Rede von Maik Außendorf Aktuelle Stunde: "Freihandelsabkommen"

Mail Außendorf MdB
29.11.2023

Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte hat ja zumindest schon mal eines gezeigt: Es besteht noch Hoffnung für die Union, aus den 90er-Jahren herauszukommen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Heul nicht! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Ihr seid in der Steinzeit!)

Wenn Sie weiter so fleißig Videostreams vom Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen schauen, dann besteht noch Hoffnung. Darüber freue ich mich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die Leute fanden es ja ganz gut, glaube ich! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann wissen wir ja schon mal, was der Running Gag für die nächsten zwei Monate ist!)

Sie reden ja viel über den Parteitag; vielleicht hätte der Titel der Aktuellen Stunde besser „Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen“ lauten sollen. Aber nun geht es um Freihandelsabkommen, und deswegen möchte ich mal zum Thema kommen.

Frau Klöckner, Sie wurden ja schon mehrfach zitiert: Sie haben 2019 sehr berechtigte Bedenken an dem Abkommen geäußert, nämlich die, dass der Druck auf die Landwirtschaft zulasten des Waldes geht. Dann möchte ich Sie aber mal fragen: War das der Grund, warum Sie zwei Jahre lang nichts gemacht haben? Sie hätten ja das Abkommen und die Ratifizierung vorantreiben können, haben es aber nicht getan. Die Antwort kann ich Ihnen geben: Es liegt in der DNA der Union, Probleme einfach zu ignorieren, wenn sie da sind. Wir – das ist der Unterschied – machen uns daran, sie zu lösen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ah! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ah!)

Frau Brantner und Herr Habeck sind dabei, Lösungen zu finden, die das Abkommen besser machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Nur, Deutschland merkt nichts davon! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das scheint nicht sehr erfolgreich zu sein!)

Die Kriterien für eine Zustimmung zu diesem Abkommen sind in der handelspolitischen Agenda der Bundesregierung klar definiert.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie süß!)

Das sind nämlich verbindliche Nachhaltigkeitskapitel,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das hat der Parteitag der Grünen nur leider anders gesehen! – Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Das machen die Mercosur-Staaten nur nicht mit! – Gegenruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die verstehen nicht, was die Grünen meinen!)

rechtlich verbindlicher Menschenrechtsschutz, praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Waldschutz. Daran wird gearbeitet. Der Kollege Töns hat es schon gesagt: Am Ende werden wir das Ergebnis an diesen Kriterien messen, und – da stehen wir zu unserem Wort – wenn sie erfüllt sind, dann stimmen wir auch zu.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Und wenn nicht? – Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Grüner Neokolonialismus ist das!)

– Wenn sie nicht erfüllt sind, stimmen wir naturgemäß nicht zu.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ah! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ah! Schauen wir mal!)

So einfach ist das; da haben wir klare Kriterien definiert.

Zur handelspolitischen Agenda gehört auch CETA. Das haben wir hier ratifiziert, und zwar mit deutlichen Verbesserungen im Sinne von Nachhaltigkeit, im Sinne von Klimaschutz.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Und das Zusatzprotokoll? – Dr. Johannes Fechner [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Ihr habt es nicht hinbekommen!)

Das haben Sie in Ihrer ganzen Zeit nicht auf die Kette gekriegt. Wir haben das hier im Bundestag vor einem Jahr ratifiziert.

(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Augenwischerei ist das! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das Zusatzprotokoll interessiert keinen Menschen!)

Zur handelspolitischen Agenda gehört außerdem der Austritt aus dem Energiecharta-Vertrag. Die jüngste Vergangenheit zeigt noch einmal, wie wichtig das ist: Neue Klagen aus der Schweiz gegen den deutschen Kohleausstieg aufgrund des Energiecharta-Vertrages sind anhängig. Deswegen ist es so wichtig, dass wir da endlich ausgetreten sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wenn ich mir hier so die Kritik anhöre – einerseits ganz heftig von Ihnen, Herr Spahn, andererseits von Frau Wissler von ganz links –, dann zeigt sich: Wir stehen mit einer pragmatischen Politik genau in der Mitte, und unser Kurs ist der richtige.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sah man auch in diesem Sommer: Da wurde nämlich ein Handelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland abgeschlossen, erstmals mit Kapiteln, die Verstöße gegen die internationale Kernarbeitsnorm, Verstöße gegen Nachhaltigkeitsregelungen sanktionierbar machen. Auch der Respekt vor dem Pariser Klimaschutzabkommen ist darin vorgeschrieben. Das zeigt: Der geopolitische Rahmen und die Klimakrise erfordern von uns eine faire, wertebasierte und an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtete Handelspolitik auf Augenhöhe und nicht zulasten von Mensch und Natur.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt: Diversifizierung führt zu mehr Resilienz in den Lieferketten. Wir wollen Handelsbeziehungen bevorzugt mit Staaten, die ähnliche Werte teilen; denn das führt zu besonders stabilen Verhältnissen. Im geopolitischen Zusammenhang begreifen wir vertiefte Beziehungen auch als Stärkung der Zusammenarbeit der freien Welt, als Gegenpol zu autoritären Regimen.

Jetzt möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen – es wird oft ein Gegensatz daraus gemacht –: Werte sind Interessen. Es gehört natürlich zu unseren Interessen, wenn wir über Wirtschaftspolitik reden, die Exporte für Maschinenbau und andere Produkte zu erleichtern. Wir haben auch Interesse am Import von sauberen Rohstoffen. Wir haben aber auch Interesse daran, dass Werte geachtet werden: Menschenrechte, Arbeitsnormen, gesunde Umwelt, Klimaschutz. Das ist ein globales, wertebasiertes Interesse. Es ist aber auch rückwärtsgewandt: Es kommt nämlich zu uns zurück.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: So esoterisch?)

Wenn wir es nämlich schaffen, mit Ländern Handelsbeziehungen aufzubauen, die stabil sind, wenn wir aus Verantwortung für die Menschen handeln und Sozialdumping zulasten einheimischer Arbeitnehmer/-innen und Firmen verhindern, dann haben wir es geschafft, ein nachhaltiges Handelsabkommen abzuschließen. Darum geht es.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Was für ein Moralismus! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Darauf hat die Welt gewartet, auf Ihre erhobenen Zeigefinger!)

– Gut, dass Sie das mit dem Moralismus noch mal sagen. „Moralingetränkter Zeigefinger“ und „Neokolonialismus“, haben Sie gesagt. Ich war in Brasilien und habe da mit Vertretern von indigenen Völkern gesprochen. Die leiden seit Jahrhunderten unter fortgesetztem Kolonialismus.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ja, genau, und Sie lösen das!)

Sie haben nämlich Angst davor, dass ihr Lebensraum weiter zerstört wird, und sie bitten uns um Unterstützung, um diesem Kolonialismus ein Ende zu setzen. Das ist das Gegenteil von Neokolonialismus; diesen Vorwurf muss ich hier wirklich einmal klar zurückweisen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Brasilien ist doch immer noch ein souveräner Staat, oder wie handhabt ihr das jetzt?)

Noch mal zur Union. Sie haben überhaupt kein einziges Handelsabkommen ratifiziert. Sie haben – und das führen Sie jetzt fort – die nötige Weiterentwicklung der Wirtschaft zu klimaneutralen Technologien in Ihrer Regierungszeit aktiv verhindert, und in jedem Redebeitrag ist das jetzt wieder so.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau!)

Herr Merz hat gestern noch gesagt, die Subventionen für Transformationsprojekte solle man zurückfahren. Sie behindern die Weiterentwicklung der Wirtschaft in die Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Töns [SPD] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau!)

Ich komme zum Schluss. Moderne Handelsabkommen bieten erhebliche Chancen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien, bei Rohstoffen, bei der Diversifizierung und beim Umweltschutz. Sie sind ein zentrales Instrument, um unsere Wirtschaft weiterzuentwickeln, nachhaltig klimaneutral und stark. So sichern wir unsere Lebensgrundlagen und Wohlstandsteilhabe für alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Wir messen Sie an Ihrer Leistung!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ich schließe die Aussprache. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.