Rede von Luise Amtsberg Aktuelle Stunde - Korruptionsvorwürfen beim BAMF

26.04.2018

Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. –! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bin der FDP dankbar, dass sie diesen Tagesordnungspunkt heute aufgesetzt hat; denn ich finde, dass wir uns hier in diesem Hause eigentlich viel häufiger über die Arbeitsweise des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, unterhalten sollten. Ich sage aber auch gleich zu Beginn für meine Fraktion: Wir halten es in der Auseinandersetzung um das BAMF für falsch, uns auf diesen einen Fall zu konzentrieren und die Debatte daran aufzuhängen; denn die Probleme beim BAMF reichen deutlich tiefer und sind schon deutlich länger bekannt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Dieser Fall ist einer – so sehen wir das –, der sich einreiht in eine ganze Kette von strukturellen Missständen und behördlichem Versagen. Für uns ist klar: Korruption, ob im BAMF oder bei anderen Behörden, ob durch die Leitungsebene oder einfache Mitarbeiter, muss lückenlos aufgeklärt werden. Jeder Vorwurf – gerade in Bezug auf das BAMF –, jede Unregelmäßigkeit beim Asylverfahren insgesamt schadet der Asylpolitik und den Schutzsuchenden selbst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund dessen, was wir gerade wieder vonseiten der AfD gehört haben, kann daran keiner ein Interesse haben. Deshalb sollten wir alle hier es uns zur Aufgabe machen, an der Verbesserung der Arbeitsweise des Bundesamtes zu arbeiten.

Ich muss schon sagen, dass der Umgang mit den Problemen des BAMF äußerst selektiv ist. Auch gestern in der Fachberatung im Ausschuss wurde im Prinzip nur ein Bruchteil des Problems angerissen. 2017 hat das BAMF zum Beispiel die Zusammenarbeit mit 30 Dolmetschern aufgrund von Verletzungen des Verhaltenskodex beendet. 2017 und 2018 sind insgesamt 2 100 Dolmetscher vor allem wegen fachlicher Mängel von weiteren Einsätzen für das BAMF ausgenommen worden. 2 100 Dolmetscher! Ich finde, das ist eine sehr, sehr hohe Zahl.

In diesem Zusammenhang redet aber niemand von einer erneuten Überprüfung aller Verfahren, an denen diese Dolmetscher beteiligt waren. Weder Amtsleitung noch BMI informieren den Innenausschuss über den Vorgang. Das haben sie im Übrigen bei den Vorfällen in Bremen auch nicht von selbst getan. So sieht doch kein problembewusster Umgang mit diesem Amt aus. Hier haben wir, vor allen Dingen aber auch das Innenministerium eine Pflicht, tätig zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man es mit der vielbeschworenen Qualitätssicherung ernst meinen würde, wäre es ein erster Schritt, die Asylverfahren, an denen diese Dolmetscher beteiligt waren, ebenfalls zu überprüfen. Dies sage ich gerade mit Blick auf die bisherigen Vorfälle.

Es scheint noch immer nicht wirklich angekommen zu sein, dass das BAMF für andere, gerade repressive Staaten hochinteressant ist. Der Umstand, dass immer wieder hochsensible personenbezogene Daten von Asylsuchenden aus dem BAMF an autoritäre Staaten weitergegeben werden – ich erinnere dabei nur an den vietnamesischen Asylsuchenden, der hier in Berlin vom vietnamesischen Geheimdienst entführt wurde –, muss doch bei der Amtsleitung und auch beim BMI dazu führen, dass zumindest die Alarmglocken läuten und man dann irgendwie tätig wird. Aber auch dazu gibt es keine öffentliche Debatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das BMI schweigt diese Probleme weg und überlässt die Aufarbeitung der immer wieder bekanntwerdenden Mängel jedes Mal der überforderten Behördenleitung. Es brauchte zynischerweise einen deutschen Bundeswehrsoldaten, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und einen Anschlag in Deutschland geplant hat, um überhaupt ein Problembewusstsein für die wirklich miserable Qualität der Anhörungsprotokolle und Asylbescheide im BAMF in dieser Zeit zu schaffen.

Was mich daran wirklich betrübt, ist, dass all diese Defizite immer zuerst auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF zurückfallen. Auch ich selbst kenne viele Menschen, die in dieser Behörde arbeiten, und es ist wirklich schlimm, was ihnen zugemutet wurde und immer noch zugemutet wird. Zum einen sind das unzureichende Schulungen, krasser Zeitdruck und unmögliche Arbeitsverträge. Es gibt immer wieder auch Streit zwischen Gesamtpersonalrat und Leitung sowie Verfahren vor den Arbeitsgerichten.

Zum anderen hat das BMI die Mitarbeiter des BAMF in der letzten Legislatur mit Gesetzesänderungen im Minutentakt förmlich lahmgelegt. Das geht auf das Konto des BMI, das hier eine direkte Mitverantwortung trägt, wenn es um die Qualität von Asylverfahren geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn wir schon dabei sind: Wir haben einen neuen Innenminister. Das ist allen aufgefallen, glaube ich.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Er sollte genau zuhören, wenn es in der Debatte um die bestehenden strukturellen Defizite bei den Asylverfahren und beim BAMF geht; denn er verrennt sich gerade in die Idee der sogenannten AnKER-Zentren und schafft wieder neue Strukturen, statt sich auf den Weg zu machen, das BAMF auf Vordermann zu bringen. Das wäre nämlich wirklich angezeigt.

Letzte Woche hat Minister Seehofer einen sehr sinnigen Vorschlag gemacht. Als diese Vorfälle bekannt geworden sind, hat er vorgeschlagen, eine „Unabhängige Kommission“ einzurichten, die sich mit diesen strukturellen Defiziten befasst. Ich verstehe nicht, warum er davon nun wieder abrückt und glaubt, dass es der Bundesrechnungshof, der bei seiner Prüfung einen ganz anderen Auftrag hat, jetzt richten wird. Unsere Bereitschaft zur Mitarbeit hätte er dafür gehabt; aber scheinbar nimmt auch er die Probleme, wenn sie ein paar Tage lang weniger zur Sprache kommen, nicht mehr ernst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – das muss man noch einmal festhalten – ist sehr wichtig. Diese Behörde verteidigt mit ihrer täglichen Arbeit ein zentrales Grundrecht. Sie hat es verdient, gut ausgestattet zu werden. Sie hat unsere Konzentration auf die Verbesserung von Strukturen verdient; denn am Anfang eines jeden guten Asylverfahrens, das die Gerichte entlastet und fair und zügig vonstattengeht, stehen gut geschulte Mitarbeiter, aber auch gut informierte Asylsuchende. Deswegen setzen wir uns auch weiterhin für eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung ein. Lassen Sie uns diesen Weg gehen. Dann brauchen wir auch diese Debatten hier nicht mehr.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)