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19.06.2020

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt zwei Ebenen, über die heute diskutiert werden kann. Das eine ist der Fall Amthor, und der Fall Amthor ist nicht aufgeklärt. Der Abgeordnete Amthor hat bis heute die zahlreichen offenen Fragen an ihn nicht beantwortet, vor allen Dingen nicht die entscheidende Frage, ob ihm durch seine Lobbytätigkeit, seine Türöffnerfunktion gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium, ein Vorteil entstanden ist oder er dafür eine Gegenleistung erhalten hat, die auch heute schon nach dem Abgeordnetengesetz nicht erlaubt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Das ist ein großer Fehler; denn die Debatte schadet an jedem Tag, an dem sie läuft, dem Ansehen von Politik und Politikerinnen und Politikern insgesamt; sie schadet dem Ansehen der parlamentarischen Demokratie. Und das weiß Amthor genauso gut wie jede und jeder von Ihnen, die Sie hier sitzen.

Vielleicht war es unbequem, diese Fragen zu beantworten, weil man heute noch weitere Karrierepläne in Mecklenburg-Vorpommern verfolgt. Ich finde, er wäre in der Pflicht gewesen, innerhalb von einer Woche zu sagen: Was ist mit den teuren Reisen? Was ist mit den Unterbringungen in Luxushotels? Stehen sie in einem Zusammenhang mit der Türöffnerfunktion? Dann ist es ganz klar ein Verstoß, dann ist es nicht Recht und Gesetz, und das weiß der Kollege Amthor selbst am besten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich finde, dass die Union das auch klar sagen muss. Ich war befremdet über die zahlreichen banalisierenden, entschuldigenden Äußerungen einiger Ihrer Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Seit wann ist der Mann besonders jung? So alt wie der Mann kann ich gar nicht werden, meine Damen und Herren,

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

so alt, wie ich den Jungen hier im Deutschen Bundestag auftreten gesehen habe. Er ist auch nicht zu jung, meine Damen und Herren, um anscheinend weitere Nebentätigkeiten auszuüben und in der Welt mit dem ehemaligen BND-Präsidenten auf Jagd zu gehen. In so einer Herrenrunde möchte Frau überhaupt nicht sein. Aber das spielt hier heute keine Rolle. Wichtig ist, dass er jetzt die Fragen beantwortet und an der Aufklärung mitarbeitet. Das hat er bisher nicht getan, und das ist ein großer Fehler.

Warum spricht er eigentlich nicht von seinem Fehler? Warum spricht er nicht davon, dass er etwas aufzuklären hat? In der dritten Person rückt man das Thema nicht weiter von ihm weg. – Jetzt aber genug über Amthor geredet! Er hat Verantwortung zu übernehmen und aufzuklären. Das ist eine ganz klare Sache, meine Damen und Herren, und ich frage mich, warum das länger als acht Tage dauert. Darauf hat es bisher keine Antwort gegeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Der andere Punkt ist: Wir brauchen im deutschen Parlament mehr Transparenz. Wir brauchen mehr Offenheit und mehr Nachvollziehbarkeit. Wir brauchen klarere Regeln, striktere Regeln für Nebentätigkeiten. Ich wunderte mich gerade auch, dass ein Kollege so gut Bescheid wusste, der ganz oben auf der Skala steht. Es ist ja kein Geheimnis, Herr Komning: 760 000 Euro muss man erst mal nebenbei verdienen. „Donnerwetter!“, kann ich da nur sagen. Mein und unser aller Grundsatz ist ja: Das Mandat steht im Mittelpunkt der Tätigkeit. – Ich frage mich manchmal: Wie schafft man das noch nebenbei? Aber gut, das müssen Kollegen für sich selbst beantworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen striktere Regeln für die Veröffentlichung von Nebentätigkeiten. Wir brauchen striktere und klarere Regeln für Unternehmensbeteiligungen. Wir müssen auch die Frage „Wie ist das mit den Aktienoptionen?“ klären. Wir brauchen den legislativen Fußabdruck, damit nachvollziehbar ist: Wer hat an Gesetzgebung mitgewirkt, und wer hat Einfluss genommen? Und wir brauchen ein Lobbyregister. Herr Bartke, das, was Sie eben aus Sicht der SPD dazu gesagt haben, war ziemlich billig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP])

Wo waren Sie denn eigentlich? Warum haben Sie die Einführung eines Lobbyregisters nicht bei den Koalitionsverhandlungen vereinbart? Das war anscheinend nicht so wichtig.

Ich kann nur sagen: In den Sondierungsgesprächen zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen war Konstantin von Notz in der Arbeitsgruppe Demokratie. Dort hatten wir schon längst geklärt, dass es ein gesetzliches Lobbyregister gibt. Das scheint bei Ihnen nicht so intensiv verhandelt worden zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP])

Und kommen Sie mir nicht mit Baden-Württemberg. Ich vertrete seit über acht Jahren die Auffassung, dass auf Bundesebene ein gesetzliches Lobbyregister zwingend ist, aber bisher scheitert es an der Blockade der CDU/CSU, die aus keiner Sicht gerechtfertigt ist, und daran, dass Sie als Koalition es nicht zustande bringen. Das muss man hier doch in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Warten Sie es doch mal ab!)

Als Letztes sage ich Ihnen: Die Interessenverbände der Wirtschaft sind hier viel weiter als Sie. Die wissen ganz genau, dass das der Dreh- und Angelpunkt für politische Interessenvertretung ist. Und da geht es auch nicht darum, hier einzelne Gruppen wie die Deutsche Umwelthilfe zu diffamieren oder Abgeordnete miteinander zu vergleichen, die gegen überhaupt keine Regeln verstoßen haben. Es ist doch völlig klar, dass wir jetzt das gesetzliche Lobbyregister brauchen. Und die Wirtschaftsverbände haben sich in einer großen Allianz zusammengetan –

Vizepräsidentin Petra Pau: –

Frau Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und fordern uns nahezu auf, endlich für ein gesetzliches Lobbyregister zu sorgen – seit Jahren schon! Die sind weiter als Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Patrick Schnieder das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)