Rede von Sven-Christian Kindler Aktuelle Stunde: "Linksextreme Gewalttaten"

13.12.2017

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur um das von Beginn an unmissverständlich klarzustellen: Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung; das ist für meine Fraktion glasklar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Ich wurde in den letzten Jahren zweimal selbst körperlich angegriffen, weil ich mich gegen Nationalismus, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus engagiere. Die Angriffe fanden am helllichten Tag auf offener Straße statt. Im Nachhinein gab es dann noch rechtsextreme Beschimpfungen, Morddrohungen und Gewaltfantasien auf Facebook. So geht es vielen Opfern rechter Gewalt, und das wünsche ich wirklich niemandem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gewalt in diesem Land – egal gegen wen – ist inakzeptabel und zu verurteilen. Das gilt für alle Gewalt gegen alle Menschen,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

egal ob Gewalt gegen Abgeordnete, gegen Geflüchtete, gegen Obdachlose, gegen Sinti und Roma, gegen Schwule und Lesben, gegen Inter- und Transsexuelle, gegen Bisexuelle. Das gilt für Gewalt gegen alle Menschen, die in diesem Land leben. Das entspricht auch dem Grundgesetz, in dem steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist die zentrale Lehre aus dem deutschen Nationalsozialismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Caren Lay hat es schon angesprochen, die neuesten Zahlen des BKA zeigen: Dieses Jahr wurden über tausend Geflüchtete attackiert und angegriffen – tausend Menschen wie Sie und ich. Das sind drei Angriffe pro Tag. Angesichts dessen frage ich mich ernsthaft: Wo hat denn die AfD dieses krasse Ausmaß an rechter Gewalt, an rechtem Terror thematisiert, zum Beispiel, wo Sie in den Landtagen sitzen?

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Immer! Genauso wie jetzt! Da haben Sie nicht zugehört!)

Wo haben Sie Aktuelle Stunden dazu in den Landtagen beantragt? Wo haben Sie Anträge dazu gemacht? Wo waren da Ihre Punkte? Dazu hört man von der AfD herzlich wenig.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nichts da!)

Wenn etwas kommt, dann relativieren und verharmlosen Sie es. Sie machen es verächtlich oder gießen Öl ins ­Feuer. Das, was Sie machen, finde ich wirklich inakzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das hat ja einen zentralen Grund. Es geht der AfD gar nicht um die generelle Ablehnung von Gewalt, es geht Ihnen nicht um alle Menschen, die in diesem Land leben, sondern Sie haben hier ein ambivalentes und taktisches Verhältnis zur politischen Gewalt.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Unterstellung!)

Darum geht es Ihnen: Sie wollen sich hier heute als Opfer inszenieren. Aber das werden wir Ihnen hier nicht durchgehen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN – ­Joana Eleonora Cotar [AfD]: Sagen Sie mal was zu deutschen Opfern!)

Ich mache es konkret: Führende AfD-Funktionäre und Kandidaten in Ihrer Partei für den Bundestag haben Verbindungen zu der rechtsextremen Identitären Bewegung und zur Nazi-Kameradschaftsszene.

Stephan Brandner, Ihr Abgeordneter im Bundestag, wurde schon angesprochen. Er postet Waffen auf Twitter, lässt sich über seine Gewaltfantasien aus und spricht gegen politisch Andersdenkende Drohungen aus. Der ehemalige AfD-Funktionär Reinhard R. hat mindestens sechs Mal das Wahlkreisbüro der thüringischen Abgeordneten Katharina König-Preuss angegriffen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Deswegen ist er ehemalig!)

Frau Petry und Frau von Storch haben einen Schießbefehl gegen Menschen an deutschen Grenzen gefordert.

(Zurufe von der AfD)

Das zeigt doch ganz klar: Die AfD steckt voll im Sumpf der Gewalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der AfD)

Ich will eines noch einmal klarmachen – ich war selber auch vor Ort in Hannover und habe die Proteste als parlamentarischer Beobachter begleitet –:

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Lachen bei der AfD)

Sie zeichnen hier ein Zerrbild und stellen falsche Behauptungen über die Proteste auf. Das geht wirklich gar nicht. Das waren bunte, kreative

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genau!)

und in den allermeisten Fällen auch friedliche Proteste in Hannover.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Die Verletzten sind alle erfunden!)

Deswegen sage ich den vielen Tausend Menschen, die bei eisigen Temperaturen frühmorgens auf die Straße gegangen und sich friedlich der AfD und ihrer rassistischen Hetze in den Weg gestellt haben, vielen, vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Armin-­Paulus­ ­Hampel [AfD]: Klasse, jetzt zeigen Sie Ihr wahres Gesicht! Verharmloser! Bleiben Sie locker!)

Ich habe dort als parlamentarischer Beobachter viele besonnene Polizisten erlebt. Es gab aber auch Kritik.

(Enrico Komning [AfD]: Nass geworden?)

– Ja, zum Wasserwerfer komme ich gleich noch. – Es gab auch Kritik am Einsatz des Wasserwerfers, die aus meiner Sicht völlig zu Recht war. Ich finde es nicht akzeptabel, bei eisigen Temperaturen einen Wasserwerfer gegen eine friedliche Sitzblockade einzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Oh Mann!)

Die AfD hat ein Sharepic auf Facebook gestellt und ihre Anhänger gefragt, ob dieser Wasserwerfereinsatz gegen die friedliche Sitzblockade akzeptabel war. Die Antworten der AfD-Anhänger kamen schnell. Einer kommentierte: „Ja, noch zu wenig, ich hätte MG eingesetzt.“ Oder: „Ich bin für den Schießbefehl.“ Auch Salzsäure und Napalmbomben werden gefordert. Das alles lassen Sie auf Ihrer Facebook-Seite stehen – unwidersprochen, unkommentiert.

(Ulli Nissen [SPD]: Pfui! – Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ein Blödsinn!)

Das ist Ihr Werk; das ist Ihre Stimme. Sie verbreiten eine Stimmung der rassistischen Hetze, der Gewalt und des Hasses. Das machen Sie ganz bewusst. Aber wir machen Ihnen klar: Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Das werden wir Ihnen im Bundestag nicht durchgehen lassen, nicht in der Gesellschaft, nicht auf der Straße. Egal, wo Sie sind: Wir werden Ihnen laut widersprechen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)