Bernhard Herrmann
24.05.2023

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Sie verunsichern, und Sie trauen sich eins den Menschen nicht zu sagen: Die einfache mathematische Aufgabe „2045 minus 2024“ ergibt 21 Jahre. Sagen Sie den Menschen: „Jede Gasheizung wird nicht älter als 21 Jahre“, oder Sie lügen bezüglich des Klimaschutzes 2045. Seien Sie so ehrlich!

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie machen fröhlich weiter mit Beschimpfung der Opposition!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, die Sie diese Aktuelle Stunde verlangt haben – das ist Ihr gutes Recht –: Abgesehen davon, dass Sie selbst lange Regierungszeit gehabt hätten, die Wärmewende auf den Weg zu bringen, konnte es Ihnen erst gar nicht schnell genug gehen; jetzt wollen Sie wieder ganz von vorn anfangen. Morgen beklagen Sie wahrscheinlich wieder, es dauere alles zu lange. Dieses Rumgeeiere verunsichert ebenso wie Ihre neuesten unsäglichen Stasi-Vergleiche in dieser Sache. Aber das beabsichtigen Sie vielleicht: Verunsicherung. Sollte es Ihnen entgangen sein: Wir führen parallel Berichterstattergespräche, wir verhandeln das Energieeffizienzgesetz, wir bereiten die kommunale Wärmeplanung vor, und wir bereiten nicht zuletzt das Klimaschutzgesetz vor. Glauben Sie mir: Das tun wir nicht erst, seitdem Sie immer und immer wieder mit Anträgen und Aktuellen Stunden zum Heizungsgesetz kommen.

Sie, Herr Spahn, haben mir in der Debatte letztens vorgeworfen, ich machte den Klimaschutz zur Glaubensfrage, statt ihn vernünftig anzugehen, und igelte mich gegen den bösen Rest der Welt ein. Ich weiß nicht, was Sie sich unter Einigeln vorstellen; aber ich für meinen Teil – und ich weiß, dass es meinen Kolleginnen und Kollegen ähnlich geht – werde jeden Tag von Bürgerinnen und Bürgern, von Unternehmen, von Verbänden, von Stadtwerken mit Fragen zur Wärmewende konfrontiert,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

und zwar – das sage ich Ihnen mit aller Klarheit – deutlich konstruktiver, als Sie das hier tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daher stelle ich mich diesen sehr gern.

Ja, ich hätte mir auch gewünscht, dass das Gebäudeenergiegesetz dieses Haus schon längst passiert hätte und wir in diesem Sinne echte Planungssicherheit geschaffen hätten. Vor allem danach werde ich nämlich immer wieder gefragt. Klarheit, die interessiert vor allem. Wie steht es darum? Dabei – um das ehrlich zu sagen – nur auf den immer noch laufenden Prozess verweisen zu müssen, ist natürlich ernüchternd. Umso wichtiger sind daher konstruktives Herangehen statt geschürter Verunsicherung, Verlässlichkeit statt Nichteinhaltung getroffener Vereinbarungen. Das muss uns jetzt hier im Haus alle leiten. Dabei machen wir Grünen, was Parlamentarier tun sollten: die Anmerkungen der Bürger/-innen, Verbände, Unternehmen aufnehmen, ernst nehmen und in die Verbesserung der Gesetzgebung einfließen lassen.

Ich habe noch mal einen Blick auf Ihre Forderungen geworfen. Sie wollten fordern und fördern, beides aber nicht konsequent. Da ist kein Mut, man könnte auch sagen: nicht die Ehrlichkeit, nicht das Rückgrat – das kenne ich aus Sachsen von Ihrer CDU –, den Bürgerinnen und Bürgern zuzutrauen, die Herausforderung auch zu meistern und ihre Wohnungen tatsächlich nachhaltig auszurüsten.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Komm mal aus der Blase raus!)

Aber wo wir bei Glaubensfragen waren: Sie als Christlich-Demokratische Union kennen wahrscheinlich das biblische Gleichnis von den Talenten. Ein kleiner Tipp: Das Silber zu vergraben und aus Angst, etwas falsch zu machen, nichts damit anzufangen, war nie eine hilfreiche Option.

(Beifall des Abg. Takis Mehmet Ali [SPD])

Fördern, um zu befähigen, Menschen in ihrem Willen ernst zu nehmen, die zur Veränderung beitragen wollen – das sagen alle, die sich von Ihnen unterscheiden und die Sie verunsichern wollen –, auch etwas zu fordern, ist ein für alle emanzipatorischer Umgang. Das stärkt auch den Bürgerwillen und nimmt ihn ernst. Das sagen alle, die wissen, was zu tun ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit wären wir bei einer zweiten zentralen Forderung: der nach Planungssicherheit. Die hatten wir – das muss man zugeben – unter Ihrer Regierung in gewisser Weise durchaus, leider aber meist nur unter dem Motto: Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt. – Und das in einer sich verändernden Welt! Das kann nicht gut gehen oder nur so lange gut gehen, bis die Folgen der Klimakatastrophe – Stichworte „Ahrtal“, „Elbehochwasser“, „Baumsterben“ – mal wieder mit voller Wucht zuschlagen oder Autokraten, von denen Sie uns abhängig gemacht haben, auf die Idee kommen, Kriege anzuzetteln oder aus welchen Gründen auch immer die Lieferung fossiler Rohstoffe einstellen.

Machen wir uns und den Menschen hier doch nichts vor: Heizen mit Fossilen könnte binnen kurzer Zeit wieder absurd – und für viele nicht leistbar – teuer werden. Das müssen wir unbedingt verhindern, indem wir konzentriert, geordnet und für alle leistbar auf erneuerbares Heizen umstellen. Die Wärmewende ist ebenso eine soziale Frage wie eine des Klimaschutzes. Wir haben so viel gutes Potenzial in der Industrie, Innovationskraft der Ingenieure, der Handwerkerschaft. Auch wenn es im gerade erwähnten biblischen Gleichnis um Verwalten ging, was auch eher der Ansatz Ihrer Regierungsperioden war, geht es uns doch ums Gestalten; denn das ist jetzt nötig. Die Wählerinnen und Wähler erwarten Gestaltung von uns und, ja, auch von Ihnen, falls Sie überhaupt noch als konstruktive Opposition auftreten wollen. Definieren Sie doch mal, was Sie mit Technologieoffenheit in Ihrem Sinne meinen! Reden wir darüber! Was meinen Sie damit?

Mein letzter Punkt – im Sinne auch Ihrer Wähler/-innen –: Vielleicht finden Sie eines Tages zu einem konstruktiven Vorgehen als Opposition, –

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– so wie auch meine Handwerker vor Ort es mehr und mehr tun. Ich bin gespannt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Noch eindrucksvoller kann man die eigenen Schwächen nicht unter Beweis stellen als in Ihrer Rede!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Der nächste Redner ist Christoph Meyer für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)