Rede von Dr. Anja Reinalter Aktuelle Stunde „Handwerk“
Dr. Anja Reinalter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Handwerkerinnen und Handwerker! Sie sehen, wir sind uns einig: Deutschland braucht das Handwerk. Das Handwerk ist das Herzstück des Mittelstands und Wirtschaftsmotor in Deutschland. 1 Million Betriebe, 5,6 Millionen Beschäftigte in über 130 Berufen prägen und gestalten unser Land. Das Handwerk schafft Zukunft – in den ländlichen Räumen und in den Städten. Und mit dem Handwerk schaffen wir die Energiewende. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ziel für den Photovoltaikausbau in Deutschland ist vorzeitig erreicht. Na, wenn das mal keine gute Nachricht ist! Ohne das Handwerk hätten wir das nicht geschafft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Um es mit den Worten des Hauptgeschäftsführers des Baden-Württembergischen Handwerkstags, Peter Haas, zu sagen: Es geht nicht ohne das Handwerk. Das Handwerk macht das, was unser Land ausmacht – jeden Tag. – Dazu passt leider nicht die Zahl der offenen Stellen im Handwerk, zuletzt fast 130 000. Dazu passt nicht die Zahl der offenen Ausbildungsplätze, zuletzt fast 30 000 am Beginn des Ausbildungsjahres; das sind doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Und dazu passt auch nicht die Zahl der offenen Unternehmensnachfolgen; zuletzt fast 125 000 Unternehmen, die für die nächsten fünf Jahre noch keine Nachfolger haben.
Deutschland braucht das Handwerk, und das Handwerk braucht vor allem mehr Wertschätzung und Anerkennung. An dieser Stelle herzlichen Dank an alle Handwerkerinnen und Handwerker, die täglich dazu beitragen, dass unser Land funktioniert!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Denn eins ist klar: Das, was das Handwerk täglich leistet, ist absolut gleich viel wert wie die Arbeit in akademischen Berufen. Das muss aber viel, viel klarer sein.
Für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von akademischer und beruflicher Bildung sorgt der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, kurz: DQR. Der DQR ist das einzige Instrument, das Kompetenzen in der Bildung vergleichbar macht. Deshalb fordert das Handwerk auch zu Recht seit Langem eine verlässliche Rechtsgrundlage für den DQR. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg. Also lassen Sie uns gemeinsam ein DQR-Gesetz auf den Weg bringen!
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind uns auch einig: Das Handwerk braucht noch mehr. Wir brauchen mehr Auszubildende, wir brauchen mehr Frauen, und wir brauchen mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Mit der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung stärken wir die Berufsorientierung – das tun wir wirklich; da müssen Sie nicht so schauen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer? Ich?)
– Ja, ich sehe es doch. – Insbesondere in Gymnasien gehen wir. Das haben Sie jahrelang verpennt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mit Ausbildungsbotschafterinnen und -botschaftern gehen wir vor Ort in die Klassenzimmer. Hier sitzt eine Schulklasse. Es ist total wichtig, dass wir mit denen reden und sagen: Wir zeigen euch, was bei uns im Betrieb funktioniert, was alles möglich ist. – Und so wird der Einblick ins Handwerk lebendig.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Auf die Idee sind wir noch gar nicht gekommen!)
Ich bin überzeugt, dass sich nach einer praxisnahen Berufsorientierung auch viel mehr Frauen für das Handwerk entscheiden werden. Denn mit rund 10 Prozent ist die Frauenquote im Handwerk viel zu niedrig. Dabei sind die Möglichkeiten für Frauen so vielfältig. Ich denke gern an den Besuch einer Hörgeräteakustikerin in meinem Wahlkreis, in Biberach. Ich war vor Ort in ihrem Handwerksbetrieb. Sie hat ihren Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht, ist aus der Industrie zurück ins Handwerk. Sie sagte mir: Frau Reinalter, als Unternehmerin kann ich Beruf und Familie ideal vereinbaren.
Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland braucht das Handwerk, und das Handwerk – das wissen wir alle – braucht mehr Fachkräfte, und wir brauchen mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Was wir definitiv nicht brauchen, sind Arbeitsverbote. Schluss mit dem unsäglichen Arbeitsverbot für Asylbewerber!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Wer nach Deutschland kommt, soll ab dem ersten Tag arbeiten können.
(Alois Rainer [CDU/CSU]: Müssen!)
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz machen wir uns auf den Weg in ein modernes Einwanderungsland, das im internationalen Wettbewerb auch bestehen kann. Nur so kann das Handwerk auch in Zukunft das machen, was unser Land ausmacht – jeden Tag.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Zum Abschluss dieser Debatte erhält das Wort für die SPD-Fraktion Jessica Rosenthal.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)