfristigen Wahrung unserer Versorgungssicherheit gehört ohne Wenn und Aber ein beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren; da müssen wir schleunigst auf die Tube drücken. An der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, können Sie uns tatkräftig unterstützen, damit wir unseren gemeinsamen Zielen endlich näherkommen. Gleichzeitig wissen wir um die Last und die Sorgen vieler Menschen, die nicht warten können, bis wir politisch alle Wogen geglättet haben. Deshalb haben wir kurzfristig gehandelt und mehrere Entlastungspakete und Maßnahmen auf den Weg gebracht, darunter den Heizkostenzuschuss und die Energiepreispauschale. Hohe Energiekosten betreffen auch den täglichen Arbeitsweg. Dazu haben wir das 9‑Euro-Ticket eingeführt, und wir Grüne werden die Erfahrungen mit der Ticketnutzung ernst nehmen und uns dafür einsetzen, dass wir längerfristige Lösungen für eine bezahlbare, klimafreundliche Mobilität finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wir werden uns generell starkmachen für eine gerechtere Lastenverteilung.

Zur gegenwärtigen Wahrheit gehört aber auch, Unbequemes zu benennen. Wir müssen sorgsam mit vorhandener Energie umgehen. Alles, was wir heute an Energie einsparen, hilft unserer Versorgungssicherheit, hilft uns allen, hilft unserer Industrie und bringt uns gelassener über die Wintermonate. Deshalb begrüße ich es als Fachpolitiker ausdrücklich, dass das BMWK gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Verbänden zum Energiesparen aufgerufen hat. Jede und jeder kann und sollte mitmachen. Ich würde mir wünschen, dass diese einfache Möglichkeit des Mithelfens und die Wirkungskraft dahinter viel tiefer in unser aller Bewusstsein rückt und auch breiter in die Gesellschaft hinein und vor allem über diejenigen hinaus, die ohnehin schon energiesparsam sind oder bisher schon sein mussten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade für diese Menschen haben wir alle gemeinsam die Pflicht, uns solidarisch zu verhalten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Als Nächstes erhält das Wort für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Michael Kruse.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Bengt Bergt [SPD])