Rede von Helge Limburg Aktuelle Stunde „Islamismus“
Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 7. Oktober 2023 ist eine Zäsur. Der Tag des Beginns der brutalen, zutiefst menschenverachtenden Terrorangriffe der Hamas auf den Staat Israel und seine Bewohnerinnen und Bewohner ist nicht nur für Israel, nicht nur für Jüdinnen und Juden weltweit, sondern für die gesamte zivilisierte Welt ein tiefer Einschnitt. Dieser Angriff galt Israel. Er galt zuallererst Jüdinnen und Juden, aber er galt auch der modernen Zivilisation. Er galt unserer Freiheit, unserer Demokratie und unserer Rechtsstaatlichkeit. Es ist in der Tat unerträglich, dass es Menschen in unserem Land gibt, die diese Angriffe bejubeln und feiern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Die Forderung nach einem Kalifat in Deutschland ist verfassungsfeindlich, ohne Wenn und Aber. Entsprechende Ansammlungen müssen mit aller Konsequenz unterbunden und geahndet werden. Jüdinnen und Juden brauchen unseren Schutz. Islamismus und Antisemitismus müssen mit aller Entschiedenheit bekämpft werden.
Aber, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wie die AfD den Reichsbürgerputsch, in den AfD-Funktionärinnen und -Funktionäre verwickelt waren, verharmlost;
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
wer stolz auf die Wehrmacht sein möchte, die in ganz Europa in die Verbrechen der Shoah, des Holocaust, der Ermordung der Jüdinnen und Juden in Europa verstrickt und verwickelt war; wer das Holocaustmahnmal hier in Berlin verunglimpft, der beweist in der Tat, dass es ihm nicht um den Schutz unserer Demokratie und unserer Freiheit geht.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Der ist weder kohärent noch glaubwürdig; der will nur seine eigene braune parteipolitische Suppe kochen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])
Der Islamismus ist eine Bedrohung für die Freiheit. Frau Kaddor hat es zu Recht gesagt: Die meisten Opfer islamistischen Terrors und islamistischer Gewalt sind Muslime. In Syrien, in der Türkei, im Irak, in Afghanistan, aber auch in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Europäischen Union sind immer wieder auch Musliminnen und Muslime Opfer islamistischer Gewalt. Islamismus greift nicht nur die Freiheit hier bei uns an; er unterdrückt da, wo er es kann, in erster Linie Menschen muslimischen Glaubens. Die Bürgerinnen und Bürger des Iran, in Afghanistan oder auch im Gazastreifen müssen das seit Jahren leidvoll ertragen. Auch deshalb ist es völlig fehlgeleitet, die notwendige Debatte über den Islamismus mit Hass und Hetze gegen Musliminnen und Muslime zu verknüpfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP] – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Blödsinn!)
Die Strategie der Bundesregierung, Frau Ministerin Faeser, ist in der Tat die richtige, nämlich auf der einen Seite mit Dialogformaten wie der Islam Konferenz als Mittel zur Bekämpfung von Islamfeindlichkeit zu agieren – was übrigens auch die Strategie von vergangenen Bundesregierungen war; das will ich ausdrücklich würdigen – und auf der anderen Seite Vereinigungen zu verbieten und zu verfolgen, die sich dem Islamismus verschrieben haben. Die jüngsten Schritte, die Vereins- und Betätigungsverbote gegen Samidoun und Hamas, waren die konsequente Weiterführung dieser Doppelstrategie.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Zu spät!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn Sie allerdings, Herr Kollege Amthor, hier von „gescheiterter linker Integrationspolitik“ reden,
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: … dann ist das richtig, ja!)
dann frage ich mich schon, wo Sie eigentlich in den 16 Jahren waren, als Ihre Partei die Regierungskoalition angeführt hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Da hat er schon recht! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: „Selbstkritik“ heißt das – die Sie nicht haben!)
Wo, Herr Amthor, war denn die Union, als Sie von 2005 bis 2010 regiert haben und wieder seit 2017 in Nordrhein-Westfalen, wo die jüngsten Aufmärsche ja im Wesentlichen stattgefunden haben? Wo war denn da Ihre Integrationspolitik?
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Wo, Herr Amthor, war denn Ihre Integrationspolitik, als Sie in Berlin – ich finde, viel zu lange – den Regierenden Bürgermeister gestellt haben und lange Jahre auch den Innensenator dieser Stadt? Herr Amthor, das ist ein billiger Trick, zu versuchen, sich so aus der Verantwortung zu stehlen.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr billig!)
Für eine Partei, die so lange regiert hat, ist das ein bisschen albern und unwürdig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Da hat er leider recht!)
Meine Damen und Herren, wenn wir über Strafverfolgung reden, ist es immer sehr spät. Wir brauchen doch Prävention, wir brauchen soziale Infrastruktur, wir brauchen Bildung, wir brauchen echte Aufstiegsmöglichkeiten für alle, unabhängig von Herkunft und Glauben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Debatten um Quoten in Stadtteilen oder in Schulen führen nicht weiter. Investitionen in soziale Infrastruktur führen unsere Gesellschaft zusammen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Islamisten haben mit Rechtsextremisten jeglicher Couleur mehr gemeinsam, als es angesichts der Hetze beider Seiten oft den Anschein hat. Beide – auch darauf hat Frau Kaddor völlig zu Recht hingewiesen – verachten individuelle Freiheit, die Gleichberechtigung der Geschlechter, Frauenrechte, queeres Leben, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Beide verbreiten Hass und Hetze gegen alle Menschen, die nicht ihrer Auffassung sind. Menschenverachtung ist nicht von einer Religion allein gepachtet. Wir antworten diesem Hass mit dem, was der Rechtsstaat schon immer in seinem Instrumentenkasten hatte, nämlich mit Härte, Konsequenz und Klarheit gegen Straftaten und jegliche Form von Hass und Hetze
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Warum merken wir davon nichts? – Martin Hess [AfD]: Hat ja super funktioniert die letzten Jahre!)
und mit Vielfalt, Offenheit und Toleranz
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ja, super!)
für alle Formen von Glauben und auch Nichtglauben, mit der Härte des Rechtsstaats, mit der Vielfältigkeit des Grundgesetzes.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)