Rede von Deborah Düring Aktuelle Stunde „Israel und Palästinensische Gebiete“

Deborah Düring MdB
21.03.2024

Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Botschafter! Sehr geehrte Herren Gesandte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die menschenverachtenden Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober markieren eine Zäsur in der Geschichte des Staates Israels. – Mit rund 1 200 Toten, 240 Geiseln und den vielen Opfern sexualisierter Gewalt war es der tödlichste und gewalttätigste Angriff auf Jüdinnen und Juden seit der Shoah.

Dies hat die Gesamtbevölkerung tief getroffen und traumatisiert, und es hat das Grundvertrauen von Jüdinnen und Juden weltweit erschüttert, in Israel eine sichere Heimat zu haben. Für uns ist klar: Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind nicht verhandelbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Diese Solidarität ergibt sich auch aus unserer besonderen historischen Verantwortung.

Aus den Lehren der Shoah ergibt sich noch eine weitere historische Verantwortung Deutschlands: die universelle Verpflichtung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Israel kämpft gegen einen Feind, der die unschuldige Zivilbevölkerung in Gaza als Schutzschild nutzt. Die Hamas schert sich in keinster Weise um Völkerrecht oder Menschenrechte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Staaten haben jedoch die Pflicht, sich auch dann an das Völkerrecht zu halten, wenn es ihr Gegner nicht tut.

Nach über fünf Monaten Krieg im Gazastreifen ist die humanitäre Lage und die Zerstörung vor Ort katastrophal. Über 31 000 Menschen haben ihr Leben verloren. Es wurden mehr Kinder in den ersten vier Monaten getötet als in allen gewaltsamen Konflikten weltweit in den letzten vier Jahren.

Die israelische Regierung ist verpflichtet, mehr für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung zu tun. Dies hat der Internationale Gerichtshof angemahnt. Bloße Absichtserklärungen reichen nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Am Boden muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Eine Bodenoffensive in Rafah ist nicht zu rechtfertigen. Darauf verweisen die USA und die EU. In Rafah halten sich 1,5 Millionen Menschen auf. Viele von ihnen wurden bereits mehrfach vertrieben. Sie können nirgendwo anders Schutz suchen.

Die gesamte Bevölkerung in Gaza hungert.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Die hungern so viel, dass sie das Essen wegschmeißen!)

Die Hälfte ist akut vom Verhungern bedroht. Die ersten Kinder sind bereits verhungert. Deshalb müssen dringend mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangen. Mein großer Dank gilt an dieser Stelle den vielen humanitären Helferinnen und Helfern, die jeden Tag unter widrigsten Bedingungen und häufig unter Lebensgefahr ihre Arbeit verrichten. Mein Dank gilt auch der Bundeswehr für ihren Einsatz, die größte Not aus der Luft zu lindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Aber machen wir uns nichts vor: Weder Airdrops noch Schiffslieferungen können die Bedarfe decken. Deswegen muss die Hilfe vor allen Dingen über den Landweg kommen.

Was die Menschen im Gazastreifen am dringendsten benötigen, ist ein humanitärer Waffenstillstand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Geiseln müssen freigelassen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Linken)

Und es braucht einen internationalen Prozess für eine langfristige politische Lösung, die in zwei Staaten mündet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vielen Dank auch an die Außenministerin Baerbock, die dies in zahlreichen Gesprächen mit Akteuren in der ganzen Region immer wieder betont und sich für eine diplomatische Lösung einsetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Klar ist: Es braucht den politischen Willen auf allen Seiten. Eines der Hindernisse für eine solche Lösung ist nach wie vor der völkerrechtswidrige Siedlungsbau und die immer weiter zunehmende Siedlergewalt im Westjordanland. Diese muss enden. Es ist ein wichtiges politisches Signal, dass sich die EU am Montag auf Sanktionen gegen besonders gewaltbereite Siedler einigen konnte.

Für einen dauerhaften Frieden muss es neben einem politischen Prozess auch gesellschaftliche Aussöhnung geben. Dafür müssen Friedens- und Verständigungsinitiativen auf zivilgesellschaftlicher Seite verstärkt werden und verlässlich finanziert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Konflikt ist nicht schwarz-weiß, er ist kein Entweder-oder. Er ist ein Sowohl-als-auch. Eine friedliche politische Lösung zu erreichen, in der alle Menschen in Israel und in den palästinensischen Gebieten zusammenleben können, erscheint derzeit fast unmöglich. Dennoch ist es die einzige Möglichkeit. Die Sicherheit der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung sind untrennbar miteinander verbunden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Gökay Akbulut [Die Linke])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Johann David Wadephul.

(Beifall bei der CDU/CSU)