Rede von Renate Künast Aktuelle Stunde „Lebensmittelpreise“

Renate Künast MdB
31.03.2023

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht alles wiederholen, was an Fakten zu den Lebensmittelpreisen schon gesagt wurde. Wir wissen es alle: Es gibt vielfältige Gründe für ihren Anstieg. Es fing an mit der Pandemie und Lieferengpässen. Es ging weiter mit dem russischen Angriff auf die Ukraine,

(Thomas Seitz [AfD]: Und die Grünen! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Witzig!)

durch den es zu gestiegenen Kosten für Energie, Dünge- und Futtermittel etc. kam.

Bei allem ist aber eines wichtig zu erwähnen, nämlich dass nicht alle Preissteigerungen, die wir jetzt erleben, mit höheren Herstellungskosten zu begründen sind. Ich will gar nicht auf all die Entlastungsmaßnahmen eingehen, die wir realisiert haben; das macht mein Kollege gleich. Aber eines ist wichtig: Wir wissen, dass nicht alle Preissteigerungen damit zu begründen sind. Es gibt auch Spekulationen an den Börsen, zum Beispiel mit Nahrungsmitteln wie Weizen. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren.

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist doch ein Märchen! Das wissen Sie!)

Ich freue mich, dass gerade die Kollegin der Linken sehr engagiert darauf einging und sagte: Das ist absolut unmöglich. – Ich finde es auch unmöglich, will aber in aller Ruhe hinzufügen, was ich immer schon sagen wollte: Es ist auch unmöglich, dass sich zum Ende der DDR-Zeit systemkonforme und systemnahe Menschen die LPG-Betriebe in schöne Filetstücke aufgeteilt haben, die sie heute, wo sie älter sind, an Investoren von irgendwoher für teuer Geld verkaufen. Meine Damen und Herren, auch darüber würde ich gerne mal Empörung sehen. Vielleicht kann Thüringen da irgendwas unternehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Thomas Lutze [DIE LINKE]: Auweia! Das war nichts! Das war gar nichts!)

Meine Damen und Herren, wir wissen: Bei den Handelsketten gibt es tatsächlich auch Mitnahmeeffekte, zum Teil auch deswegen, weil sie sagen: Wir listen manche Markenartikel nicht wegen der enormen Preissteigerungen, dem enormen Preisdruck, den die Lebensmittelindustrie auslöst und der sich auch oftmals nicht begründen lässt. – Da haben sie recht. Aber dann wundern wir uns, dass auch die Preise bei den Eigenmarken kräftig erhöht werden, teilweise – das muss man wirklich sagen – sogar stärker als bei den Markenprodukten. Darauf müssen wir achten, wir werden sehen müssen, meine Damen und Herren, wie wir da intervenieren können.

Ich bin froh – das ist zum Beispiel eine der Maßnahmen in diesem Zusammenhang –, dass der Bundeswirtschaftsminister im Herbst 2022 den Entwurf zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorgelegt hat. Dabei geht es darum, rechtlich zu regeln, dass das Bundeskartellamt Sektoruntersuchungen machen kann, also grundsätzlich auch im Lebensmittelbereich, um strukturelle Wettbewerbsstörungen zu identifizieren, und dann in den Markt eingreifen kann, zum Beispiel indem es die Vorteile abschöpft.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Mathias Papendieck [SPD])

Das kennen wir auch aus dem Strafrecht, dass die Gewinne der Straftäter abgeschöpft werden. Das muss auch im Lebensmittelbereich möglich sein, meine Damen und Herren. Dies ist nur als eine von vielen Maßnahmen zu sehen; denn man muss ja auch mal reagieren können, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

Wir müssen auch klarmachen, dass Lebensmittel auf den Teller und nicht in den Tank oder Trog gehören, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

58 Prozent des Getreides wurde im Jahr 2021 an Tiere verfüttert. Das ist am Ende nicht wirklich effizient, weil aus mehreren Kilo Getreide viel weniger tierisches Eiweiß entsteht.

(Beifall des Abg. Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich finde, wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir angesichts der gestiegenen Preise mit der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel umgehen. Auch darum ringen wir. Nicht mal in meiner Fraktion sind wir alle hundertprozentig einer Meinung; der Minister etwa hat die Abschaffung gefordert. Aber ich sage Ihnen: Dann müssen wir auch die Debatte darüber führen, wie wir das steuern, also wohin wir da fahren. Wir können nicht einfach sagen: „Wir setzen alles auf null“, sondern wir müssen das dann auch mit Klima- und Artenschutz, mit unseren Lebensgrundlagen und mit Gesundheit verbinden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Seitz [AfD]: Fleisch nur für die Reichen!)

Diese Debatte würde ich gerne führen.

Zum Schluss will ich noch mal auf Herrn Thies und Herrn Vogt eingehen, die hier groß was zu Atomkraft und zu weiteren Dingen gesagt haben. Das reizt mich dann doch ungeheuer.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Atomkraft war gar nicht in meiner Rede drin!)

Sie kritisieren die Tatsache, dass wir die Atomkraftwerke nicht weiterlaufen lassen. Der 15. April wird ein Feiertag in der Republik werden, und wahrscheinlich wird man uns weltweit darum beneiden.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das glauben aber auch nur Sie! – Bernd Schattner [AfD]: Die Meinung haben Sie sehr exklusiv!)

– Ja, rutschen Sie nicht aus dem Sessel vor Lachen. Sie werden es sehen. Sie sind ja sowieso nicht interessiert an der Zukunft Deutschlands.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU] und Maximilian Mordhorst [FDP] – Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])

Meine Damen und Herren, wenn man bei der Atomenergie alles rausrechnet – die Subventionen und die noch lange nicht bezahlten Kosten für ein Endlager –,

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Ich weiß gar nicht, wer hier von Atomenergie geredet hat!)

dann kann man sie sich billig rechnen, dann kann man sich auch die Folgen billig rechnen. Ich meine: Das ist kein Argument. Wir müssen unsere Energieversorgung doch so aufbauen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft preiswerte Energie haben, preiswerter heizen können. Das ist der Punkt.

Sie sagen, wir sollen die Agrarflächenstilllegung beenden, obwohl wir damit zum Beispiel hinsichtlich der Reduzierung der Anbauflächen für Tierfutter und im Kampf gegen Food Waste viel erreicht haben. Also sollen wir die Flächen nicht mehr stilllegen, sollen wir nicht mehr die Artenvielfalt erhalten, die auch Betriebsgrundlage der Bauern ist? Ich verstehe Sie gar nicht. Früher waren Sie mal eine Bauernpartei.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Es geht um die Verknappung, Frau Künast!)

Containern, sagen Sie, soll nicht straffrei werden. Sie haben auch über heimische Nahrungsmittel geredet. Sorry, aber auch in Containern sind heimische Nahrungsmittel.

(Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Was haben Sie gegen das Containern?

(Hans-Jürgen Thies [CDU/CSU]: Weil es Diebstahl ist! Bandendiebstahl! § 244 StGB!)

Oder – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin –:

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das ist der einzige vernünftige Satz!)

Mindestlohn. Wollen Sie nicht, dass die Saisonarbeiter von dem Lohn, den Sie kriegen, leben können? Meine Damen und Herren, das halte ich für unanständig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Und allen, die sich jetzt noch nicht genug aufgeregt haben, sage ich im Hinblick auf die Nutztierhaltung, die Haltung von Schweinen: Wir haben heute beantragt, –

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz nach Ostern auf die Tagesordnung des Agrarausschusses zu setzen und zu beraten,

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Na, Donnerwetter!)

also das, was Sie weit mehr als acht Jahre lang diskutiert haben und wo Sie nie zum Ende kamen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Dafür ist es bei Ihnen Stückwerk, Frau Künast! Reines Stückwerk!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir sind zum Ende gekommen und damit zu einem Neuanfang und zu einer guten Perspektive für die Nutztierhalter.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Darüber reden wir noch!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion hat nun Maximilian Mordhorst das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)